Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1978, Jg. 10, H. 37-42)

em durchdenken, wird im Geist an der 
Skizze, die er als eine Vorstellung von 
klarer Gestalt mit sich herumträgt, ändern; 
er wird dann eine neue Skizze machen 
und schließlich die abgerundete Erschei- 
nung des Bauwerks aufzeichnen - in der 
besonderen Darstellungsart des Architek- 
ten, d.h. in Grundriß und Aufriß oder 
Schnitt‘ (4). Wichtig an dieser Äußerung 
ist, daß das Bauprogramm des Bauherrn 
vorausgesetzt wird. Dies läßt verstärkten 
Skonomischen Druck und höhere Anfor- 
derungen für den Gebrauchswert des Ge- 
bäudes vermuten. Vor allem aber ist be- 
deutsam, daß sich in dieser ‘Theorie des 
architektonischen Entwerfens‘ der ganz- 
heitliche Gestaltungs- und Ausführungs- 
vorgang mit dem ‘Architekten gleich Bau- 
meister‘ beginnt aufzulösen; wohl hat der 
Architekt in der Regel die Bauleitung, zu- 
mindest aber die künstlerische Oberlei- 
tung in der Hand; aber das ‘“’Entwerfen” 
beginnt sich zu verselbständigen gegenü- 
ber dem Ausführen — es endet mit dem 
Entwurf; und nur mit mit dem “Entwerfen” 
beschäftigt sich Ostendorfs Buch, dessen 
Absicht es ist, allein ‘“das Verhältnis des 
Entwurfs zum Bauprogramm zu unter- 
suchen‘‘. (1919,188) 
Das Entwerfen als eigenständige, eigen- 
gesetzliche Tätigkeit tritt in den Zwanzi- 
ger Jahren noch stärker hervor, wird Ge- 
genstand der Auseinandersetzung, So u.a. 
bei Hermann Sörgel in seiner “Theorie der 
Baukunst”, die darauf abzielt, ‘das pro- 
duktive Verhalten des Architekten in sei- 
nen inneren Wahrnehmungen und Gesich- 
ten vom Standpunkt der Erfindung und 
Gestaltung etwas näher zu beleuchten“ 
(Sörgel (1921) 1977,279); wir wollen uns 
hier beschränken auf den Beitrag ‘Das 
Bauliche Gestalten‘, den Fritz Schu- 
macher 1926 als Baudirektor von Ham- 
burg und im weiteren Dunstkreis des 
Neuen Bauens stehender Architekten und 
Städtebauer verfasste. “Gesta/ten“ be- 
deutet für ihn “ein Wechselspiel zwischen 
'Geben‘ und ‘Nehmen‘; zwischen der 
Kraft, die dem Reich der Vernunft ent- 
$Pringt und dem Stoff, der dem Reich des 
Sinnlichen entstammt; ein Wechselspiel 
Unserer ‘Innenwelt‘ mit der ‘Außenwelt‘; 
ein Ringen zweier sich begattender Wel- 
ten!” (Schumacher, 1926,8). Der Funk- 
tionalismus, dem “Reich der Vernunft“ 
zugehörig, Macht es dem Baukünstler 
'Mmer schwerer, Baukünstler zu bleiben; 
das “Ringen”, das wir bereits bei Hein- 
ich Wagner und Le Corbusier fanden, 
Wird schwerer. Allerdings bleibt es, wie bei 
Wagner und Ostendorf, dabei, daß das 
Entwerfen von der Idee getragen wird: 
daß ‘am Beginn des Schaffensprozesses, 
der zu einem bestimmten gewollten Bau- 
werk führt, eine /dee‘ steht‘ (42). Meta- 
Phorisch vergleicht Schumacher diese 
: Idee“ mit “Nebeln“‘: “Nebel ballen sich 
im Künstler zu einem Wolkengebilde. Es 
hat noch keine umrissene Gestalt, seine 
Eigenart ist es gerade, daß es sich beweg- 
lich in jede Gestalt verformen kann, aber 
sein Stoff hat ein ganz bestimmt gearte- 
tes Wesen, das zum Vorschein kommt, so- 
bald daraus Form entsteht‘. (43) 
Der Ablauf des Entwerfens wird stufen- 
weise konkretisierend aufgefaßt: ‘Das 
Ziel des schöpferischen Prozesses, der mit 
der architektonischen Idee beginnt, ist 
dies: die Idee immer mehr zum geistigen 
Bild zu verdichten. Dies geistige Bild hat 
dann die schwere Probe der Auseinander- 
setzung mit all den einzelnen Realitäten 
des Zweckprogramms zu bestehen ..... 
Das Ende des Vorgangs ist dann die 
Synthese aus dem geistigen Bild und dem 
realen Programm. Sie pflegt man ‘Ent- 
wurf‘ zu nennen.“ (60). 
