zu lassen. Noch ist offen, wie ein solcher
„Quartiersrat’” zu organisieren ist, welche
Kompetenzen er haben kann, wie er sich
überhaupt neben den gewählten Gremien
des Landes Berlin und des Bezirks Kreuz-
berg behaupten und sinnvoll wirken kann.
Gedacht ist dieses Gremium als Träger und
Vermittler aller aus dem Gebiet kommen-
den Aktivitäten und Initiativen, das im
Vorfeld des verfassungsmäßigen Entschei-
dungsprozesses arbeitet.
Da eine tragfähige Basis für eine Bürger-
vertretung noch geschaffen werden muß,
sollen die Bewohner über die bereits im
Gebiet aktiv arbeitenden freien Gruppen
angesprochen werden. Es soll versucht wer-
den, die „Aktivgruppen”’, vom Schreber-
gartenverein über die freien sozialen Dien-
ste bis hin zu den Initiativen der Nachbar-
schaftshilfe, für die Motivierung und Akti-
vierung der Bewohner zu gewinnen. Es
wird erwartet, daß der Einsatz der Aktiv-
gruppen für die Durchsetzung der „Strate-
gien’’ das Interesse der Bewohner soweit
anregen kann, daß sich weitere haus- oder
blockbezogene Nachbarschaftsgruppen bil-
den, die das Programm der Wiederbelebung
Kreuzbergs tragen und gestalten können.
Als weitere Maßnahme soll ein Verein
oder eine Stiftung „Kreuzberg SO 36" ge-
gründet werden, der die verschiedenen Ak-
tivitäten im Gebiet unterstützen und för-
dern soll. Der Schwerpunkt liegt auch hier
auf der Aktivierung der Bürger durch die
Mitarbeiter des Vereins, vor allem aber in
der Betreuung und Beratung der Mieter
und Eigentümer bei den verschiedenen
Modernisierungsvorhaben.
Soziale Fragen
Die stadträumliche Abgeschiedenheit
des Kreuzberger Südostens, seine ‚„Quali-
tät” als Billigwohnquartier, die traditio-
nelle Vernachlässigung des Gebiets in der
Stadtentwicklungspolitik und die daraus
resultierende Investitionsunlust und Ver-
schlechterung der Bausubstanz haben
SO 36 zu einem Auffangbecken für sozia-
le Rand- und Problemgruppen werden las-
sen. Soziale Probleme treten daher hier
— auch im Zusammenhang mit einer un-
genügenden sozialen Infrastruktur — mas-
siver und schärfer in Erscheinung als an-
derswo und bedürfen im Rahmen eines
umfassenden Erneuerungsprogramms
gezielter Strategien:
Ein „Stadtteilzentrum”’ soll für die
Zusammenfassung aller sozialen Dienste
eingerichtet werden. Programmatisches
Ziel dieses Zentrums ist die personenbe-
zogene Gesamthilfe, die die Zersplitterung
der Sozialhilfe in Teilprobleme mit allen
damit verbundenen Nachteilen für den
Hilfs- und Beratungsbedürftigen aufheben
soll, wie Verschiebung von Dienststelle
zu Dienststelle, Warten in Vorzimmern,
jedesmal neue Schwellenangst usw.
Das Problem der hohen Ausländerdich-
te, insbesondere Türken, und die damit
verbundenen Schwierigkeiten im Zusam-
menleben von Deutschen und Ausländern
werden in dem hier ausgewählten Konzept
vor allem als Problem der Deutschen m it
Ausländern begriffen. Es sollen Lösungsan-
sätze ausgearbeitet werden, die ein besseres
Miteinanderleben ermöglichen, ohne daß
eine Gruppe ihrer kulturellen Identität
verlustig gehen muß.
Mit einer „Stadtteilschule’ soll die
Integration arbeitsloser Jugendlicher in
den Ausbildungs- und Arbeitsprozeß im
Rahmen der Modernisierung versucht
werden. Theorie und Praxis sollen ver-
bunden werden, selbstbestimmtes Lernen
ermöglicht und so auch schulmüden Ju-
gendlichen noch ein Weg zu einer Lehre
geebnet werden.
Gezielte Darlehens- und Zuschußförde-
rung auch für Mieter, die den Moderni-
sierungsaufwand weitgehend selbst be-
stimmen und das erforderliche Kapital
und damit zugleich die resultierende
Miete durch Einsatz von Eigenleistun-
gen senken können.
Minimalmodernisierung (z.B. Einbau von
WC’s, wo diese noch auf dem Hof sind),
deren umlagefähige Kosten einen Miet-
preis zur Folge haben, der die Richt-
wertmiete nicht übersteigt.
