räumlichen Struktur der Stadt verknüpfen. Stadtentwicklungspolitik zu diskutieren.
4. Problematisch erscheint uns ferner die Es muß ja hier nicht erst ausführlich dar-
Unbekümmertheit, mit der die Autoren gelegt werden, wie sehr die Stadtentwick-
offenbar annehmen, die intendierten posi- lung überlokal bestimmt wird. Es ist unver-
tiven Umverteilungseffekte ihres Stadtent- ständlich, weshalb die Autoren nun gerade
wicklungskonzeptes ließen sich auf die bei der Entwicklung ihres Ansatzes kaum
‘gemeinte’ Gruppe beschränken und ihre auf die allgemein gesellschaftlichen, öko-
sozialen Auswirkungen — in der dop- nomischen wie politischen Determinanten
pelten Bedeutung dieses Wortes — über- der Stadtentwicklung zu sprechen kom-
sehen. men und dabei (nur beispielsweise) die
Wir hätten z.B. konkret die Befürchtung, ungelösten Probleme des ‘Sozialen’ Woh-
daß sich das von den Autoren verfolgte Kon-nungsbaus, der Bodenfrage usf. ganz un-
zept einer forcierten Dezentralisierung spä- terschlagen. Wir können uns einen ‘sozial-
testens bei der Durchführung de facto als orientierten’ stadtentwicklungspolitischen
mittelschichtorientiert erweisen wird, Ansatz ohne zumindestens die Inangriff-
wenn es das nicht schon im Ansatz selbst nahme der Bodenfrage, der Misere des
ist. Aber selbst einmal unterstellt, die for- Sozialen Wohnungsbaus usf. schlechter-
cierte Dezentralisierung sei überhaupt ‘so- dings nicht vorstellen.
zial’ und ließe sich in ihren positiven Effek 7. Auch muß erstaunen, daß hier versucht
ten auch auf die Zielgruppe begrenzen, so wird, ein ‘sozialorientiertes’ Konzept
bliebe immer noch die Frage, ob ein solches der Stadtentwicklung zu proklamieren,
Konzept gesamtgesellschaftlich vernünftig ohne die Forderung nach Demokratisie-
ist. Aspekte wie ‘Zersiedlung der Land- rung der Stadtentwicklung zum tragenden
schaft’, ‘erhöhter Energieverbrauch durch Moment eines solchen Konzeptes zu ma-
erhöhte Mobilität’, ‘zusätzlicher Infrastruk- chen. Stattdessen wird eine Politik der
turbedarf’ usf. muß man zumindestens dis- Dezentralisierung in den Agglomerations-
kutieren, auch wenn diese Argumente zuge: gebieten formuliert, für die man —sozusa-
gebenermaßen immer erst dann hervorge- gen im Nachhinein — dann einen Träger
holt werden, wenn breite Massen Wohn- sucht und offenbar nicht recht zu finden
wünsche artikulieren, die man dem Bürger- scheint, denn es werden nur — in negati-
tum längst zugestanden hat.‘Dieser argu- ver Abgrenzung — deren vermeintliche
mentative ‘Bias’ ändert aber u.E. nichts am Gegner benannt. Es ist nicht erkennbar,
sachlichen Gehalt dieser Bedenken. ob es sich hierbei um pure Vergeßlichkeit
5. So definitiv Häußermann/Siebel die der Autoren handelt oder von ihnen der
sozialorientierte Lösung der ‘Krise der Demokratisierungsaspekt als selbstver-
Stadt’ in einer bestimmten (polyzentri- ständlich unterstellt wird. Dabei möchten
schen) Raumstruktur sehen, so vage und wir nicht den Eindruck erwecken, als ent-
bloß postulativ bleiben doch letztlich ihre binde die Partizipations- bzw. Demokrati-
Realisierungsvorstellungen: Welchen Spiel- sierungsforderung den sozial engagierten
raum für einen Umbau unserer Städte zu Wissenschaftler von der Aufgabe, inhaltli-
„gleichgewichtigen, polyzentrischen Agglo- che Konzepte oder einfach nur Vorschlä-
merationsstrukturen” gibt es denn noch, ge zur Stadtentwicklung zu erarbeiten,
insbesondere angesichts immer geringer aber dies hätte u.E. in bezug auf real
werdender Zuwächse, die räumlich umver- existierende soziale wie politische Bewe-
teilt werden könnten? Wie will man denn gungen zu erfolgen.
innerstädtische Altbaugebiete für die ein- 8. Schließlich sei noch auf einige u.E.
kommensschwache Bevölkerung sichern Fehleinschätzungen und Unklarheiten
und gleichzeitig auf ein ‘angemessenes’ seitens der Autoren hingewiesen, die wir
Ausstattungsniveau heben? Hier, auf der hier nur andeuten können, aber sicherlich
Durchführungsebene, liegen doch eigent- eine ausführlichere Diskussion verdienten:
lich erst die wesentlichen Probleme, mit de- @ Häußermann/Siebel überschätzen u.E.
nen sich ein alternatives Stadtentwicklungs- die Bedeutung der auf die Innenstädte
konzept auseinanderzusetzen hätte. Dabei gerichteten extensiven Tertiärisierungspo-
scheint uns die These von Häußermann/ litik für die ’Stadtflucht'.
