em durchdenken, wird im Geist an der
Skizze, die er als eine Vorstellung von
klarer Gestalt mit sich herumträgt, ändern;
er wird dann eine neue Skizze machen
und schließlich die abgerundete Erschei-
nung des Bauwerks aufzeichnen - in der
besonderen Darstellungsart des Architek-
ten, d.h. in Grundriß und Aufriß oder
Schnitt‘ (4). Wichtig an dieser Äußerung
ist, daß das Bauprogramm des Bauherrn
vorausgesetzt wird. Dies läßt verstärkten
Skonomischen Druck und höhere Anfor-
derungen für den Gebrauchswert des Ge-
bäudes vermuten. Vor allem aber ist be-
deutsam, daß sich in dieser ‘Theorie des
architektonischen Entwerfens‘ der ganz-
heitliche Gestaltungs- und Ausführungs-
vorgang mit dem ‘Architekten gleich Bau-
meister‘ beginnt aufzulösen; wohl hat der
Architekt in der Regel die Bauleitung, zu-
mindest aber die künstlerische Oberlei-
tung in der Hand; aber das ‘“’Entwerfen”
beginnt sich zu verselbständigen gegenü-
ber dem Ausführen — es endet mit dem
Entwurf; und nur mit mit dem “Entwerfen”
beschäftigt sich Ostendorfs Buch, dessen
Absicht es ist, allein ‘“das Verhältnis des
Entwurfs zum Bauprogramm zu unter-
suchen‘‘. (1919,188)
Das Entwerfen als eigenständige, eigen-
gesetzliche Tätigkeit tritt in den Zwanzi-
ger Jahren noch stärker hervor, wird Ge-
genstand der Auseinandersetzung, So u.a.
bei Hermann Sörgel in seiner “Theorie der
Baukunst”, die darauf abzielt, ‘das pro-
duktive Verhalten des Architekten in sei-
nen inneren Wahrnehmungen und Gesich-
ten vom Standpunkt der Erfindung und
Gestaltung etwas näher zu beleuchten“
(Sörgel (1921) 1977,279); wir wollen uns
hier beschränken auf den Beitrag ‘Das
Bauliche Gestalten‘, den Fritz Schu-
macher 1926 als Baudirektor von Ham-
burg und im weiteren Dunstkreis des
Neuen Bauens stehender Architekten und
Städtebauer verfasste. “Gesta/ten“ be-
deutet für ihn “ein Wechselspiel zwischen
'Geben‘ und ‘Nehmen‘; zwischen der
Kraft, die dem Reich der Vernunft ent-
$Pringt und dem Stoff, der dem Reich des
Sinnlichen entstammt; ein Wechselspiel
Unserer ‘Innenwelt‘ mit der ‘Außenwelt‘;
ein Ringen zweier sich begattender Wel-
ten!” (Schumacher, 1926,8). Der Funk-
tionalismus, dem “Reich der Vernunft“
zugehörig, Macht es dem Baukünstler
'Mmer schwerer, Baukünstler zu bleiben;
das “Ringen”, das wir bereits bei Hein-
ich Wagner und Le Corbusier fanden,
Wird schwerer. Allerdings bleibt es, wie bei
Wagner und Ostendorf, dabei, daß das
Entwerfen von der Idee getragen wird:
daß ‘am Beginn des Schaffensprozesses,
der zu einem bestimmten gewollten Bau-
werk führt, eine /dee‘ steht‘ (42). Meta-
Phorisch vergleicht Schumacher diese
: Idee“ mit “Nebeln“‘: “Nebel ballen sich
im Künstler zu einem Wolkengebilde. Es
hat noch keine umrissene Gestalt, seine
Eigenart ist es gerade, daß es sich beweg-
lich in jede Gestalt verformen kann, aber
sein Stoff hat ein ganz bestimmt gearte-
tes Wesen, das zum Vorschein kommt, so-
bald daraus Form entsteht‘. (43)
Der Ablauf des Entwerfens wird stufen-
weise konkretisierend aufgefaßt: ‘Das
Ziel des schöpferischen Prozesses, der mit
der architektonischen Idee beginnt, ist
dies: die Idee immer mehr zum geistigen
Bild zu verdichten. Dies geistige Bild hat
dann die schwere Probe der Auseinander-
setzung mit all den einzelnen Realitäten
des Zweckprogramms zu bestehen .....
Das Ende des Vorgangs ist dann die
Synthese aus dem geistigen Bild und dem
realen Programm. Sie pflegt man ‘Ent-
wurf‘ zu nennen.“ (60).
