... und neue Ansätze
Jürgen Wolf
Stadterneuerung durch Bewohnergenossenschaften
Ein neues Trägermodell für Objektsanierung und Eigentumsbildung
In der letzten Nummer dieser Zeitschrift
wurde vom Verfasser als eine Strategie so-
zialorientierter Wohnumfeldverbesserung
der ‘Ankauf und die Umwandlung von
Mietwohngebäuden in Wohnungen mit
eigentumsgleichen Rechten für die Bewoh-
ner’ gefordert 1. Diese Strategie soll hier
in ihren technischen Details vorgestellt
werden. Die Notwendigkeit einer solchen
Strategie in bezug auf das Wohnumfeld
ergab sich aus der Verdrängung einkom-
mensschwacher Haushalte, die Wohnum-
feldverbesserungen mittels Lageaufwertun-
gen verursachen können.
Die Sicherung der Wohnverhältnisse
der vorhandenen Bevölkerung bestimmter
Stadtteile wird hier jedoch nicht nur als
Voraussetzung umfassender Wohnumfeld-
verbesserung gesehen, sondern eher als
Keim, als materielle und auch bewußt-
seinsmäßige Grundlage einer wirklichen
Erneuerung dieser Stadtteile. Denn eine
weitergehende Verfügung der Haushalte
über ihre Wohnungen als im Mietverhält-
nis möglich, scheint nicht nur negativ zur
Abwehr von Verdrängungsprozessen not-
wendig, sondern auch positiv, damit die
Bewohner die Verbesserung ihrer Wohnum-
gebung und die Entwicklung ihres Stadt-
teils mehr als ihre Angelegenheit betrach-
ten. Neben dieser eher langfristigen Perspek
tive ist es aber vor allem die neue Woh-
nungsnot in den Großstädten, die dringend
Maßnahmen zur Sicherung der Wohnver-
hältnisse der einkommensschwachen Haus-
halte erforderlich macht.
Inzwischen sind darüber ausführliche
Reportagen im ‘Spiegel’ vom 2.5.1979
und ‘Stern’ vom 31.5.1979 erschienen,
in denen u.a, bereits Stadtverdrängung der
Einkommensschwachen statt Stadtflucht
der Einkommensstarken konstatiert wird.
Im Fachschrifttum wird dieses Problem
noch kaum diskutiert. Auch der Analyse-
zeitraum mehrerer wichtiger Arbeiten zum
Thema regionaler Wohnungsmärkte, die
in Kürze erscheinen werden oder der Woh-
nungsmarktanalysen einiger Großstädte
fällt noch in die Phase der relativen Ent-
wertung von Wohnungen der Innenstädte
durch den letzten Wohnungsbauboom, so
daß in absehbarer Zeit verläßliche empiri-
sche Befunde über die veränderte Woh-
nungsmarktlage kaum vorliegen werden
und man mehr auf Marktbeobachtungen
angewiesen ist. Nach diesen darf man eine
wesentlich verschärfte Verdrängungskon-
kurrenz um Stadtwohnungen infolge der
Verknappung und Verteuerung der geho-
benen Wohnungsangebote am Stadtrand
und dem Risiko großer Pendierentfernur
gen bei in Zukunft möglicherweise unge-
wisser Treibstoffversorgung feststellen.
Dies muß zunächst zur Ableitung der
nachfolgenden Maßnahmen genügen.
Den Anstoß für die Ausarbeitung die- Dritte gefährdet sind (Verdrängungsfall).
ser Vorschläge gab das Kölner Architekten- Es handelt sich demnach um eine grund-
büro dt 8, 1. Preisträger des Wettbewerbs stücksbezogene ‚Revitalisierungsstrategie,
zur Erneuerung eines Teilabschnitts des Sa- die an den neuralgischen Punkten bzw. Fäl-
nierungsgebietes Severinsviertel (einschließ- len ansetzt und den Stadtteil auf diese Wei-
lich Stollwerckkomplex), dem zur Lösung se von unten her aufarbeitet. Darin unter-
der Wohnprobleme im Wettbewerbsgebiet scheidet sie sich grundsätzlich von dem bis-
eine genossenschaftliche Lösung vorschwebt., her üblichen baublockweisen Sanieren in
Dem Verfasser fiel die Aufgabe zu, die De- geschlossenen räumlichen Teilabschnitten,
tails dieser Lösung, von Problemen des die bei der gegebenen kleinräumig hetero-
Grunderwerbs bis zur Sicherung der Sanie- genen Bau- und Sozialstruktur3 zu viele
rungsergebnisse für die Bewohner zu klä- unvorhergesehene und unerwünschte Ne-
ren. Das dabei entstandene Konzept, das benwirkungen erzeugt und auch den Inter-
hier in einer Überarbeitung vorgestellt essen vieler Bewohnergruppen zuwider-
wird, wurde vom besagten Büro in die fach- läuft.
liche Diskussion und den politischen Ent- Das Konzept geht von der bestehenden
scheidungsgang gebracht. Rechtslage und den Förderprogrammen aus.
