Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1979, Jg. 11, H. 43-47, [48])

sich für je ein Haus verantwortlich fühl- 
ten, meistens waren es Leute, die dasje- 
nige Haus später auch benutzen wollten 
und somit am besten wußten, welche 
Eigenschaften es haben sollte, um geeig- 
neten Raum für Aktivitäten zu schaffen 
Traten Probleme auf, wurde so lange be- 
ratschlagt, bis eine geeignete Lösung ge- 
Funden wurde, Die Architekten auf dem 
Platz gaben Tips und einfache Konstruk- 
tionsvorschläge. 
Mit der Zeit kristallisierten sich 4 ver- 
schiedene Baustile heraus: 
1.: Einige Gruppen bauten frei drauf los; 
sie bestimmten die Bauform nach dem 
vorhandenen Material, sie hauten aus Spaß 
am Bauen und ließen ihrer Fantasie freien 
Lauf. So entstand z.B. das „Micky Maus- 
Haus”’, ein aus alten Fenstern und Rah- 
men zusammengesetztes Gebilde, das mit 
bemalten Plastikfolien überspannt war und 
dessen Wände mit Sprüchen und Bildern 
aus der Alternativszene verziert waren. 
2.: Andere Gruppen bauten Häuser nach 
einem vorgegebenen Konstruktions- 
prinzip, wie z.B. den Bierpalast, der nach 
Plänen eines Indianerhauses entstand, 
oder die Gesundheitsschnecke, ein Haus, 
dessen Grundriß einem durchtrennten 
Schneckenhaus glich. In dieses Haus wur- 
de man spiralförmig hineingeführt, die 
Seitenwände dienten als Informations- 
tafeln, der Innenraum war für Veranstal- 
tungen vorgesehen. Das Gerüst und die 
Dachkonstruktion bestanden aus dünnen 
Baumstämmen, das Dach war mit Sack- 
leinen und Plastikfolie überzogen (die 
Plastikfolien waren oft Anstoß für Kritik, 
aber es gab keine andere Möglichkeit, die 
Häuser regendicht zu machen), die Sei- 
tenwände waren bis zur halben Höhe aus 
Paletten zusammengefügt. Der Bierpa- 
last war ein achteckiges Haus mit einem 
kuppelförmigen Lichtschacht in der Mitte 
der Decke. Er war nach drei Seiten hin 
offen. das Dach wurde durch mehrere in 
Vorherige Seite und oben: ‚„‚Baumschule” 
En 
‚Gesundheitsschnecke” 
der Mitte des Raumes befindliche Baum- 
stämme getragen. 
3.: Es wurden Häuser gebaut, die sich an 
den Gegebenheiten des Platzes und des 
vorhandenen Materials orientierten wie 
z.B. das Strohhaus. Dies war ein ovaler 
Bau aus aufeinandergeschichteten Stroh- 
ballen mit einem zeltartigen Dach, über 
das man Zweige legte, so daß ein Blätter 
dach entstand. Ein anderes Beispiel hier- 
für ist die „‚Baumschule’’, ein Bau in der 
Form eines großen Hauszeltes. Es wurde 
um einen Baum in der Mitte konstruiert 
mit schrägen Seitenwänden, in die asy- 
metrisch Fenster eingelassen waren; der 
Raum war nach zwei Seiten hin offen. 
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die Rückfront bestand aus einer mit Mör- 
tel und Lehm zusammengefügten Fla- 
schenwand. 
4.: Es wurden zwei verschiedene Dome 
gebaut; der eine kuppelförmig, aus 
gleichschenkligen Dreiecken zusammen- 
gesetzt mit einem kreisförmigen Grund- 
riß; Dach und Seitenwände wurden ver- 
schalt, der Resi blieb offen, um Licht 
einzulassen. Der andere hatte einen 
sternförmigen Eingang und war völlig 
verkleidet, da er als Teehaus diente und 
wetterfest sein sollte. 
Gerade die letzte Bauform rief viel Kri- 
tik hervor; man war eigentlich davon 
ausgegangen, dem Recyclinggedanken 
Rechnung zu tragen und sämtliche Häu- 
ser aus Altmaterial zu bauen, um zu 
demonstrieren, daß man auch mit den 
Abfallprodukten unserer Gesellschaft 
etwas Sinnvolles anfangen kann. Die 
Dome aus neuem Material wurden trotz- 
dem gebaut und gehörten dann auch zu 
den meist benutzten Häusern, weil sie 
durch ihre Kuppelform eine angenehme 
Atmosphäre ausstrahlten und zudem 
auch optischer Blickfang waren. 
Außer den Häusern gab es noch ein 
großes Zirkuszelt, in dem die Schweizer 
Ausstellung „Umdenken - Umschwenken”’ 
untergebracht war, ein paar kleinere Zel- 
te für Filmvorführungen sowie zwei Bau- 
wagen, die als Büro und Elektrowagen 
dienten, und zwei Lastwagenanhänger, 
die zu einer Bühne für Musik und Thea- 
tervorführungen umfunktioniert wur- 
den. Als schließlich alles stand, bot sich 
dem auf der angrenzenden Straße vor- 
beifahrenden Autofahrer eine ungewöhn- 
liche Kulisse; Windmühlen überragten das 
Gelände, Regenbogenfahnen flatterten 
über Zelten und Hängern, und kein Bau 
glich dem anderen. 
Am Eröffnungstag strömten ca. 8.000 
Fahrradfahrer auf den Platz: Das Dorf 
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