Zur Methode des Entwerfens, wie nun 
der Entwurfsprozeß, die Erweckung der 
Phantasie, die von Intuition geleitete 
Suche vor sich gehen kann, dazu äußert 
sich Schumacher bewußt nicht: ‘In der 
Stunde des Schaffens ..... wird er (der 
Baukünstler) nur erfüllt sein von jener ge- 
heimnisvollen Unruhe, die allem wirkli- 
chem Schaffen vorausgeht, deren Ziel und 
Ursache man nicht weiß und die dann 
plötzlich ihre Erlösung findet, wenn der 
entscheidende Gedanke aus unbestimm- 
ten Nebeln und tastenden Versuchen auf- 
taucht.‘ (63) 
Genauer wird Schumacher, wenn es um 
die Stellung des Entwerfens im Planungs- 
prozeß geht. Hier deutet sich ein weiterer 
Schritt zur Auflösung des ganzheitlichen 
Gestaltungsprozesses und der Konzentra- 
tion auf den in der Hand des Architekten 
verbleibenden Torso namens “Entwurf” 
an, der zur eigentlichen, arbeitsteiligen, 
beim Bauen zu leistenden Aufgabe des 
Architekten wird: nämlich deutlicher als 
bei Ostendorf ruht die Aufstellung des 
Programms, die Festlegung des Zweckes 
in der Verantwortung des Bauherrn und 
wird zu einer eigenen, dem Entwerfen 
vorgeschalteten Aufgabe, die Schumacher 
als Baukünstler nicht gern übernimmt: 
“Nichts ist für den Architekten furchtba- 
rer, als innerlich unbestimmte Programme; 
sie verurteilen ihn zu tastendem Schaffen 
auf Gebieten, wo nicht gefühlt, sondern 
gewußt werden muß” (60). Die Zwecke 
bestimmen mehr und mehr das Entwer- 
fen; Schumacher spricht von ‘der Not der 
Zwecke, denen das Bauwerk dient; sie 
kleiden sich in die Form eines geschriebe- 
nen oder ungeschriebenen Programms, 
das es zu erfüllen gilt” (60). Folglich än- 
dert sich unter dem Zwang der Zwecke 
auch das Ziel des Entwerfens: es zielt auf 
baukünstlerische Sublimierung der bauli- 
chen Zweckerfüllung: “Aber eigentlich 
handelt es sich nicht um die einfache Tat- 
sache des Erfüllens (des Zweckes). Man 
kann einem praktischen Zweck auf eine 
Weise gerecht werden, die alle Tage vor- 
kommt, ja die ebensogut ein bißchen an- 
ders sein könnte; man kann ihm aber 
auch gerecht werden auf jene einmalige 
Art, die, ganz präzis den Umständen ange- 
paßt, unverrückbar erscheint. Nur diese 
zweite Art der Zweckerfüllung ist ein Ziel 
des Schaffenden. Es muß den zweckli- 
chen Anforderungen gegenüber den Geist 
in sich tragen, der uns heute unseren Ma- 
schinen gegenüber selbstverständlich ge- 
worden ist, den Geist des Entzückens am 
vollendet Praktischen.” ( 60). Der bau- 
künstlerische Anspruch bleibt — wenn 
auch umgelenkt auf die Ästhetisierung des 
Praktischen: die Distanz zur Ausführung 
seines Werkes nimmt zu, die Kontrolle 
über sein Werk schwindet; was bleibt, ist 
der autoritäre Anspruch über Mitarbeiter 
und Handwerker: ‘Vom Entstehen der 
Ideen sind wir zum Ausgestalten ihrer be- 
stimmten bildmäßigen Form gekommen 
..... Jetzt setzt für den Entwerfenden 
ein drittes Kapitel ein... ..: er muß sei- 
nen Entwurf in Formen gießen, die seine 
Übersetzung in die bauliche Wirklichkeit 
mit maschinengemäßer Genauigkeit und 
Sicherheit regulieren . .. .. Da das prak- 
tische Erreichen dieses Zieles (des pla- 
stisch durchgestalteten Bauwerks) der 
Kraft des Einzelmenschen verwehrt ist, 
und es hunderter Hände bedarf, um es zu 
erreichen, muß er eine Maschinerie erfin- 
den, um diese fremden Hände zu lenken. 
Er muß seinen schöpferischen Willen me- 
chanisch auf die Willensträger übertragen 
können, die er nicht nur an der Baustel- 
le, sondern in den verschiedenen Werkstät- 
ten der Stadt für sich in Bewegung setzt . 
.... So schafft sich der Architekt mit 
zeichnerischen Mitteln ein Instrument, 
durch das er imstande ist, die zahlreichen 
Willensträger, die bei seinem Werk mitwir- 
ken, in seinen Willen zu bannen: es ist so 
konstruiert, daß das Bauwerk, das ent- 
steht, nicht nur in seinem allgemeinen Ge- 
dankengang, sondern bis ins Einzelne hin- 
ein einzig und allein so entstehen kann, 
wie er es beabsichtigt.’ (48 - 49). Wo es 
bei Wagner noch darum ging, ‘die Gehil- 
fen, Meister und Gesellen mit (seinem) 
Geist zu erfüllen” — d.h. als “Architekt 
gleich Baumeister’” unmittelbar gestaltend 
in die Ausführung einzugreifen — , da 
wird nun die Bauzeichnung als ‘’Maschi- 
nerie”’, als “Instrument” zur ‘“mechani- 
schen Übertragung” zwischen den Ent- 
wurfsvorgang und die Ausführung gescho- 
ben. Vielleicht gelingt es gerade noch, die 
Mitarbeiter im Büro bei der zeichneri- 
scher Ausarbeitung ‘mit dem Geist” der 
vom “Meister” gelieferten Ideen zu er- 
füllen; denn noch wird die Organisations- 
frage arbeitsteiliger Projektbearbeitung 
autoritär in der Art der Meisterwerkstatt 
gelöst. 6) Die Entfremdung des Architek- 
ten von seinem Werk 1äßt sich nicht mehr 
leugnen. 
Zugleich deutet sich auch an die Ent- 
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