einen Sack Käse zu geben, den er in der
Stadt verkaufen will. Hayriye erwidert,
daß sie den Käse selber für den Winter
brauchten und sie’ ihm im übrigen weder
Käse noch sonst irgendwas zum Verkauf
mitgäbe, bevor er ihr nicht etwas Geld
für Stoffe und Wolle hiergelassen habe.
Es entwickelt sich ein lautes Streitge-
spräch, in das sich auch keiner der ande-
ren einmischt. Rifat gibt ihr schließlich
Geld und verläßt ohne Käse das Haus, um
mit dem Minibus in die Kreisstadt zu fah-
ren.
Safiye stillt ihren Sohn weiter, erwärmt
gleichzeitig etwas Sand über dem Feuer,
schüttet ihn in die Wiege, legt das Kind
hinein und schnürt es wieder fest ein.
Leyla wäscht das Frühstücksgeschirr in
einem Eimer ab und will sich gerade wie-
der hinsetzen, als ihr Bruder Hüseyin zu
ihr sagt, daß es Zeit für die Schule sei. Sie
widerspricht ihm; er aber besteht darauf,
daß sie sofort geht. Sie streift ihr Schul-
kleid über und verläßt das Haus. Auch
Hüseyin geht.
Während Hayriye die Kissen im Haus
zusammensucht, um die Bezüge aufzutren-
nen und zu waschen, gibt sie ihrer Schwie-
gertochter ständig Anweisungen, wie diese
sauberzumachen sind. Beide kommentieren
ununterbrochen ihre Handgriffe, bis Hay-
riye das Haus verläßt, um Holz zu holen.
Eine Nachbarin kommt ins Haus, fragt
Safiye: „Ne ediyorsun, kiz? ” — ‚Was
tust Du, Mädchen? ” „Ne yapayım? ”
—,.Was soll ich schon tun? ”, antwortet
Safiye, „Hic”” — Nichts.’ Die Nachbarin
zieht ihr das auffällig hochgezogene Kopf
tuch aus dem Gesicht und macht anzüg-
liche Bemerkungen über die offenbar aus
der letzten Nacht stammenden Kratzwun-
den auf den Wangen. Safiye lächelt verun-
sichert, zieht das Tuch wieder hoch und
wechselt das Thema. Als die Nachbarin
gegangen ist, sieht Safiye durch das Fen-
ster, daß sich ihr Mann dem Haus nähert.
Sie beginnt, ein Lied zu singen:
„Sieh den Mond, sieh die Sterne,
Sieh das Mädchen. das zum Wasser
geht.
Mädchen, wenn du Gott liebst,
Dreh dich um, schau uns an.”
Als Hüseyin eintritt, hält sie inne, be-
schimpft ihn lachend wegen seines zerris-
senen Hemdes und nestelt umständlich
daran herum, um zu sehen, ob sie es
noch nähen kann. Ihre Schwiegermutter
betritt den Raum, sie lassen sich sofort
los. Safiye fegt weiter und Hüseyin geht
in den Stall. Hayriye ist ärgerlich: „Du
bist faul. Deine Mutter hat Dir wohl
nicht das Arbeiten beigebracht. Sowie
ich Dir den Rücken zudrehe, tust Du
überhaupt nichts mehr.” Safiye schweigt.
Etwas später geht sie mit einer Wanne
voller Wäsche zum Brunnen, wo sich meh
rere Frauen aus der Nachbarschaft einge-
funden haben, um Geschirr, Kleidung,
Wolle und ihre Kinder zu waschen oder
Wasser zu holen. Ein paar jüngere Mäd-
chen haben sich mit ihrer Handarbeit
In die Nähe gesetzt, kommentieren ge-
genseitig die Güte und Fortschritte ihrer
Häkelarbeiten oder mischen sich in die
Gespräche der verheirateten Frauen ein,
die sich um die neusten Dorfereianisse
drehen: wer wann wohin gegangen ist,
daß eine Kuh gestorben ist, eine Verlo-
bung gescheitert. Die Frauen erzählen
sich und den neu Eintreffenden immer
wieder, daß ein Mädchen den vom Vater
ausgewählten Mann abgelehnt habe, da
er zu häßlich sei. Eine verheiratete Frau
ärgert eines der anwesenden Mädchen
mit der Bemerkung, daß sie nun wohl den
häßlichen Mann heiraten müsse. Die An-
gesprochene reagiert sehr empfindlich,
antwortet laut und gereizt, daß sie von
Heiratsplänen nichts hören wolle und ver-
'aßt schließlich wütend unter Gelächter
und weiteren Anspielungen den Ort. Die
Frauen kommentieren ihr Verhalten
mit den Worten: „Utaniyor” — „Sie ist
schamhaft.”
