Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1979, Jg. 11, H. 43-47, [48])

dell zu vereinigen. Architektonisches 
Kennzeichen ist ein „verdichteter Flach- 
bau’’,dessen Einzelreihenhäuser mit einer 
horizontalen Speisetransportanlage ver- 
bunden sind, die in der Zentralküche ih- 
ren Ausgang nimmt. Die alternative Ernäh- 
rungswirtschaft realisiert sich durch eigene 
gärtnerische, später landwirtschaftliche 
Lebensmittelproduktionen und durch 
Großbereitung der Rohprodukte. Groß- 
wirtschaft im Haushalt war die Devise mit 
der man die „„‚Entlohnungsfrage’”” umgehen 
und die Quellen der häuslichen Unspar- 
samkeit verstopfen wollte. Hier bezog 
sich ADOLPH auf die Arbeiten zur Inten- 
sivgartenwirtschaft von L. MIGGE. 
Die verhaltene Beschreibung kommu- 
nikativer Werte machte das Modell auch 
der späteren Technokratie- und Antiver- 
schwendungskampagne brauchbar, war 
vermutlich auch taktisches Kalkül, das ein 
wenig gerechtfertigt erscheint, wenn man 
bedenkt, daß sich Adolphs Modell vom 
mehr oder minder unverbindlichen „Bro- 
schürensozialismus”’ der Zeit durch radika- 
len Praxisanspruch unterschied. Den löste 
ADOLPH selbst ein. 
Der Lankwitzer Verein für gemeinnützige 
Einküchenwirtschaft und sein Projekt 
‚Zusammen mit Claire RICHTER, die eine 
nationalökonomische Fundierung des 
„Ökonomiats” (Einküchenwirtschaft) in 
Buchform vorgelegt hat (1919) und mit 
W. ZEPLER, die sich ebenfalls in der Fra- 
ge der Familien- und Hauswirtschaftsre- 
form publizistisch betätigte, gründete 
R. ADOLPH eine Initiativgruppe, später 
den Verein für gemeinnützige Einküchen- 
wirtschaft. Dieser besorgte sich zunächst 
gründlich um die Propagierung der Ein- 
küchenhausidee. So veranstaltete er in 
Zusammenarbeit mit der Deutschen Gar- 
tenstadtgesellschaft und dem Verein für 
Wohnungsreform am 27. Oktober 1921 
die Kundgebung zum Thema: „Soziale 
Einküchenwirtschaft — eine Zeitforde- 
rung”, in der auch die Reichstagsabgeord- 
nete M. JUCHACZ eine das Einküchen- 
haus fordernde Rede hielt. In der von der 
Kundgebung verabschiedeten Resolution 
heißt es: „, ... daß die rationelle Haushalts- 
führung im Rahmen gemeinnütziger Ein- 
küchenwirtschaft geeignet ist, die Lage 
der Frauen bedeutend zu erleichtern ... 
Durch ökonom. Gestaltung des häuslichen 
Konsums einerseits und ungleich höhere 
Ausnutzung der baulichen Anlagen für 
Wohnzwecke andererseits vermag sie die 
heute volks- wie privatwirtschaftlich gel- 
tende Einschränkung erträglich zu gestal- 
ten. Daher begrüßt es die Versammlung, 
daß die praktische Ausführung des Gedan- 
kens in Verbindung mit dem Kleinhause 
und auf gemeinnütziger Grundlage in Lank-: 
witz bei Berlin angestrebt wird” (Mittei- 
lungsblatt des Vereins 1921). Es ist be- 
zeichnend für das Organisationstalent 
ADOLPHS und die Offenheit seines Mo- 
dells, daß er Gartenstadtgesellschaft, Ver- 
ein für Wohnungsreform, die sozialdemo- 
kratische Frauenbewegung und Vertreter 
der SPD selbst vor sein Projekt spannen 
und es auch öffentlich absegnen lassen 
konnte. 
