ren die Werbeargumente für das dort ge-
plante Atomkraftwerk. In Neckarwest-
heim zeigt sich indes, daß durch Kraft-
werkansiedlung die Bäume auch nicht in
den Himmel wachsen. Dabei sei hier nur
am Rande erwähnt, daß im Zuge der Bera-
tungen über das sogenannte Steuerände-
rungsgesetz wieder sehr laut über die völli-
ge Abschaffung der Gewerbesteuer nachge-
dacht wurde.
Ohnehin müssen die Gemeinden eine
Gewerbesteuerumlage abführen, bisher je
nach Hebesatz rund 40% der Bruttosteuer-
einnahmen, ab 1979 rund 25%. Außerdem:
solange Neckarwestheim steuerschwach
war, bekam die Gemeinde erhebliche
Schlüsselzuweisungen über den kommuna-
len Finanzausgleich, 1973 waren das
214 DM je Einwohner. Mit steigender
Steuerkraft sinken automatisch die Zu-
weisungen, 1978 bekam die Gemeinde
überhaupt keine mehr (s. Schaubild 2).
Der Neckarwestheimer Bürgermeister rech-
net vor, da- von 100 DM Gewerbesteuer
mehr nach Abzug aller Umlagen und ent-
fallenden staatlichen Transfers gerade 10
bis 12 DM im Gemeindesäckel bleiben. Al
lerdings wußte er auch Abhilfe: der Hebe-
satz wurde um 50 Punkte (!) erhöht. Die
daraus resultierenden Mehreinnahmen blei-
ben dann netto in der Gemeinde.
Die Gewerbesteuer hat noch einen Pfer-
defuß. Die GKN-Gesellschaft verkauft ih-
ren Atomstrom an ihre Muttergesellschaf-
ten zum Selbstkostenpreis, ohne Gewinn.
Deshalb wird nur Steuer nach dem Gewer-
bekapital fällig. Dieses Kapital wird Jahr
um Jahr abgeschrieben, nach dem Höhe-
punkt 1977 nehmen die Gewerbesteuer-
einnahmen also kontinuierlich wieder ab.
Bei der Grundsteuer geht Neckarwestheim
ohnehin — entaegen den Hoffnungen —
Gesamteinnahmen je Einwohner 1970
und 1977 für ausgewählte Gemeinden
um den Standort Neckarwestheim
Gemeinde Einwohner Einnahmen/EW
1970 1977
DM DM
Beilstein 4.110
Bönnigheim 6.187
Erligheim 1.714
Gemmrigheim 3.387
Großbottwar 6.423
Hessigheim 1.761
Ilsfeld 5.884
Kuchheim 4.215
Lauffen a.N. 8.799
Mundelsheim 2.561
Neckarwestheim 1.934
Talheim 3.267
Walheim 2.784
Durchschnitt
895 2.412
816 1.473
911 1.970
554 3.113
719 2.699
499 1.423
770 1.797
593 1.234
761 1.645
607 2.138
421 4.759
685 1.746
745 1.945
716 2.046
fast leer aus: auf der Gemeindemarkung
liegen nur steuertechnisch uninteressante
Anlagenteile.
Auch zur Arbeitsplatzsicherung am Ort
liefert das GKN keinen augenfälligen Bei-
trag. Zwar arbeiteten bis zu 1.000 Leute
auf der Baustelle, die meisten kamen je-
doch von außerhalb. Lediglich eine kleiner
Hotelbetrieb entstand als Folgeeffekt im
Ort. Auch von den 200 Beschäftigten im
Fertiggestellten Kraftwerk kamen vor al-
lem die qualifizierten Arbeitskräfte von
außerhalb. Die Zugezogenen verteilen sich
auf mehrere Gemeinden, bei dem nach
dem Wohnortprinzip verteilten Gemeinde-
anteil an der Einkommensteuer entwickelt
sich Neckarwestheim deshalb auch nur
durchschnittlich (s. Schaubild 3).
Unterm Strich bleibt dennoch eine be-
trächtliche Steigerung der gemeindlichen
Investitionskraft von rund 300.000 DM
im Jahr vor GKN auf rund einer Million
heute. Das erlaubte eine zügige Auswei-
sung von Baugebieten — vor allem für
Pendler nach Heilbronn — und den Aus-
bau der Infrastruktur. Gleich 1974 wurde
im Vorgriff auf die erwarteten Einnahmen
eine respektable Stadthalle erbaut.
Auf ihr infrastrukturelles Schmuck-
stück werden die Neckarwestheimer aller-
dings wohl verzichten müssen. Als Morgen-
gabe für ihr Einverständnis mit dem Bau
eines zweiten Reaktorblocks hatten sie
sich ein kombiniertes Frei- und Hallenbad
gewünscht: das Wasser durch Reaktorab-
wärme auf behagliche 30—35° erwärmt.
Aber die Idylle am Kühlturm hat vorläu-
fig keine Realisierungschance. Nicht nur
im Ballungsraum Mittlerer Neckar glaubt
man spätestens seit Harrisburg nicht meh‘
an die heile Welt der „‚sauberen’” Atom-
energie.
Friedemann Gschwind/Dietrich Henckel
Schaubild 1: Gewerbesteuer je Einwohner
1970 bis 19771)
1) Für die in der Übersicht: Gesamteinnahmen
aufgeführten Gemeinden
Schaubild 2: Schlüsselzuweisungen nach
mengelnder Steuerkraft je Einwohner
(einschl. 20 DM Kopfzuweisung) 1970
bis: 19771).
' 1
Beilstein
a
Ss
WE
Neckarw
17742
M/I
=
N
Durchschnitt von
Neskarwestheim
und 12 umliegenden
Gemeinden
b
Ur
Schaubild 3: Gemeindeanteil ar: der
Einkommensteuer je Einwohner 1970
bis 19771)
M/E
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