der werbenden Überredung rechnen und
die wir in der „elektrographischen Archi-
tektur”” von Las Vegas verwirklicht se-
hen und
2) als Ästhetik „„‚autonomer” Architektur-
sprachen, zu denen wir u.a. die Rationa-
le Architektur zählen.
In beiden Fällen handelt es sich um
Ästhetiken der Sprache, deren semanti-
sche und syntaktische Aspekte gegenüber
den pragmatischen (Bedeutungen, Inhal-
te) verselbständigt werden. Bei Robert
Venturi lassen sich bereits die ersten
Berührungspunkte zwischen diesen unter-
schiedlichen Entwicklungslinien der Ar-
chitektur feststellen.
Rationale Architektur verstehen wir
in diesem Sinne als eine ‘Architektur der
Verkleidung’, die bestimmt ist durch:
1) die Entwicklung des Produktionspro-
zesses von architektonischen Formen zu
einem gesonderten gesellschaftlichen Ver-
hältnis, das auf der „Autonomie der
Form” beruht und
2) die Form — Inhalt — Beziehungen als
Beziehungen einer Formdialektik, die den
Inhalt nur noch als einen Gegenstand der
Form auffaßt.
Die Autonomie der Form
Die „Autonomie der Form” oder an-
ders ausgedrückt, das Beharren auf der Ar-
chitektur als einer ‘autonomen’ Disziplin
bildet die Basisannahme dieses Architek-
turverständnisses. Sie ist die axiomatische
Basis all der Versuche von Aldo Rossi oder
Carlo Aymonino, von Oswald M. Ungers
oder Peter D. Eisenman, die sich bemüh-
hen, die Sprachbildung von Architektur
durch einen rationalistischen Modus zu
begründen. Diese Autonomie der Form
konkretisiert sich:
1) in der Einführung von formalen Inva-
rianzen in der Architektur und
2) in der Betrachtung der Funktion als
eine Anforderung (unter anderen) an die
Form.
Im Rahmen dieses Architekturverständ-
Nisses fungieren dann die Invarianten und
die Inhalte (Funktion) der Form als Kon-
stanten und intervenierende Variablen der
Sprachbildung von Architektur. Die Sprach:
bildung selbst ist als ein Prozeß der „Mo-
difikationen” von Invarianten vorzustellen.
Dabei sind unter den Modifikationen die
formalen Operationen zu begreifen, in de-
nen sich die funktionalen Anforderungen
an die Form im Prozeß der Sprachbildung
auswirken.
Der Formbegriff der Rationalen Architek-
tur
Mit diesem Verständnis der „Autono-
mie der Form” führt die Rationale Archi-
tektur einen Formbegriff bzw. ein Archi-
tekturverständnis ein. das mittels des
Formbegriffs bezweckt:
1) die der Architektur gesellschaftlich ent-
zogenen Inhalte durch die Form zurück-
zugewinnen und
2) die Auflösung der traditionellen Form-
Inhalt-Beziehung in gesonderte gesell-
schaftliche Verhältnisse ihrer Produktion
durch den autonomen Formbegriff wie-
der rückgängig zu machen.
Im Rahmen dieses Architekturverständ-
nisses kehren die gesellschaftlichen Inhalte
von Architektur als Gegenstände der Form
bzw. als Momente einer Formdialektik wie-
der, die der Form erlauben sollen, was
der Architektur als Ganzes nicht mehr
möglich ist, nämlich gesellschaftliche In-
halte (Gebrauchsweisen, Bedeutungen etc.
als Ausdruck der gesellschaftlichen Träger
von Architektur) zur Sprache zu bringen.
Progressive und regressive Momente der
Rationalen Architektur
In diesem Formverständnis der Rationa-
len Architektur liegen sowohl die emanzi-
patorischen als auch regressiven Potentiale
dieses Architekturverständnisses. Emanzi-
patorisch erscheint uns der Anspruch, die
Architektur wieder als ein ästhetisches Me-
dium zu betrachten, um wenigstens mit-
tels der Form und symbolisch einen An-
spruch einzulösen, den die Architektur
realiter nicht mehr erfüllen kann, oder
wenn, dann nur noch im Widerspruch
gegen die Entwicklung der Produktions-
verhältnisse.
