Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1979, Jg. 11, H. 43-47, [48])

... und neue Ansätze 
Jürgen Wolf 
Stadterneuerung durch Bewohnergenossenschaften 
Ein neues Trägermodell für Objektsanierung und Eigentumsbildung 
In der letzten Nummer dieser Zeitschrift 
wurde vom Verfasser als eine Strategie so- 
zialorientierter Wohnumfeldverbesserung 
der ‘Ankauf und die Umwandlung von 
Mietwohngebäuden in Wohnungen mit 
eigentumsgleichen Rechten für die Bewoh- 
ner’ gefordert 1. Diese Strategie soll hier 
in ihren technischen Details vorgestellt 
werden. Die Notwendigkeit einer solchen 
Strategie in bezug auf das Wohnumfeld 
ergab sich aus der Verdrängung einkom- 
mensschwacher Haushalte, die Wohnum- 
feldverbesserungen mittels Lageaufwertun- 
gen verursachen können. 
Die Sicherung der Wohnverhältnisse 
der vorhandenen Bevölkerung bestimmter 
Stadtteile wird hier jedoch nicht nur als 
Voraussetzung umfassender Wohnumfeld- 
verbesserung gesehen, sondern eher als 
Keim, als materielle und auch bewußt- 
seinsmäßige Grundlage einer wirklichen 
Erneuerung dieser Stadtteile. Denn eine 
weitergehende Verfügung der Haushalte 
über ihre Wohnungen als im Mietverhält- 
nis möglich, scheint nicht nur negativ zur 
Abwehr von Verdrängungsprozessen not- 
wendig, sondern auch positiv, damit die 
Bewohner die Verbesserung ihrer Wohnum- 
gebung und die Entwicklung ihres Stadt- 
teils mehr als ihre Angelegenheit betrach- 
ten. Neben dieser eher langfristigen Perspek 
tive ist es aber vor allem die neue Woh- 
nungsnot in den Großstädten, die dringend 
Maßnahmen zur Sicherung der Wohnver- 
hältnisse der einkommensschwachen Haus- 
halte erforderlich macht. 
Inzwischen sind darüber ausführliche 
Reportagen im ‘Spiegel’ vom 2.5.1979 
und ‘Stern’ vom 31.5.1979 erschienen, 
in denen u.a, bereits Stadtverdrängung der 
Einkommensschwachen statt Stadtflucht 
der Einkommensstarken konstatiert wird. 
Im Fachschrifttum wird dieses Problem 
noch kaum diskutiert. Auch der Analyse- 
zeitraum mehrerer wichtiger Arbeiten zum 
Thema regionaler Wohnungsmärkte, die 
in Kürze erscheinen werden oder der Woh- 
nungsmarktanalysen einiger Großstädte 
fällt noch in die Phase der relativen Ent- 
wertung von Wohnungen der Innenstädte 
durch den letzten Wohnungsbauboom, so 
daß in absehbarer Zeit verläßliche empiri- 
sche Befunde über die veränderte Woh- 
nungsmarktlage kaum vorliegen werden 
und man mehr auf Marktbeobachtungen 
angewiesen ist. Nach diesen darf man eine 
wesentlich verschärfte Verdrängungskon- 
kurrenz um Stadtwohnungen infolge der 
Verknappung und Verteuerung der geho- 
benen Wohnungsangebote am Stadtrand 
und dem Risiko großer Pendierentfernur 
gen bei in Zukunft möglicherweise unge- 
wisser Treibstoffversorgung feststellen. 
Dies muß zunächst zur Ableitung der 
nachfolgenden Maßnahmen genügen. 
Den Anstoß für die Ausarbeitung die- Dritte gefährdet sind (Verdrängungsfall). 
ser Vorschläge gab das Kölner Architekten- Es handelt sich demnach um eine grund- 
büro dt 8, 1. Preisträger des Wettbewerbs stücksbezogene ‚Revitalisierungsstrategie, 
zur Erneuerung eines Teilabschnitts des Sa- die an den neuralgischen Punkten bzw. Fäl- 
nierungsgebietes Severinsviertel (einschließ- len ansetzt und den Stadtteil auf diese Wei- 
lich Stollwerckkomplex), dem zur Lösung se von unten her aufarbeitet. Darin unter- 
der Wohnprobleme im Wettbewerbsgebiet scheidet sie sich grundsätzlich von dem bis- 
eine genossenschaftliche Lösung vorschwebt., her üblichen baublockweisen Sanieren in 
Dem Verfasser fiel die Aufgabe zu, die De- geschlossenen räumlichen Teilabschnitten, 
tails dieser Lösung, von Problemen des die bei der gegebenen kleinräumig hetero- 
Grunderwerbs bis zur Sicherung der Sanie- genen Bau- und Sozialstruktur3 zu viele 
rungsergebnisse für die Bewohner zu klä- unvorhergesehene und unerwünschte Ne- 
ren. Das dabei entstandene Konzept, das benwirkungen erzeugt und auch den Inter- 
hier in einer Überarbeitung vorgestellt essen vieler Bewohnergruppen zuwider- 
wird, wurde vom besagten Büro in die fach- läuft. 
liche Diskussion und den politischen Ent- Das Konzept geht von der bestehenden 
scheidungsgang gebracht. Rechtslage und den Förderprogrammen aus. 