Zur Methode des Entwerfens, wie nun
der Entwurfsprozeß, die Erweckung der
Phantasie, die von Intuition geleitete
Suche vor sich gehen kann, dazu äußert
sich Schumacher bewußt nicht: ‘In der
Stunde des Schaffens ..... wird er (der
Baukünstler) nur erfüllt sein von jener ge-
heimnisvollen Unruhe, die allem wirkli-
chem Schaffen vorausgeht, deren Ziel und
Ursache man nicht weiß und die dann
plötzlich ihre Erlösung findet, wenn der
entscheidende Gedanke aus unbestimm-
ten Nebeln und tastenden Versuchen auf-
taucht.‘ (63)
Genauer wird Schumacher, wenn es um
die Stellung des Entwerfens im Planungs-
prozeß geht. Hier deutet sich ein weiterer
Schritt zur Auflösung des ganzheitlichen
Gestaltungsprozesses und der Konzentra-
tion auf den in der Hand des Architekten
verbleibenden Torso namens “Entwurf”
an, der zur eigentlichen, arbeitsteiligen,
beim Bauen zu leistenden Aufgabe des
Architekten wird: nämlich deutlicher als
bei Ostendorf ruht die Aufstellung des
Programms, die Festlegung des Zweckes
in der Verantwortung des Bauherrn und
wird zu einer eigenen, dem Entwerfen
vorgeschalteten Aufgabe, die Schumacher
als Baukünstler nicht gern übernimmt:
“Nichts ist für den Architekten furchtba-
rer, als innerlich unbestimmte Programme;
sie verurteilen ihn zu tastendem Schaffen
auf Gebieten, wo nicht gefühlt, sondern
gewußt werden muß” (60). Die Zwecke
bestimmen mehr und mehr das Entwer-
fen; Schumacher spricht von ‘der Not der
Zwecke, denen das Bauwerk dient; sie
kleiden sich in die Form eines geschriebe-
nen oder ungeschriebenen Programms,
das es zu erfüllen gilt” (60). Folglich än-
dert sich unter dem Zwang der Zwecke
auch das Ziel des Entwerfens: es zielt auf
baukünstlerische Sublimierung der bauli-
chen Zweckerfüllung: “Aber eigentlich
handelt es sich nicht um die einfache Tat-
sache des Erfüllens (des Zweckes). Man
kann einem praktischen Zweck auf eine
Weise gerecht werden, die alle Tage vor-
kommt, ja die ebensogut ein bißchen an-
ders sein könnte; man kann ihm aber
auch gerecht werden auf jene einmalige
Art, die, ganz präzis den Umständen ange-
paßt, unverrückbar erscheint. Nur diese
zweite Art der Zweckerfüllung ist ein Ziel
des Schaffenden. Es muß den zweckli-
chen Anforderungen gegenüber den Geist
in sich tragen, der uns heute unseren Ma-
schinen gegenüber selbstverständlich ge-
worden ist, den Geist des Entzückens am
vollendet Praktischen.” ( 60). Der bau-
künstlerische Anspruch bleibt — wenn
auch umgelenkt auf die Ästhetisierung des
Praktischen: die Distanz zur Ausführung
seines Werkes nimmt zu, die Kontrolle
über sein Werk schwindet; was bleibt, ist
der autoritäre Anspruch über Mitarbeiter
und Handwerker: ‘Vom Entstehen der
Ideen sind wir zum Ausgestalten ihrer be-
stimmten bildmäßigen Form gekommen
..... Jetzt setzt für den Entwerfenden
ein drittes Kapitel ein... ..: er muß sei-
nen Entwurf in Formen gießen, die seine
Übersetzung in die bauliche Wirklichkeit
mit maschinengemäßer Genauigkeit und
Sicherheit regulieren . .. .. Da das prak-
tische Erreichen dieses Zieles (des pla-
stisch durchgestalteten Bauwerks) der
Kraft des Einzelmenschen verwehrt ist,
und es hunderter Hände bedarf, um es zu
erreichen, muß er eine Maschinerie erfin-
den, um diese fremden Hände zu lenken.
Er muß seinen schöpferischen Willen me-
chanisch auf die Willensträger übertragen
können, die er nicht nur an der Baustel-
le, sondern in den verschiedenen Werkstät-
ten der Stadt für sich in Bewegung setzt .
.... So schafft sich der Architekt mit
zeichnerischen Mitteln ein Instrument,
durch das er imstande ist, die zahlreichen
Willensträger, die bei seinem Werk mitwir-
ken, in seinen Willen zu bannen: es ist so
konstruiert, daß das Bauwerk, das ent-
steht, nicht nur in seinem allgemeinen Ge-
dankengang, sondern bis ins Einzelne hin-
ein einzig und allein so entstehen kann,
wie er es beabsichtigt.’ (48 - 49). Wo es
bei Wagner noch darum ging, ‘die Gehil-
fen, Meister und Gesellen mit (seinem)
Geist zu erfüllen” — d.h. als “Architekt
gleich Baumeister’” unmittelbar gestaltend
in die Ausführung einzugreifen — , da
wird nun die Bauzeichnung als ‘’Maschi-
nerie”’, als “Instrument” zur ‘“mechani-
schen Übertragung” zwischen den Ent-
wurfsvorgang und die Ausführung gescho-
ben. Vielleicht gelingt es gerade noch, die
Mitarbeiter im Büro bei der zeichneri-
scher Ausarbeitung ‘mit dem Geist” der
vom “Meister” gelieferten Ideen zu er-
füllen; denn noch wird die Organisations-
frage arbeitsteiliger Projektbearbeitung
autoritär in der Art der Meisterwerkstatt
gelöst. 6) Die Entfremdung des Architek-
ten von seinem Werk 1äßt sich nicht mehr
leugnen.
Zugleich deutet sich auch an die Ent-
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