Im Unterschied aber zu früheren Kunst-
verständnissen von Architektur ist dieser
Kunstanspruch nunmehr rein autoreflexiv
bloß noch mit der Verarbeitung des trau-
rigen Schicksals der Architektur als Dis-
ziplin beschäftigt. Das beweist u.a. der
Versuch von Robert Venturi, eine Archi-
tektursprache auf der Möglichkeit der
Trennbarkeit ihrer Elemente aufzubauen.
um in dieser Form die reale Demontage
der Architektur zu thematisieren und
als ästhetisches Montageprinzip in die
Architektur einzuführen.
Die Aneignung des historischen Erbes
der bürgerlichen Architektur, auf die die
Auseinandersetzung mit der Geschichte
der Architektur im Kern hinausläuft,
wird aber solange folgenlos bleiben, wie
sie gegen die abstrakte Behauptung vom
„Tod der Architektur’ die nicht weniger
abstrakte von der Autonomie der Diszi-
plin stellt. Unseres Erachtens läßt sich
der emanzipatorische Anspruch dieses
Architekturverständnisses nur einlösen,
wenn es gelingt, das wiedergewonnene
Selbstverständnis der Disziplin mit den
aktuellen gesellschaftlichen Bedingungen
der Planung und Produktion von Archi-
tektur zu verbinden, um der Disziplin
nicht nur eine neue Bedeutung zuzuspre-
chen, sondern auch einen neuen Inhalt
zuzuführen.
aus Grundelementen und Verknüpfungsregeln
neue, vollständig rationale Formen erzeugt
werden konnten.
„Durand unterteilte die Architektur,
oder besser, baute sie auf, aus Kombinationen
nicht weiter reduzierbarer Grundelemente.
Diese Elemente-Wände, Säulen, Öffnungen
— mußten zu Zwischeneinheiten — Torbögen,
Treppenanlagen, Hallen, usw. — kombiniert
werden und diese wiederum wurden zu kom-
pletten Ensembles, die wiederum Städte bil-
deten, zusammengesetzt. Die ganze Opera-
tion wurde durch die dreidimensionale Geo-
metrie gesteuert — auf einem Raster-Papier,
das entsprechend der kleinsten vorkommen-
den Einheit dimensioniert war.” (A. Vidler,
a.a.O., S. 107/8) Mit Hilfe seiner geome-
trischen Grundformen und des dreidimen-
siopnalen Rasters konnte Durand für jede
funktionale Anforderung ein abstraktes
typologisches Diagramm vorschlagen.
Ähnlich der späteren funktionalistischen
Doktrin betrachtete Durand Wirtschaftlich -
keit und Bequemlichkeit als Quellen der
Schönheit. Er war damit der Wegbereiter
eines technisch-ökonomischen Typusbegriffs,:
Typus als der experimentell optimierte und
perfektionierte Prototyp, der als standardi-
siertes Industrieprodukt beliebig oft und
in gleichbleibender Perfektion reproduziert
werden kann.
Als „Typus” und „konstituierende Prin-
zipien” der Architektur wurden die konstruk
tiven und funktionalen Lösungen der gestell-
ten Anforderungen aufgefaßt; die äußere
Form war vom Inhalt befreit, akzidentiell,
an Geschmack und Situation anpaßbar.
Die Funktionalisten des 20. Jahrhunderts
versuchten, diese Einheiten von Form und
Inhalt zu rekonstruieren und scheiterten an
der inzwischen gesellschaftlich durchgesetz-
ten Entziehung des Inhalts aus der Kompe-
tenz des Architekten — womit er aus einer
rein technisch-funktionalen Rationalität
auch keine konsistenten Prinzipien für die
Frage der Form mehr aewinnen konnte.
Das symbolische Modell: Der salomonische Tem-
pel. Anomymes Blatt der Freimaurer, ca. 1774
Die hier unter dem Zwang des Kürzens nur be-
gonne Darstellung und Analyse von Architek-
tur-(Kunst-)verständnis und Entwurfsmetho-
dik des ästhetischen Rationalismus werden wir
in einem der nächsten Hefte weiterführen. Da-
bei wird die deutsche Entwicklung um die
Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert im
Mittelpunkt stehen: vor allem Theorien und
Methoden von Karl Friedrich Schinkel, auf den
z.B. O.M. Ungers und J. Stirling sich heute
intensiv zurückbeziehen
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