Modernisierung ausschließlich durch die
Mieter in Selbsthilfe bei entsprechender
langfristiger Absicherung des Mietver-
hältnisses und der Miethöhe. Instandset-
zung durch den Eigentümer ist über
rechtliche Gebote sicherzustellen.
Wohnumgebung
Ein Impuls, der Bevölkerung die Hoff-
nung auf eine bessere Zukunft zu vermit-
teln, können und müssen Maßnahmen der
Dreh- und Angelpunkt aller Kreuzber- Öffentlichen Hand im städtischen Umfeld
ger Probleme ist die Verwahrlosung der sein, die nicht nur das Ziel der Verbesse-
Gebäude. Schon für Unterprivilegierte, rung der städtebaulichen Situation verfol-
eingewanderte schlesische Arbeiter errich- gen, sondern auch den Bewohnern das Ge-
tet, über Jahrzehnte vernachlässigt und fühl vermitteln, daß in Kreuzberg „etwas
fast ausschließlich als Renditeobjekte aus- getan’ wird. Die Bewußtheit der städte-
gebeutet, waren sie der Anlaß für die baulichen Defizite hat insbesondere die
Kreuzberger Problemkonzentration. Die Bürger in der Projektkommission veran-
nach der Teilung Berlins fast hoffnungs- laßt, einen Maßnahmenvorschlag auszu-
lose städtebauliche Situation und der zum wählen, der eine stärkere Identifikation
großen Teil schon menschenunwürdige Zu: der Bewohner mit ihrer Wohnumgebung
stand vieler Wohnungen in SO 36 sind in zur Folge haben kann. Durch Umbau
erster Linie verantwortlich für die Mutlo- einer Straßenkreuzung und eines dazuge-
sigkeit und Resignation der Bewohner. hörigen Straßenzuges soll die Fußwegzo-
Damit konfrontiert, verbessern jene, die ne ausgeweitet und durch entsprechende
finanziell dazu in der Lage sind, ihre Le- Gestaltung und Freizeitangebote besser
bensverhältnisse durch Fortzug. Soll das nutzbar gemacht werden. Zusätzlich soll
Ziel der Revitalisierung Kreuzbergs er- durch die Anlage von kleinen Vorgärten
reicht werden, muß daher jede Strategie das Defizit an wohnungsnahem Grün ge-
zuerst an der Verbesserung der städtebau- mildert und mit der Pflege und Nutzung
lichen und baulichen Situation ansetzen dieser privaten Grünflächen das Interesse
— obwohl dies allein nicht ausreicht. und die Bindung der Anwohner an ihrer
Allein vier Arbeiten wurden ausgewählt, unmittelbaren Wohnumgebung gestärkt
die versuchen, durch neuartige, bisher noch werden.
nicht durchgeführte Modelle zur Finanzie-
rung von Instandsetzung und Modernisie-
rung den Teufelskreis aus vernachlässig-
ter Instandhaltung, dadurch erhöhtem
Kapitalbedarf für die Instandsetzung und
Durchführung der notwendigen Moderni-
sierungsmaßnahmen ohne unzumutbare
Mietpreiserhöhungen zu durchbrechen.
Träger aller dieser Modelle ist der Mieter
als Partner des Eigentümers bzw. der Mie-
ter als Mieteigentümer. Für folgende Mög-
lichkeiten sollen Interessenten gefunden
werden:
— Mietkauf mit langfristiger Rückzahlung
der Erwerbskosten und Kosten von
Instandsetzung und Modernisierung
über tragbare Mieten. Ziel ist mit den
Eigentums- und Nutzungsrechten am
Haus die Bindung des Mieters an die
Wohnung zu stärken. und die Instand-
haltungsbereitschaft zu erhöhen.
Die Gruppen, deren Arbeiten von der
Projektkommission ausgewählt wurden,
haben in der 2. Wettbewerbsphase den
Auftrag, ihre Ideen zu konkreten Projek-
ten zu verdichten. Die Projektkommission
gab ihnen hierfür „Empfehlungen” an die
Hand. Diese enthielten eine kritische
Würdigung der Arbeit, Ausgrenzung von
Teilaspekten der Arbeiten, Schwerpunkte
der erwarteten Projektarbeit, gute Vor-
schläge aus anderen Arbeiten („„Vorschlags-
liste”), Ratschläge zur Zusammenarbeit
mit anderen Projektgruppen, Ansprechpart-
ner in der Projektkommission und im
Quartier. Diese „Empfehlungen” wurden
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