Jasper Holfmann, Clod Zillich
Schinkel-Cafe
Entwurf für den Gipfel eines Müllbergs - ein negativ-positives Monument
DER ORT:
Endmoränenrücken (höchste natürliche
Erhebung Berlins, 78 m ü.N.N.) zwischen
den Urstromtalniederungen Spree und
Tegeler Flies. Findlinge, Pfuhle ...
/m Norden: Berlins ältester Teil, Lübars,
das einzige noch funktionierende Anger-
Dorf im Westberliner Stadtgebiet. Gegrün-
det um 1200. Umgeben vom Naturschutz-
gebiet Tegeler Fließ.
Im Süd/Westen: Berlins jüngster und mas-
sivster Teil, das Märkische Viertel mit
ca. 55.000 Einw. 1967.
Im Nord/Westen: Kleinsiedlungen Quick-
born, Selbstbausiedlungen aus den 30er
Jahren; die Häuser fast zugewachsen vom
selbstangelegten Grün.
Im Osten: DDR-Hoheitsgebiet, weite Na-
turlandschaft, von der Mauer zerschnitten;
Unter den Füßen: Neben dem Teufelsberg
(Trümmerschutt der Kriegszerstörungen,
89 m ü.N.N.) der höchste künstliche Berg
Berlins (Müllkippe, 1952—67 in Betrieb,
Deponie der 1. Aufbauphase, 85 m
ü.N.N.). Großartiger Aussichtspunkt mit
weitem Rundumblick über den Natur-
Raum im NO und den Stadt-Raum im
SW.
Daraus leiten sich verschiedene Bedeu-
tungsebenen ab:
Oo die geologisch-ökologische,
Oo die siedlungsgeschichtliche,
Oo die stadtentwicklungsplanerische,
oO die politische,
o die kulturgeschichtliche ...
und damit nicht zuletzt die tou:istische.
PLANUNGSABSICHTEN:
Das BA Reinickendorf sieht die Umwand-
lung der Müllkippe in einen „Freizeitpark
Lübars’”’ vor. Die Konsistenz des Ortes soll
durch Image-Wechsel zu Natur verschleiert
werden. Fortan wird von „‚Gipfelplateau””
gesprochen (Assoziationen sollen dessen
Untergrund, das gewachsene Felsmassiv,
beschwören), auf dem zukünftig eine
„Gipfelhütte”” (Namensgebungen des BA)
den entkräfteten Bezwinger mit Berliner
Kind! erwartet.
Was kümmert’s das BA, daß dieser Berg
für die Bewohner der Region, die mit
ihm gelebt haben oder mit ihm großgewor-
den sind, immer die Müllkippe bleiben
wird.
IDEEN-TEST:
Aussichtspunkte ähnlicher Bedeutungs-
dichte wie die Müllkippe hat Berlin nur
wenige: Tefelsberg (Monte Klamott),
Kreuzberg, Grunewald-Turm, Siegessäule.
Alle haben prägende Wahrzeichenfunk-
tion.
Dieser Vergleich legt nahe, daß das ge-
plante Restaurant jenseits seiner Service-
Funktion ein hohes Maß an visuell-symbo-
lischer Prägnanz besitzen sollte, das den
Dimensionen des Ortes gerecht wird: als
o Wechsel des Aggregatzustandes der im-
materiellen Bedeutungen zu materiel-
len Formen
Oo konzeptuelle Übersetzung der Symbol-
ebenen in ein Bauwerk
Oo versteinerte Kulturgeschichte
Oo zu Masse verdichtete Stadtgeschichte.
Im brain-storming werden Ideen gesammelt
und getestet, erst durch uns selbst, dann
in Diskussionen mit Bewohnern der Re-
gion. (Flugzeugwrack als Cafe, Landschaft-
licher Holzbau, Riesen-TV, Science-fiction
Gebilde, ...). Die Entscheidung wird, ge-
tragen von den befragten Bewohnern, zu-
gunsten des Bildes einer fiktiven archeolo-
gischen Grabungsstätte gefällt: Das Kapi-
1“