Adressat und z.T. schon Träger entspre- Bewährte Förderungs- und Finanzierungs-
chender Initiativen im Severinsviertel sind techniken werden lediglich neu kombiniert.
deutsche und ausländische Haushalte in Ebenso fußt die Trägerlösung auf Integra-
minderwertigen Wohnungen, die ihre tion von in Sanierung, Modernisierung und
Wohnverhältnisse selbst verbessern wollen Wohnungsverwaltung bewährter Institutio-
oder die durch Grundstücksverkäufe von nen und Firmen.
Verdrängung bedroht sind. Bei den im
Wettbewerbsgebiet wohnenden Auslän-
dern sind die Vorstellungen der Architek-
tengruppe auf besonderes Interesse ge-
stoßen2. Dies ist erklärlich, denn die Aus-
länder bewohnen die schlechtesten Woh-
nungen, genossenschaftliche Lösungen
sind ihnen aus ihrer Heimat bekannt, sie
verfügen über ein ausreichendes Haushalts-
einkommen und sind zum Großteil auch
handwerklich begabt.
® Gründung eines Vereins von Bewoh-
nern, anderen Interessenten und Förde-
rern im jeweiligen Stadtteil;
® Erwerb der Grundstücke (städtische
Grundstücke im Erbbaurecht);
®e Werbung der Bewohner als Mitglieder
des Vereins und Käufer ihrer Wohnung
mit oder ohne Modernisierungsabsicht;
® Teilung des Grundstücks/Gebäudes und
Zuteilung des Sondereigentums an die
Bewohner mit Auflagen für die Grundmo-
dernisierung bzw. -instandsetzung;
® Verkauf von leeren oder frei werden-
den Wohnungen an andere Mitglieder .
Verkauf von Eigentumswohnungen mit
nicht kaufbereiten Mietern an andere Mit-
glieder bei gleichzeitiger vertraglicher Si-
cherung der Wohnrechte des Mieters. Falls
dies nicht möglich ist, bleiben diese Woh-
nungen bis auf weiteres im Besitz des Ver-
eins;
® Beauftragung eines Modernisierungsbe-
treuers (Wohnungsunternehmen) durch
den Verein mit der Grundmodernisierung.
Der Verein bleibt bis zu deren Abschluß
über das Grundstück verfügungsberechtigt,
danach ist der Wohnungseigentümer im
Rahmen des Wohnungseigentumsgesetzes
uneingeschränkt verfügungsberechtigt;
8 Je nach Bedarf Ergänzungsmodernisie-
rung durch die Wohnungseigentümer
in Bauherrenfunktion mit den entsprechen-
den Möglichkeiten der Selbsthilfe, die in
dieser Bauphase auch technisch weniger
bedenklich ist;
® Die Wohnungseigentümer bleiben Pflicht-
mitglieder des Vereins bzw. der Genossen-
schaft. Anstelle des Wohnungseigentums
sind nach der Gründung der Genossenschaft,
1. GRUNDKONZEPT DER AUFKAUF-
LÖSUNG
Kurzgefaßt soll die Aufkauflösung in Ver-
bindung mit planungsrechtlichen Maßnah-
men die Verdrängung der vorhandenen
Quartiersbevölkerung durch Verkauf des
Grundstücks oder durchgreifende Moderni-
sierung des Gebäudes im durch Ratsbe-
schluß festgelegten Sanierungs- und Er-
haltungsgebiet verhindern und sie zum
Subjekt des Erneuerungsprozesses bzw.
zunächst als Eigentümer ihrer Wohnung
zum Bauherren der eigenen Wohnungsmo-
dernisierung machen.
Die Lösung bezieht sich nur auf zu ver-
äußernde Wohngrundstücke in und außer-
halb von Sanierungsgebieten oder solche,
die sich im Besitz der Gemeinde oder
eines kommunalen Wohnungsunterneh-
mens oder sonstigen öffentlichen Eigen-
tümers befinden. Die Grundstücke sind
wiederum nur Gegenstand des Verfahrens,
soweit es sich entweder
8 um modernisierungsbedürftige Mehrfa-
milienhäuser handelt, deren Bewohner
auch überwiegend die Modernisierung
wünschen (Modernisierungsfall), oder
die Wohnrechte der Bewohner durch
die Veräußerung des Gebäudes an
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