Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1978, Jg. 10, H. 37-42)

Gehöft des Bauern Gerbitz—- 
—————Gehöft des Schulzen Boernicke———!—Gehöft des Bauern Grünefeld sen.——Gehöft des Kossäten Scharbrod- 
; ürfe der Gehöfte 
- ihe: David Gillys Typenentwürfe ı 
: ak nn SEE nr hologische Reihe: David Gi harakter eines 
Ze Dh Ferse MD rare Um dem „synthetischen” N EU MEETS der Wohn- 
gewachsenen‘ Dorfes zu geben, variiert Gilly die Fassaden, an FOrmelementen als morphologische 
häuser und die Giebelseiten der Wirtschaftsgebäude mit wenigen Fo 
Reihe. (1796 -1803) 
barocken Konventionen, aber formulierte auf 
der anderen Seite die Forderung nach Ratio- 
nalität als Kriterium der Architektur: „.. die 
Logik der Kunst wiederherzustellen, ist wich- 
tig‘. (Cours d’Architecture, IV) 
Kaufmann charakterisiert ihn als „‚Traditio- 
nalisten mit Sympathien für die moderne Be- 
wegung”” (Architecture in the Age of Reason, 
Ss. 131) 
Den entschiedenen Bruch mit der Konven- 
tion, den Säulenordnungen, usw. vollzog ein 
anderer: Marc-Antoine Laugier, der nach sei- 
nen eigenen Worten angetreten war, „die Fak- 
kel der Vernunft in die Dunkelheit der Grund 
sätze und Regeln zu tragen.” Er lehnte es ab, 
in den zu Kanones erstarrten Säulenordnun- 
gen die einzige mögliche und höchste Reali- 
sierung der Essenz der Architektur zu sehen, 
die deshalb einfach zu imitieren sei — wie 
die meisten seiner Zeitgenossen dies noch prak- 
tizierten. 
Er wollte zur längst vergessenen Quelle die- 
ser Kanones zurückgehen, um von dort aus 
neue, vernunftgemäße Schlußfolgerungen zu 
ziehen. Der Ursprung der Architektur sollte 
zur Quelle rationaler Prinzipien und Regeln 
der Form werden: 
„In klarem, einprägsamen Stil sucht Laugier 
die offensichtlichen Grundlagen’ wiederzufin 
den, welche die Vorurteile im Laufe der Jahr- 
hunderte verfälscht haben. Alles muß von der 
ursprünglichen Hütte, von der Vitruv spricht, 
abgeleitet werden: vier Pfosten und ein Dach 
mit zwei Schrägen. Der griechische Tempel 
kommt daher, jede gute Architektur soll des- 
sen eingedenk sein. Laugier leitet davon ab, 
was erlaubt, und was verboten ist. Alles was 
im Hinblick auf die ursprüngliche Struktur 
nicht unerläßlich und gemäß ist, ist überflüs 
sig, unlogisch und muß abgelehnt werden.” 
(Jean-Claude Lemagny, Menschliches Maß- 
Maßstab des Universums, in: Revolutions- 
architektur, Katalog, Baden-Baden 1971, 
Ss. 17) 
Theorien über den Ursprung der Architektur 
gab es seit Vitruv, und seine These von der 
Urhütte, der primitiven und aus der Not- 
wendigkeit entsprungenen ersten Behausung 
des Menschen war die gängigste und immer 
wieder reproduzierte dieser Theorien. Bis- 
her war die Ursprungstheorie jedoch allen- 
falls eine konstruierte Legitimation für ver- 
festigte Konventionen gewesen oder hatte 
zusammenhanglos neben den anderen Be- 
standteilen einer auf Vitruvs Gliederungs- 
schema zurückgreifenden Architekturlehre 
gestanden. 
Anders bei Laugier: von einem materiali- 
stischen Ansatz der Aufklärung, wie er in 
den Naturwissenschaften und in der Philo- 
sophie praktiziert wurde, kam er zum „beau 
primitif‘” der Urhütte, als dem quasinatür- 
lichen Prinzip der Architektur, auf dem er de- 
ren Regeln rational aufbauen konnte. Mit 
diesem Ansatz wird — wie Anthony Vidler 
kürzlich ausführlich entwickelt hat (The Idea 
of Type: The Transformation of the Acade- 
mic Ideal, 1750-1830, in: Oppositions 8/77) 
— der Begriff des Typus zur zentralen Kate- 
gorie der rationalistischen Tendenz. 
Laugier gebraucht den Begriff noch nicht; 
er ist ihm allzusehr in der idealistischen Denk- 
tradition verwurzelt, steht für die ’Idee des Gött 
lichen’, das ‘universelle Gesetz‘. Typus als Sym- 
bo! für das Göttliche war die Position des Lau- 
gier’s naturwissenschaftlichem Verständnis ge- 
nau entgegengesetzten: der salomonische Tem- 
pel, Inbegriff göttlicher Ideen und menschlicher 
Ratio letztlich nicht zugänglich, als erstrebens- 
wertes Urbild der Architektur; nicht Symbol 
der autonomen Prinzipien der Architektur, son- 
dern außerarchitektonischer Bedeutunaen. 
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