Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1978, Jg. 10, H. 37-42)

Focus: Zur Rolle der Typologie in der Architektur 
Positionen der italienischen Architekturdiskussion 
zum Typusbegriff: 
Aldo Rossi - Carlo Aymonino - Manfredo Tafuri 
Mit diesen Beiträgen zum Typus wollen wir eine Architekturdiskussion vorstellen, die im Italien der sechziger Jahre um die 
Behauptung oder Negation der Architektur als einer autonomen Disziplin geführt wurde. 
Diese Diskussion um die Rekonstruktion der Architektur, dia sich mittlerweile auch in der neueren deutschen Diskussion 
obemerkbar macht und sich hier mit Namen wie den Brüdern Krier, Osswald M. Ungers oder Aldo Rossi verbindet, läßt sich 
ziemlich gut an der Bedeutung, die dem Typusbegriff beigemessen wird oder nicht, verdeutlichen. Zur Einführung dieser Dis- 
kussion haben wir deshalb drei Beiträge zum Typusbegriff ausgewählt: 
— eine Position, die den Typus als „die /dee der Architektur an sich‘ begreift, als „das, was sich trotz aller Veranderungen 
dem‘ Gefühl und dem Verstand‘ immer als Prinzip der Architektur und der Stadt darstellt“ (Aldo Rossi) 
eine Position, die den Typus an die Entwicklung der gesellschaftlichen Bedürfnisse bzw. an organisierte Aktivitäten bindet 
und analysiert, wie sich die Entwicklung organisierter Aktivitäten und die Herausbildung der Gebäudetypologie wechsel- 
seitig bedingen und unterstützen (Carlo Aymonino); und 
eine Position, die sich angesichts dieses Typusverständnisses fragt, welche neuen Dimensionen die typologische Kritik dem 
Entwurfsverständnis, aber auch den darin eingegangenen Disziplinen der Geschichte und Kritik hinzufügt (Manfred Tafuri). 
Aldo Rossi 
Das Konzept des Typus 
Diesen kurzen Essay von Aldo Rossi 
zum ‘Konzept des Typus’ haben wir aus 
einem längeren Beitrag ausgewählt, den 
Rossi auf einer Tagung des {Instituto uni- 
versitario di Architettura di Venezia’ un- 
ter dem Titel „Typologie, Handbücher 
und Architektur” gehalten hat und auf 
der außer ihm noch Carlo A ymonino u.a. 
eingeladen waren und sprachen. Diese Ta- 
9uNg war von Aymonino eingerufen wor- 
den, um die „Beziehungen zwischen der 
städtischen Morphologie und der Gebäude- 
typologie” zu klären. Sie fand bereits im 
Jahre 1965 in Venedig statt. 
Wir haben uns für diesen Beitrag aus 
zwei Gründen entschieden, nämlich ein- 
mal, um die wesentlichen Bestimmungen 
des Rossischen Typusbegriffs in die deut- 
sche Diskussion einzuführen und zum an- 
deren, um die Verfälschungen und Ver- 
kürzungen der deutschen Übersetzung 
der „Architektur der Stadt” Zu korrigie- 
ren. 
nikum schreibt Durand: ‚„‚Ebenso wie 
Mauern, Säulen u.a. Kompositionselemen- 
te der Bauten sind, sind die Bauten wie- 
derum Kompositionselemente der 
Städte”.1) Das Verständnis der städti- 
schen Phänomene (fatti urbani)2) als 
Kunstwerke eröffnet den Weg zur Erfor- 
schung all jener Aspekte, die die Struktur 
der Stadt beleben. 
Die Stadt, als eine ‚‚menschliche 
Schöpfung” par excellence, besteht aus 
ihrer Architektur und aus all jenen Wer- 
ken, die den realen Modus der Verwand- 
lung der Natur darstellen. 