Safiye ist fast zwei Stunden mit dem
Waschen beschäftigt, geht dann zurück
ins Haus und berichtet ihrer Schwieger-
mutter über die Ereignisse am Brunnen,
während diese ihr Anweisungen zum An-
setzen des Brotteigs gibt. Leyla kehrt aus
der Schule zurück und geht ihrer Mutter
beim Kochen zur Hand. Auch Hüseyin
kommt mit seinem Freund Ale, dem Bru-
der seine: Frau ins Haus, Safiye begrüßt
ihren Bruder erfreut und erkundigt sich
während des Essens, das alle gemeinsam
in der Küche einnehmen, eingehend nach
dem Befinden ihrer Eltern und Geschwi-
ster, die sie schon seit zwei Monaten
nicht mehr gesehen hat: „„Annem gil
nasil? ” — „Wie geht es der Familie mei-
ner Mutter? — Was machen sie? Sind
sie gesund? Haben sie schon Gemüse für
den Winter eingemacht? ” Ihr Bruder ant-
wortet kurz und uninteressiert und fährt
fort, sich mit Hüseyin über die noch an-
stehenden Ausbesserungen im Stall zu un-
terhalten. Safiye und Hayriye wollen
gleich nach dem Essen ins Backhaus ge-
hen und beauftragen Leyla damit, den
Männern Tee zu kochen, auf ihren klei-
nen Neffen aufzupassen und später noch
etwas Holz ins Backhaus zu bringen. Sie
binden ihre Kopftücher fest und machen
sich auf den Weg. Schon von weitem h6-
ren sie die lauten Stimmen der Frauen im
Backhaus, werden beim Eintreten von
allen begrüßt und Hayriye mischt sich so-
fort in den Streit um die Reihenfolge beim
Backen ein, als sie sieht, daß zwei andere
Frauen auch gerade gekommen sind. Nach
einigem Hin und Her steht die Reihenfol-
ge fest. Hayriye erzählt von dem Streit
mit ihrem Mann, der sich in die Haus-
haltsangelegenheiten eingemischt habe,
andere berichten über ihre Krankheiten,
die gescheiterte Verlobung wird wieder
aufgegriffen. Während des Redens for-
men Hayriye und Safiye in zwei Arbeits-
gängen den Teig zu kleinen Fladen, wo-
bei die Schwiegertochter die anstrengen-
dere und unangenehmere Aufgabe über-
nimmt. Nach einer Stunde kommt Leyla
mit Safiyes Sohn, der von den Frauen be-
gutachtet, für dick — und also für gesund-
befunden wird. Leyla übernimmt für kur-
ze Zeit Safiyes Aufgaben, damit diese ih-
ren Sohn stillen kann. Eine Frau berich-
tet, daß am Vortag das Gerücht umging,
daß ein sünnetci (ein Mann, der die Be-
schneidungen vornimmt) im Dorf gewesen
sei. woraufhin die kleinen Jungen sich
aus Angst versteckt oder geweint hätten.
Die Frauen lachten darüber und erzählen,
wie sich ihre eigenen Söhne angestellt ha-
ben. Safiye streichelt beim Stillen ihrem
Sohn den Penis und sagt zu ihm, daß er
auch noch drankomme.
In dem Moment betritt eine Frau mit
ihrem Mann das Backhaus. Sofort wird
das Thema gewechselt. Eine junge Frau,
deren Mann mit dem Hereingekommenen
verwandt ist, sagt nichts mehr, andere
ziehen ihre Kopftücher ein bißchen mehr
ins Gesicht sprechen aber weiter, stellen
ihm ein paar Fragen über seine Familie
und geben ihm zwei frische Brote mit,
als er schnell wieder geht.
Es sind drei Stunden vergangen, als
Hayriye, Safiye und Leyla schließlich das
Backhaus verlassen. Vor ihrem Haus be-
gegnen sie Hüseyin, der das Vieh in den
Stall treibt. Safiye geht mit ihm, um die
Kühe zu melken, während Hayriye und
Leyla sich auf den Weg zum Garten ma-
chen, um Zwiebeln und Gurken für das
Abendessen zu holen. Als sie zurückkom-
men, beginnt Hayriye mit dem Kochen;
Leyla setzt sich mit ihrem Häkelzeug zu
den Nachbarmädchen vor’s Haus, bis sie
bei Einbruch der Dunkelheit mit Safiye
zum Brunnen geht, wo sie sich Gesicht,
Hände, Füße und Strümpfe waschen, be-
vor sie gemeinsam ins Haus gehen. Hayri-
ye fragt die beiden und den kurz darauf
eintretenden Hüseyin, ob der Minibus aus
der Stadt schon gekommen sei. Da er noch
nicht da ist, warten sie noch eine Weile
mit dem Essen auf Rifat, beginnen aber
schließlich doch ohne ihn. Während des
Essens hören sie das sich nähernde Auto.
Leyla sieht durch’s Fenster, daß Rifat
nicht allein auf das Haus zukommt, son-
dern einen männlichen Besucher mit-
bringt. Alle drei Frauen stehen auf, ma-
chen Licht im Gästezimmer, räumen
herumliegende Wäschestücke unter den
Diwan., Hayriye fordert Safiye auf, für
die Männer Eier zu braten. Als diese das
Haus betreten, geht Hüseyin gleich mit
ihnen ins Gästezimmer, Rifat befiehlt
Hayriye, Essen zu bringen. Diese trägt
erst ein Tuch, den Tisch und Besteck,
anschließend das Essen für die drei Män-
ner in den Raum und setzt sich etwas ent-
fernt von ihnen auf den Divan. Sie beob-
achtet die Männer genau, richtet auch
das Wort an den Gast und sorgt dafür,
daß sie genug essen. Anschließend serviert
sie den Tee, den Safiye gekocht hat, und
trinkt auch ein Glas, nachdem ihr Mann
sie dazu aufgefordert hat.
Als der Gast nach einer Stunde gegan-
gen ist, kommen auch Leyla und Safiye
in das Zimmer. Hayriye näht und unter-
hält sich mit Rifat, Leyla und Hüseyin
nehmen teil an dem Gespräch, während
Safiye nur selten und leise mit Leyla
flüstert und sich ansonsten auf ihre Hand-
arbeit konzentriert. Wenn ihr Schwieger-
vater das Wort an sie richtet, antwortet
sie ihm mit Handzeichen. Hayriye hat
das Kleid zu Ende genäht und sagt Leyla,
sie solle die Betten herrichten. Safiye und
Hüseyin verlassen den Raum. Sie schlafen
mit dem kleinen Sohn im Nebenzimmer,
während Leyla im selben Zimmer mit
ihren Eltern übernachtet.
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