® wenn er weiß, daß durch eine hohe Sub-
ventionierung zwar in einzelnen Sanie-
rungsobjekten die Mietsteigerung in Gren-
zen gehalten werden kann, daß aber dann
anderen Objekten die knappen finanziellen
Mittel entzogen werden müssen;
® wenn er weiß, daß jede Mietsubventio-
nierung immer auch zugleich die Profit-
Chancen des Haus- und Grundbesitzes er-
höht;
® wenn er weiß, daß Zusammenballungen
von ‘“Fremdarbeitern’ in bestimmten Vier
teln sie einerseits sozialemotional ‘auffängt’
sie andererseits ghettoisiert und mit Slum-
bildungsprozessen korreliert;
® wenn er gar befürchten muß, daß eine
sozialorientierte Stadtpolitik, in dem sie
ja soziale Probleme und Konflikte nicht
zudeckt, sondern zunächst einmal öffent-
lich thematisieren muß, die sie zugleich
nur ansatzweise zu ‘lösen’ vermag, offen-
bar eher delegitimatorische Folgen zeitigt
und bisweilen sogar der ‘Gegenseite’ zu
nützen scheint (Wiesbaden, München etc.)?
Angesichts dieser typischen, sehr kon-
kreten Entscheidungsprobleme halten wir
es nicht für ein Zeugnis von Ideenarmut,
wenn man auf die Formulierung neuer Zie-
le verzichtet und sich mit solchen ‘prakti-
schen‘ Problemen befaßt. In diesem Zusam-
menhang halten wir es z.B. für vordringli-
cher, die in der politischen Diskussion be-
reits aufgetauchten, aber jahrelange verscho-
benen und verzögerten Reformvorschläge
(z.B. Reform des Sozialen Wohnungsbaus,
Wohngelderhöhung, Mietermodernisierung,
Einrichtung von Instandsetzungskonten,
Selbsthilfe usf.) aufzugreifen und zu unter-
stützen.
Harald Bodenschatz, Tilman Harlander
Urbanisierung der Peripherie - Umkehr durch
Trendverstärkung?
Die Ausführungen von Häußermann/
Siebel fanden ein relativ großes Echo
unter Planern und an den Universitä-
ten. Damit kommt ihm zweifellos das
Verdienst zu, eine längst überfällige kriti-
sche Auseinandersetzung mit der gegen-
wärtigen, ‚„„‚mittelschichtorientierten”
Stadtentwicklungspolitik in einem erwei-
terten Rahmen initiiert zu haben. Freilich
scheinen uns aus der — wohl nicht immer
ganz präzisen — Analyse etwas zu forsch
eine Reihe von Schlußfolgerungen und
Vorschlägen gezogen, die durchaus pro-
blematischen Charakter tragen und im fol-
genden durch einige Thesen in Frage ge-
stellt werden sollen.
Villenviertel) und ihren ökonomischen
(etwa auch Spaltung des Arbeitsmarktes,
Marginalisierung von Arbeitslosen, Unter-
beschäftigten etc.) sowie politischen (Kri-
se der städtischen Sozialpolitik, schwin-
dende Konsens- und Legitimationsbasis
der gewohnten Muster traditioneller Kom-
munalpolitik, wachsende Konfliktpoten-
tiale etc.) Bezügen und Implikationen läge
u.E. ein politisch sinnvollerer Ansatzpunkt
in der Diskussion um die „Krise der Stadt”
® Beinhaltet nun der Ruf nach Attrakti-
vitätssteigerung der Innenstädte wirk-
lich eine echte po/itische Alternative oder
entspricht er nicht vielmehr durchaus der
Logik der „‚naturwüchsigen Entwicklung”,
die Zentralitätsvorteile ausgewählter Ge-
biete wenn schon nicht dem tertiären Sek-
tor, so doch einer alternativen, in Relation
zum jetzigen Zustand renditeträchtigeren
Nutzung, in diesem Falle der „‚gehobenen”
Wohnnutzung etwa durch junge „aufstre-
bende” Familien, Alleinstehende etc. be-
reitzustellen? Anzeichen für ein derarti-
ges Durchbrechen des ‚‚Teufelskreises”
der Verslumung durch den Markt selbst
gibt es — zumal unter den Vorzeichen
weiterhin überproportional steigender
Bau- und Grundstückskosten an der Peri-
pherie — seit Jahren und in wachsendem
Maße etwa durch die vielpraktizierte Um-
wandlung von Miet- in Eigentumswoh-
nungen u.ä. (staatlich gefördert u.a.
