die Komplexität der zu bewältigenen Pro-
bleme und auf die fälligen technischen
Antworten.
„Es ist die Figur des Ingenieurs, die über al-
len anderen auftaucht; er ist der Ausführende
von Transformationen, die sich in der Technik
der neuen städtischen Strukturen konkretisie-
ren.”9)
Die nachfolgenden 7raktate sind in der
Tat nichts anderes als Bekräftigungen der
vorhergehenden Klassifizierungen. Sie he-
ben die Notwendigkeit hervor, daß die Ge-
bäudetypen, — welche immer stärker ausge:
richtet werden auf die Rolle eines „‚Sche-
mas der funktionellen Verteilung”, die sie
erfüllen als auf die Inhalte, die sie darstel-
len sollen — operative Regeln einfacher
Aneignung und didaktische Regeln eben-
so einfacher Vermittlung liefern. Die Trak-
tate tendieren dazu, Handbücher zu wer-
den. Diese beiden Momente sind gerade
in den polytechnischen „‚Schulen” eng
miteinander verbunden, in denen die Ver-
mittlung immer weniger den empirischen
Daten und immer mehr abstrakten, objek-
tiven, rational zu erfassenden und damit
wiederholbaren Daten übertragen wird.
„Die zivile Architektur ist ein Komplex ver-
schiedener, sowohl praktischer wie auch theore:
tischer Erkenntnisse; erstere beruhen auf der
Allgemeinheit der möglichen Fälle und lehren
die Erfindung von Gebäuden, letztere handeln
von der Anwendung der Materialien, die bei
der Ausführung von Gebäuden notwendig
sind.‘ 10)
Die Gebäudetypologie als Bezugsnetz
zum Entwerfen neuer baulicher Manufak-
te und oft als Klassifizierung der Modelle
für spätere Nachahmungen ist ein vollen-
detes Faktum, ein operatives Instrument.
In dieser Bemühung, eine konkrete Ant-
wort auf neue Bedürfnisse zu geben, ist
jene Aussage von Durand verloren gegan-
gen, die die Komposition von Gebäuden
mit der der Stadt in ihrer Gesamtheit in
Verbindung brachte: „Ebenso wie die
Mauern, Säulen usw., die ’Kompositions-
elemente der Gebäude sind, sind die Ge-
bäude wiederum Kompositionseiemente
der Städte.‘ Jene reduktive Matrix wird
lange Zeit überdauern, und sie beeinflußt
meiner Meinung nach noch heute den
Begriff der Gebäudetypologie.
Wenn wir nämlich in diesem oder je-
nem Architekten Symptome einer radika-
len Änderung der architektonischen Spra-
che oder der konstruktiven Technik auf-
spüren können, so können wir doch in der
Beziehung zwischen städtischer Morpholo-
gie und Gebäudetypologie feststellen, wie
die Verbindung zwischen Methode und
Eingriff, zwischen Klassifizierung und An-
wendung im Verlauf des gesamten Jahr-
hunderts selbst mehr oder weniger unver-
ändert bleibt, sowohl in den thematischen
Elementen wie auch in den operativen In-
strumenten.
Es genügt, sich die vier Bände von Gua-
dets E/ements et theorie de l’architecture,
far,
A 1°
Ergebnis einer mehr als zwanzigjährigen
Lehre und im Jahre 1892 veröffentlicht,
anzuschauen, um die Konstanz der The-
matik und der Methode zu erkennen.
In den besten Fällen ist es die Stadt selbst,
in der Form ihrer kollektiven Vertretung
im Rathaus, die die Aufgabe und das
Prestige übernimmt, gleichzeitig Auftrag-
geber und Auftragnehmer zu sein, d.h.
Entwerfer und Nutznießer der zivilen Rea-
lisierungen.
Die als Beispiele positiver Realisierun-
gen erläuterten Themen sind von Nar-
jouxs’ Paris, monuments &leves par la ville,
1850—1880 bis zu Hoffmanns’ Neubauten
der Stadt Berlin, 1897-1912 immer die-
selben: Schulen und Hospize, Gefängnisse
und öffentliche Bäder, technische Institu-
te und Irrenanstalten, Kasernen, Kunst-
schulen, Lager der Gasbetriebe und der
Stadtreinigung usw.: also das Schöne, aber
vor allem auch das „„Häßliche”” der industri-
ellen Stadt, der man ein Gesicht und ein
ziviles Aussehen geben muß.
Im Hinblick auf unsere Untersuchung
können wir bemerken, daß die Beispiele
noch nach dem Inhalt geordnet werden .
(Zusammenfallen von Gebäude und Ge-
brauchsweise) und nicht, wie ‚es später ge-
schehen wird, nach Klassifizierungen (Zu-
sammenfallen einer Funktion mit verschie-
denen Gebäuden: Gebäude für Unterhal-
tung, für den Sport usw.).