Siebel, gerade diese Bestandssicherungspo- ® Sie unterschlagen völlig die Relevanz
litik beanspruche weniger Förderungsmit- des allgemeinen Geburtenrückganges für
tel der öffentlichen Hand als der gegen- die Großstädte zumal ihrer innerstädti-
wärtig übrigens nur /n Teilen (!) der Alt- schen Altbaugebiete.
baugebiete über Modernisierungsmaßnah- ® Nicht diskutiert werden die ja auch
men ablaufende Gentrification-Prozeß, ıdurch Modernisierungsmaßnahmen aus-
insofern gewagt, als dieser Prozeß vor al- gelösten Umzugsketten, zwar wird hierbei ;
lem mit privatem Kapital und zudem in zunächst billiger Wohnraum vernichtet (übri-
Gebieten erfolgt, die ohnehin nicht zu gens wohl in der Regel nicht der billigste),
den ‘schlechtesten‘ Vierteln gehören, er aber müßte nicht auch hier (wenn man schon
beansprucht also den öffentlichen Haus- an das ‘Nachrückverfahren’ glaubt) irgend-
halt vermutlich weniger als die von den wann einmal preislich zumutbarer Wohn-
Autoren (zu Recht) geforderte Bestands- raum relativ besserer Qualität für die Mo-
sicherungspolitik in den Desinvestitions- dernisierungsverdrängten frei werden?
gebieten, die ja wegen mangelnder Profita- @& Was ist schließlich mit der These ge-
bilität privates Kapital kaum mobilisie- meint, daß die Marginalisierung und
ren könnte und weitgehend auf Sozialka- ghettomäßige Abkapselung deklassierter
pital angewiesen wäre. Gruppen zumindestens auf der Ebene der
6. Ein sich gesellschaftskritisch verstehen- Stadtentwicklungspolitik daran zu schei-
der Ansatz kann sich u.E. auch nicht tern scheint, „daß es nicht gelingt, eine
darauf beschränken, eine ‘alternative’ Politik zu realisieren, die nur Randgruppen
Lösung vornehmlich auf der Ebene der benachteiligt‘ (S 479)?
Wenn man die hier nur skizzierten Kri-
tikpunkte auf einen Nenner bringen woll-
te, so ist es das (bisweilen oberflächlich
anmutende) Räsonieren der Autoren, mit
dem sie über die tatsächliche ‘Vertrackt-
heit’ des Problems hinweggehen Ein fun-
dierter Vorschlag für eine sozialorientier-
te Alternative zur herrschenden Stadtent-
wicklungspolitik hätte sich u.E. an folgen-
des Vorgehen zu halten:
® Sorgfältige Analyse der komplexen und
komplizierten Ursache-Wirkungszusam-
menhänge, wobei sowohl ökonomische als
auch soziale, psychologische, politische,
rechtliche, administrative und physische
Aspekte zu sichten wären.
® Bilanzierung der (absehbaren) kurz- und
langfristigen sozialen Folgewirkungen
(Bevorteilung und Benachteiligungen) für
unterschiedliche Bevölkerungsgruppen ge-
genüber dem Ist-Zustand.
® Abschätzung der Realisierungschancen
unter den gegebenen gesellschaftlichen
Bedingungen bzw. unter Voraussetzung
zu benennender Veränderungen.
Den Schwierigkeiten (und F rustratio-
nen) einer derart sorgfältigen Analyse real
ablaufender Prozesse und möglicher Alter-
nativen mit ihren widersprüchlichen re-
distributiven Folgewirkungen und vielfäl-
tigen Implementationshindernissen darf
sich gerade auch eine ‘linke’ Position nicht
verschließen. Die von Häußermann und
Siebel an anderer Stelle vertretene These
(S. 491), die kritische Stadtsoziologie müs-
se zur Praxis der Administration Distanz
halten, kann u.E. doch nur heißen, daß
die Stadtsoziologie die Spannung auszu-
halten hat und überhaupt nur dort frucht-
bar werden kann, wo sie sich einerseits
in das empirische „‚Dickicht” hineinbegibt
(Distanz aufgibt? ), um die Restriktionen
und (noch) vorhandene Handlungschan-
chen im Detail aufzuspüren, ohne sich an-
dererseits die Problemsicht der administra-
tiven Praxis in entmündigender Weise auf-
drängen oder gar vorschreiben zu lassen
(Distanz wahrt).
Häußermann/Siebel legen ein neues
Zielkonzept vor. Wir bezweifeln, daß die
Defizite überhaupt im Bereich fehlender
Zielinnovationen liegen. An Zielen besteht
kein Mangel, und nicht zuletzt sind es
staatliche Stellen, die — auch unter sozia-
len Gesichtspunkten — Initiativen hierzu
eingebracht haben (z.B. Pfeiffer 1978, Sper
ling 1978). Ansetzen sollte die Diskussion
also weniger an Zielen als vielmehr an de-
ren Durchsetzungsmöglichkeiten und ent-
sprechenden Strategien, dazu gehört, daß
man sich zunächst einmal den Handlungs:
dilemmata stellt, denen unter den gegebe-
nen Bedingungen eine sozial engagierte
Planung bzw. Politik ausgesetzt ist, und
die auf absehbare Zeit nur ein sozial sen-
sibilisiertes, immer aber kompromißhaftes
‘muddling-through’ zulassen. Denn wie soll
sich etwa der Planer entscheiden,
® wenn er weiß, daß alles, was er sozial für
wünschenswert hält, letztlich auf den
Mietpreis durchschlägt,
® wenn er weiß daß Modernisierungen so-
ziale Härten hervorrufen, ausbleibende
Investitionstätigkeit aber die Gefahr von
Slumbildungsprozessen (eventuell ameri-
kanischen Zuschnitts) birat;
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