durch den 8 7b, vorzeitige Zurückzah-
lung der Förderungsmittel im sozialen
Wohnungsbau). Eine Politik der Attrakti-
vitätssteigerung der Innenstädte wäre
dann in Wahrheit keine aktive, regulative
politische Trendwende, sondern eine
Verstärkung und flankierende Absiche-
rung einer nach einem gewissen time-lag
bereits vollzogenen Trendwende des
Marktes. Damit würde eine solche Politik
zunehmend weniger ein alternatives Wan-
derungsverhalten der Mittelschichten
wirklich induzieren, als vielmehr staatli-
cherseits die von privater Seite geforder-
ten Lagequalitäten verbessern oder auch
die bereits aus der Regionalpolitik so hbe-
® Zunächst ist die Frage zu stellen, ob es
ausreicht, die „‚Krise der Stadt” als das
Ausbleiben der ;,‚Kompensationen” (abneh
mende Zuzüge von Ausländern, abnehmen-
des Wachstum an Arbeitsplätzen) der säku-
laren Kern-Rand-Wanderungen zu definie-
ren. Damit ist u.E. die Ebene der Problem-
perzeption der Administration prinzipiell
noch nicht verlassen. Richtet man nämlich
den Blick darauf, daß — auch in Relation
zum Problem sinkender kommunaler
Steuereinnahmen, Infrastrukturkapazitä-
ten etc. — heute in erster Linie die Erträge
(bzw. die Zuwachsraten) des innerstädti-
schen Bodens in die Krise zu geraten dro-
hen, so liegt der Akzent auf der Problema-
tisierung einer Entwicklung, in der die Zer:
störung der Wohnqualität des städtischen
Bodens in den Kernstädten relativ rascher
voranschreitet als die Flächenexpansion
des tertiären Sektors — eine Entwicklung,
die freilich diese Gebiete nicht unterschieds
los betrifft, sondern eher eine weitere Di-
chotomisierung der Qualitäten innerstädti-
schen Wohnens befördert. In eben dieser
Dichotomisierung (Slumbildung und
gleichzeitig Verbürgerlichung) des inner-
städtischen, aber auch des Wohnens am
Stadtrand (unterversorgte Neubaughettos
— ein eminent bedeutsamer, von der offi-
ziellen Politik heutzutage „‚vergessener‘”
Aspekt für eine sozialorientierte Politik —.
kannten „‚Mitnehmereffekte’”” produzie-
ren.
® Zentrale ideologische Säulen der neue-
ren Stadtentwicklungspolitik scheinen
uns die Schlagworte Eigentumsbildung,
Sickereffekte und soziale Mischung zu
sein, Schlagworte, die u.E. von einer kri-
tischen Position her nicht nur zur Kennt-
nis genommen, sondern auch dechiffriert
werden müssen. Zu fragen ist: Wie ist der
in Umfragen immer wieder ‚„‚bewiesene”
(vgl. hierzu FR vom 18.4.79, S. 15, nach
der eine neue „Wohnwunschstudie” in
Frankfurt zum Ergebnis hatte, daß 2/3
der Frankfurter Bürger dem Wohnen in
renovierten Altbauten den Vorzug geben
würden) Wunsch nach Hauseigentum im
Grünen zu erklären und zu bewerten, wie
die Folgen der Ideologie der „breiten
Eigentumsbildung” in sozialer (Individua-
lisierung, Eigentümerverhalten etc.), poli-
tischer (Entpolitisierung, Tendenz zu
konservativen Positionen) und städtebau-
licher Hinsicht (Siedlungsbrei etc) einzu-
schätzen? Ebenso wäre hinsichtlich der
„Theorie der Sickereffekte” u.a. zu un-
tersuchen, wie die etwa durch Westphal
(Leviathan 4/78) konstatierten Barrieren
zwischen den — durch die Segmentierung
des Arbeitsmarktes verstärkten — Segmen-
ten des Wohnungsmarktes für die BRD ein-
zuschätzen sind, wie sich in räumlicher
und sozialer Hinsicht die quantitative und
qualitative Verteilung des Wohnungsbestan-
des im Detail durchsetzt etc. Zu bedenken
ist, daß die „Theorie der Sickereffek te”
eine Politik der Stimulierung der privaten
und gerade nicht des — nicht zuletzt an-
gesichts stagnierender Realeinkommen —
dringend gebotenen sozialen Wohnungs-
baus mit seinen kürzeren „chains of moves”
impliziert.
Hinsichtlich der Forderung nach „‚sozia-
ler Mischung” bzw. der Warnung vor „Se-
gregation’” muß die Besonderheit der Ver-
wendung dieser Begriffe in der politischen
Praxis (im teilweisen Gegensatz zur wis-
senschaftlichen Diskussion) hervorgehoben
werden: Für privilegierte Wohngebiete
kommt kein Politiker auf die Idee, nach
sozialer Mischung zu rufen (anders etwa
in Italien, wo gerade auch die Forderung
nach Requirierung von Luxuswohnungen
in entsprechenden Quartieren oder allge-
mein nach einer sozialorientierten Umnut-
zung des Wohnungsbestandes zunehmend
größere kommunalpolitische Bedeutung
gewonnen hat) oder vor Segregation zu
warnen; diese Begriffe werden hierzulande
wesentlich zur Rechtfertigung der Vertrei-
bung der Unterschichten aus Innenstadt-
randgebieten mit privilegierter Lage funk-
tionalisiert.
® Was nun die Alternativen bzw. die vor-
geschlagene Dezentralisierungsstrategie
betrifft, so ist zunächst die klassenneutrale
Charakterisierung des Wesens bisheriger
Stadtentwicklungspolitik der Großstädte
(„Sicherung der Dominanz der Kern-Stadt
gegenüber inrem Umland”) problematisch:
Natürlich besteht eine Hierarchie der Räu-
me (Kernstadt-Umland, Verdichtungsräu-
me — periphere Regionen, Industrielän-
der — Entwicklungsländer). Doch sicher
ist diese Hierarchie nicht in einem strikten
Sinne deckunasaleich mit sozialen Hierar-
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