Die Menschen der Bronzezeit paßten die 
Landschaft ihren sozialen Bedürfnissen an, 
indem sie künstliche Inseln aus Ziegeln 
bauten und Brunnen, Abwasserkanäle 
und Wasserleitungen aushuben. Die ersten 
Häuser isolieren die Einwohner von der 
äußeren Umgebung und schaffen ein dem 
Menschen günstiges Klima; die Entwicklung 
des Stadtkerns weitet den Versuch dieser 
Kontrolle auf die Schaffung und Ausbrei- 
tung eines Mikroklimas aus. 
So alt wie der Mensch ist also die künst- 
liche Heimat. 
Im Zuge dieser Transformation entstehen 
die ersten Formen und die ersten Typen 
von Wohnhäusern; dazu die Tempel und 
die komplexeren Bauten. Der Typus ent- 
wickelt sich also gemäß den Bedürfnissen 
und entsprechend dem Streben nach 
Schönheit; einzigartig, jedoch sehr vari- 
iert in unterschiedlichen Gesellschaften ist 
der Typus an die Form und an die Lebens- 
Ich werde mit einer Frage beginnen, 
die uns den Zugang zum Problem der 
Klassifizierung eröffnet, nämlich mit der 
Frage der Typologie und ihrer Beziehung 
zur Stadt; eine Beziehung, die ich von 
verschiedenen Gesichtspunkten aus ana- 
Iysieren werde, wobei ich immer die Ge- 
bäude als Momente und Teile eines Gan- 
zen betrachten werde, eben der Stadt. 
Dieser Standpunkt war schon den Ar- 
chitekturtheoretikern der Aufklärung 
klar. In seinen Vorlesungen am Polvtech- 
weise gebunden. 
Es ist deshalb logisch, daß das Konzept 
des Typus einen Grundbegriff der Archi- 
tektur darstellt und sowohl in der Praxis 
wie in der Theorie immer wieder auf- 
taucht. Ich unterstreiche deshalb die Be- 
deutung der typologischen Fragen; wich- 
tige typologische Fragen haben immer 
die Geschichte der Architektur durchlau- 
fen und stellen sich normalerweise, wenn 
wir städtische Probleme angehen. Theore- 
tiker wie Milizia definieren niemals den 
Typus, aber Äußerungen wie die folgen- 
den können in diesem Sinne zusammenge- 
faßt werden: „Die Bequemlichkeit eines 
jeden Gebäudes ist hauptsächlich von drei 
Dingen abhängig: von seiner Lage, seiner 
Gestalt und der Anordnung seiner Teile.” 
Ich denke deshalb an den Begriff des Ty- 
pus als an etwas Dauerhaftes und Kom- 
plexes, ein logischer Ausdruck, der vor 
der Form besteht und der sie konstituiert. 
Einer der bedeutendsten Architekturtheo- 
retiker, Quatremere de Quincey, hat die 
Bedeutung dieser Probleme verstanden 
und hat eine meisterhafte Definition des 
Typus und des Modells gegeben: 
„Das Wort Typus bezieht sich nicht so sehr aut 
das Bild einer zu kopierenden oder vollständig 
nachzuahmenden Sache, als auf eine Idee, die 
dem Modell als Regel dient ... Das künstlerische 
Modell dagegen ist ein Objekt, das so, wie es ist, 
wiedergegeben werden muß. Im Gegensatz dazu 
ist der Typus etwas, aufgrund dessen Werke 
konzipiert werden können, die einander über- 
haupt nicht ähnlich sehen. Beim Modell ist alles 
präzis und vorgegeben, beim Typus bleibt alles 
mehr oder weniger unbestimmt. Daraus folgert, 
daß die Nachahmung von Typen nichts enthält, 
was Gefühl und Geist nicht wiedererkennen kön- 
nen ... In jedem Land geht die Baukunst in al- 
ler Regel auf einen schon zuvor bestehenden 
Keim zurück. Für alle gibt es etwas, was ihm 
voranaeht. denn nichts kann aus dem Nichts 
CC
	        

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