Außerdem kann man erkennen, wie bei
den erläuterten Beispielen gerade jene des
Wohnungsbaus fehlen, die aufgrund des
schnellen Wachstums jedoch gleichwertig
oder noch mehr als andere die Anferti-
gung von präzisen und definierten 7ypen
erforderten.
Dieses ist wahrscheinlich durch die Tat-
sache bedingt, daß, während man für die
neuen zivilen Monumente einen hervor-
ragenden Standort (oder wenigstens einen
„Bezugspunkt‘’ in der städtischen Struktur)
als Folge des öffentlichen Charakters des
Eingriffs und damit des größeren Spiel-
raums an Grund und Boden und Abstän-
den zu anderen Gebäuden wählen könnte
— da der öffentliche Eingriff nicht voll-
kommen den Gesetzen der Grundrente un-
terworfen war und es somit a priori mög-
lich war, eine architektonische Form fest-
zusetzen, die nur abhängig von der Vertei-
lung und Kombination der sie konstituie-
renden Elemente war — während die Men-
ge der Wohnbauten, bedingt durch den
privaten Eingriff, aus den alten und neuen
Straßenverläufen resultiert und mit diesen
in einem direkten Bezug steht. Deshalb ist
dieser Bezug allgemein und für die gesam-
te städtische Expansion gültig; aber er ist
auch von Mal zu Mal verschieden und
durch die Unterschiede in den Straßenver-
läufen bestimmt.
Das Instrument, das nämlich bei der
Realisierung der Masse des spekulativen
Wohnungsbaues angewandt wurde, ist
nicht ein Typus, sondern die Bauord-
nung mit ihren Höhenbeschränkungen,
bezogen auf die Breite der Straßen und
ihren mehr oder weniger großen Abstän-
den, bezogen auf die Grenzen des
Grundbesitzes. Ein „Bautypus’ wird nur
in einzelnstehenden privaten Häusern
(Villen, Vorstadthäuser, Einfamilienhäu-
ser) realisiert, die, von der Beziehung
zur städtischen Morphologie aus gese-
hen, einen größeren Spielraum an frei-
em Boden im Umkreis des Gebäudes ha-
ben (und somit nur in diesem Punkt ver-
gleichbar mit dem Mechanismus sind,
nach denen die Gebäude der kollektiven
Ausstattung errichtet wurden. Es wird
erst die funk tionalistische Bewegung
sein, die, indem sie das Haus von der
Straße löst, eine Bautypologie der Wohn-
gebäude entwickelt, die nicht durch die
Bauordnungen bedingt ist.
Wir wollen nun versuchen, einige
Merkmale der Gebäudetypologie darzu-
stellen, um sie besser zu präzisieren:
a) die Einzigartigkeit des Themas, dem
eine einzige Aktivität entspricht;
daraus folgt eine bemerkenswerte
Elementarität (oder Einfachheit) des
baulichen Manufaktes in seinen kom-
positorischen Daten;
b) die G/eichgültigkeit gegenüber der
Umgebung, wenigstens im theoreti-
schen Ansatz, d.h. die Gleichgültig-
keit gegenüber einer präzisen städte-
baulichen Anordnung (daraus folgt
eine bemerkenswerte Austauschbar-
keit) und die Bildung einer Bezie-
hung nur zum eigenen Grundriß als
einzig möglicher Einschränkung (un-
vollständiger städtischer Bezug);
c) die relative Unabhängigkeit von Bau-
ordnungen, da der Typus gerade durch
eine eigene spezifische technisch-distri-
butive Struktur gekennzeichnet ist. Der
Bautypus ist in der Tat auch durch
Vorschriften bedingt (Hygienevorschrif-
ten, Sicherheitsvorschriften usw.), aber
nicht nur durch diese.
Die Präzisierung der Bautypologie durch
die Gebäude der zivilen Architektur bestä-
tigt die These, die ich bezogen auf die
Entstehung der zeitgenössischen Stadt for
muliert habe11); nämlich die tiefen Wider
sprüche zwischen dem privaten und dem
öffentlichen Interesse, zwischen „‚existie-
renden” — in bezug auf ihre Gebrauchs-
weise, die nicht nur funktional und not-
wendig, sondern auch repräsentativ und
durch Prestige bedingt ist — und „nicht
-existierenden” Teilen, zwischen theore-
tisch zu präzisierenden Bedürfnissen und
realen Möglichkeiten, zwischen Qualität
und Quantität. Wenn also die zivilen Ar-
chitekturen durch ihre Realisierung und
ihren Standort die Unmöglichkeit bestä-
tigen, die Stadt noch als eine „vollendete
Form” zu verstehen, die in ihrer Gesamt-
heit leicht faßbar ist, so bestätigen sie