Das Projekt des Vereins plante auf 
einem von der Stadt Lankwitz-Berlin am 
Rande des Lankwitzer Stadtparkes zur 
Verfügung gestellten Gelände 42 Einfami- 
lienhäuser und 6 Wohnungen. Die Einzel- 
küchen waren ersetzt durch die Zentral- 
küche; Zentralheizung und Warmwasser- 
versorgung ergänzten die Ausstattung. 
Die Speisen, von einer horizontalen Hänge- 
transportanlage angefahren, werden im 
Vorraum des Wohnzimmers dem Wand- 
schrank entnommen. Die Organisation 
sollte als Genossenschaft aufgezogen wer: 
den, die sowohl die Verwaltung der Ge- 
samtanlage als auch die Führung der Kü- 
che übernehmen sollte (JENSSEN 1921 
S. 78). 
Das bis zur Ausführungsreife getriebe- 
ne Projekt, das erste in Einfamilienbau- 
weise, kam nicht zur Ausführung. Es be- 
zeichnet die Selbstvergessenheit der So- 
zialdemokratie und die Verschüttung ih- 
rer Reformtradition, daß heute dieser 
Versuch völlig unbekannt ist und in kei- 
ner wissenschaftlichen Arbeit zur deut- 
schen oder Berliner Baugeschichte ange- 
führt ist! 
Ich komme zum Ende unserer kurzen 
Geschichte des Einküchenhauses. Vorher 
muß aber noch erwähnt sein, daß es ab 
1924 völlig verdrängt wurde und aus der 
Debatte herausgefallen ist. Der in Serie 
gehende Massenwohnungsbau und seine 
ästhetischen und ideologischen Leitbilder 
lösten alle Erwägungen zum Einküchen- 
haus ab. 
Es verschwindet aber nicht für immer, 
1929, als das Neue Bauen eigentlich erst 
in Fahrt gekommen war, taucht es, sehr 
spektakulär und prominent vertreten, 
wieder auf; seltsamerweise bei einem Ar- 
chitekten, der wie kein anderer die ästhe- 
tischen und produktionstechnischen Maß 
stäbe der Standardwohnung — sozusagen 
der siegreichen Widersacherin der Ein- 
küchenhausidee — ausgelegt und verbrei- 
tet hatte: bei Walter GROPIUS.3 
Um dieses kontrapunktische Phäno- 
men am Ende der Periode des histori- 
schen Funktionalismus zu begreifen, ist 
es nötig, die Dialektik des Reformprozes- 
ses auch in dem Stadium zu untersuchen, 
in dem das kollektive Erbe im Einküchen- 
haus in keinem Gebäudetypus mehr sei- 
nen unmittelbaren Ausdruck fand. Da zu 
vermuten ist, daß mit dem Einküchenhaus 
nicht auch die an ihn gehefteten Bedürf- 
nisse historisch verfallen oder etwa nach- 
haltig berücksichtigt worden sind — dafür 
spricht schon sein Widererscheinen in der 
Krise — unterstelle ich dem Neuen Bauen, 
daß das kollektive Surplus der vergangenen 
Diskussionen nicht etwa der Anpassung 
an kapitalistische Fungilibität geopfert 
worden, sondern, wie man in Anwendung 
eines Brecht-Wortes sagen könnte, „in die 
Funktionale gerutscht” ist. Das heißt, die 
alte Idee kollektiver Bedürfnisartikulation 
und Befriedigung ist als inhaltlich diffuser, 
gleichwohl mit wirtschaftlichen Reform- 
theorien anaereicherter ‘Gemeinschafts”- 
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YUbb. 14. Radialfüche. Lehrfüche mit 8 Kojen. 
1. Geidhirridhrant. 2. Klappbrett. 3. AWblauftijdh (darunter Borratsidhranf, darüber 3wölf) [3.] Spülbeden, 5. Arbeitsti fd (darunter Topf» und Geräte[Hrank). 
6. Rochfifte. 7. Gasherd mit WbiteNlplatten. 8. Tifh (beweglich), 9. UrbeitstiiH mit zwei GasfohHern für theoretifden Unterricht. 10. Lehrpodium. 11. Stuhl. 
12. Warmwarerberetter. 
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