Adressat und z.T. schon Träger entspre- Bewährte Förderungs- und Finanzierungs- 
chender Initiativen im Severinsviertel sind  techniken werden lediglich neu kombiniert. 
deutsche und ausländische Haushalte in Ebenso fußt die Trägerlösung auf Integra- 
minderwertigen Wohnungen, die ihre tion von in Sanierung, Modernisierung und 
Wohnverhältnisse selbst verbessern wollen Wohnungsverwaltung bewährter Institutio- 
oder die durch Grundstücksverkäufe von nen und Firmen. 
Verdrängung bedroht sind. Bei den im 
Wettbewerbsgebiet wohnenden Auslän- 
dern sind die Vorstellungen der Architek- 
tengruppe auf besonderes Interesse ge- 
stoßen2. Dies ist erklärlich, denn die Aus- 
länder bewohnen die schlechtesten Woh- 
nungen, genossenschaftliche Lösungen 
sind ihnen aus ihrer Heimat bekannt, sie 
verfügen über ein ausreichendes Haushalts- 
einkommen und sind zum Großteil auch 
handwerklich begabt. 
® Gründung eines Vereins von Bewoh- 
nern, anderen Interessenten und Förde- 
rern im jeweiligen Stadtteil; 
® Erwerb der Grundstücke (städtische 
Grundstücke im Erbbaurecht); 
®e Werbung der Bewohner als Mitglieder 
des Vereins und Käufer ihrer Wohnung 
mit oder ohne Modernisierungsabsicht; 
® Teilung des Grundstücks/Gebäudes und 
Zuteilung des Sondereigentums an die 
Bewohner mit Auflagen für die Grundmo- 
dernisierung bzw. -instandsetzung; 
® Verkauf von leeren oder frei werden- 
den Wohnungen an andere Mitglieder . 
Verkauf von Eigentumswohnungen mit 
nicht kaufbereiten Mietern an andere Mit- 
glieder bei gleichzeitiger vertraglicher Si- 
cherung der Wohnrechte des Mieters. Falls 
dies nicht möglich ist, bleiben diese Woh- 
nungen bis auf weiteres im Besitz des Ver- 
eins; 
® Beauftragung eines Modernisierungsbe- 
treuers (Wohnungsunternehmen) durch 
den Verein mit der Grundmodernisierung. 
Der Verein bleibt bis zu deren Abschluß 
über das Grundstück verfügungsberechtigt, 
danach ist der Wohnungseigentümer im 
Rahmen des Wohnungseigentumsgesetzes 
uneingeschränkt verfügungsberechtigt; 
8 Je nach Bedarf Ergänzungsmodernisie- 
rung durch die Wohnungseigentümer 
in Bauherrenfunktion mit den entsprechen- 
den Möglichkeiten der Selbsthilfe, die in 
dieser Bauphase auch technisch weniger 
bedenklich ist; 
® Die Wohnungseigentümer bleiben Pflicht- 
mitglieder des Vereins bzw. der Genossen- 
schaft. Anstelle des Wohnungseigentums 
sind nach der Gründung der Genossenschaft, 
1. GRUNDKONZEPT DER AUFKAUF- 
LÖSUNG 
Kurzgefaßt soll die Aufkauflösung in Ver- 
bindung mit planungsrechtlichen Maßnah- 
men die Verdrängung der vorhandenen 
Quartiersbevölkerung durch Verkauf des 
Grundstücks oder durchgreifende Moderni- 
sierung des Gebäudes im durch Ratsbe- 
schluß festgelegten Sanierungs- und Er- 
haltungsgebiet verhindern und sie zum 
Subjekt des Erneuerungsprozesses bzw. 
zunächst als Eigentümer ihrer Wohnung 
zum Bauherren der eigenen Wohnungsmo- 
dernisierung machen. 
Die Lösung bezieht sich nur auf zu ver- 
äußernde Wohngrundstücke in und außer- 
halb von Sanierungsgebieten oder solche, 
die sich im Besitz der Gemeinde oder 
eines kommunalen Wohnungsunterneh- 
mens oder sonstigen öffentlichen Eigen- 
tümers befinden. Die Grundstücke sind 
wiederum nur Gegenstand des Verfahrens, 
soweit es sich entweder 
8 um modernisierungsbedürftige Mehrfa- 
milienhäuser handelt, deren Bewohner 
auch überwiegend die Modernisierung 
wünschen (Modernisierungsfall), oder 
die Wohnrechte der Bewohner durch 
die Veräußerung des Gebäudes an 
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