Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1979, Jg. 11, H. 43-47, [48])

Zur Diskussion 
KL 
Klaus Selle 
„Mittlere Intensität“ 
Einige Thesen zur aktuellen Diskussion um die Instrumente der Stadterneuerung 
Im letzten Heft der ARCH* hat Detlev 
IPSEN! den Versuch gemacht, auf wenig 
Raum und unter Verzicht auf weitschwei- 
fige Ableitung und Einordnung Argumen- 
tationsmaterial zum Wohnraumkündi- 
gungsschutzgesetz zusammenzutragen. 
Dieser Ansatz einer knappen Bezug- 
nahme auf aktuelle Diskussionen war 
Anregung, etwas ähnliches für die seit 
der Regierungserklärung der Bundesregie- 
rung im Herbst letzten Jahres unter dem 
Stichwort „mittlere Intensität‘ gehandel- 
ten2 Diskussionen um Veränderungen 
im Instrumentarium der Stadterneuerung 
zu probieren. 
DAS UNGENÜGEN DER VORHAN- 
DENEN INSTRUMENTE 
Zunächst seien einige Diskussionspositio- 
nen benannt, die Schwachstellen in den 
gegebenen gesetzlichen Grundlagen an- 
zeigen und auf notwendige Änderungen 
verweisen: 
Das Städtebauförderungsgesetz er- 
scheint unter sehr verschiedenen Ge- 
sichtspunkten zur Lösung aktueller 
Probleme als nur bedingt tauglich: 
® den einen ist es in seinen prozedura- 
len Vorschriften zu aufwendig, zu- 
mal auch mit dem BBauG inzwischen 
bodenrechtliche Handlungsmöglichkei- 
ten angeboten werden, die zuvor der be- 
sonderen Absicherung der Verfahrens- 
vorschriften des StBauFG bedurften; 
® den anderen ist es zu träge in seiner 
Reaktion auf Konjunkturspritzen: 
gedacht als Instrument der strukturel- 
len und sektoralen Konjunktursteuerung 
vergeht zwischen Wachstumsimpuls und 
erstem baulichen, damit investiven Um- 
setzen zu viel Zeit, als daß kurzfristige 
Wirkungen erzielbar wären. 
® aus wiederum anderer Sicht zeigt 
sich, daß eine „Verbesserung von 
Lebens- und Arbeitsverhältnissen”” 
— erklärtes Ziel nicht nur dieses Geset- 
zes mit der auf wenige städtische „‚In- 
seln” beschränkten Anwendung des 
StBauFG nicht leistbar ist. Insbesonde- 
re die großen innenstadtnahen Wohn- 
und Mischagebiete werden kaum erreicht. 
® das auf Flächensanierung und die Um- 
strukturierung der städtischen Kern- 
bereiche gerichtete Gesetz3 wird den an- 
gesichts veränderter ökonomischer Bedin- 
gungen (Tod des sozialen wie freifinan- 
zierten Wohnungsneubaus bei Mehrfami- 
lienhäusern, Reduzierung der Umnut- 
zungstendenz in den innenstadtnahen 
Bereichen) notwendigen Anstrengungen 
verstärkter Bestandspolitik nicht gerecht 
® Die negativen Konsequenzen der Sanie- 
rungen nach dem StBauFG müssen vor 
allem die unteren Einkommensschichten 
tragen. Die Maßnahmen, die in diesem 
Rahmen von.den Gemeinden ergriffen 
werden, ‚führen zu Ausdünnung und 
z.T. zu erwünschten qualitativen Verbes- 
serungen der Wohnsituation, zu einem 
hohen Teil wird aber auch billiger Wohn- 
raum zugunsten von neuem, teurerem 
Wohnraum vernichtet. '4 
Aber auch die Wohnungsmodernisie- 
rungsförderung nach dem ModEnG ist 
offensichtlich unzureichend: 
® So wird festgestellt, daß ohne eine 
Verbesserung des Woh nungsumfeldes 
wesentliche Investitionsrestriktionen bei 
den privaten Eignern bestehen bleiben5; 
die Einbeziehung des Umfeldes von 
Wohnung und Gebäude scheitert jedoch 
an den Förderungsmodalitäten ( *örde- 
rungsfähige Maximalbeträge je Wohn- 
einheit; Beschränkung auf die Parzelle 
des Förderungsnehmers). 
® Zugleich stellt die Bundesregierung 
„Mit Sorge” fest, daß die Modernisie- 
rungsförderung an den eigentlich proble- 
matischen Beständen (vor 1918 gebaut, 
ohne daß diese Substanz — was notwen- 
dig wäre — weiter differenziert wird) 
vorbeigeflossen sei. Neben Veränderun- 
gen in der Modernisierungsförderung 
selbst werden eine stärkere Verzahnung 
mit der Stadtentwicklungsplanung und 
eine systematische wechselseitige Er- 
gänzung privater und kommunaler In- 
vestitionstätigkeit gefordert®6. 
® Die Modernisierungsfähigkeit in den 
„abgewirtschafteten‘”’ Bereichen 
scheitert aber nicht nur an dem dort 
— durch die unzureichende Reinvesti- 
tion der Wohnungseigentümer — aufge- 
laufenen hohen Instandsetzungsbedarf 
sondern auch am Restnutzungskalkül 
der Besitzer: eine Modernisierungsför- 
derung ist für diese solange unattraktiv, 
als sie ohne Instandsetzungsinvestitio- 
nen u.ä. bei hohen Mieten für die 
„Substandard”’-Wohnungen eine über- 
proportionale Verzinsung des investier- 
ten Kapitals erreichen können?. „Moder 
nisierung und Instandhaltung verringern 
unter diesen Gegebenheiten u.U. sogar 
die Erträge; d.h. nur bei extrem hohen 
Subventionsaufwand wäre mit einer 
entsprechenden Investitionstätigkeit 
des Eigentümers zu rechnen.”’8 Dies 
aber muß zu Mietsteigerungen führen, 
die wiederum für die derzeitigen Bewoh- 
ner untragbar sind. 
Aus einigen dieser Überlegungen fo/- 
gert die Bundesregierung? : „Vor dem 
Hintergrund einer reduzierten Neubau- 
tätigkeit in den Stadtzentren setzt sich 
in den Kommunen zunehmend die Er- 
kenntnis durch, daß sich mit Sanierungs- 
gebieten nach dem Städtebauförderungs 
gesetz allein der „Problemstau”’ in den 
Altbauquartieren nicht auflösen läßt. 
In dem Maße, wie die Modernisierung 
der Wohnungen und Gebäude in den 
Mittelpunkt staatlicher Wohnungspoli- 
tik und -förderung rückt, wird von der 
kommunalen Planungspraxis in der 
Koordinierung von Modernisierung 
und Wohnungsumfeldverbesserung eine 
notwendige Ergänzung zu den ... Erneue- 
rungsmöglichkeiten nach dem Städtebau 
förderungsgesetz gesehen. 
Als Ergebnis der Bestandsaufnahme 
wird demnach erkennbar, daß zwischen 
der Beseitigung städtebaulicher Miß- 
stände durch die Sanierung (nach dem 
StBauFG) und der Modernisierung von 
Wohnungen und einzelnen Gebäuden 
(nach dem ModEnG) noch ein weites 
Feld von Gestaltungsmöglichkeiten be- 
steht. Nach den vorliegenden Erfahrun- 
gen muß dieser Maßnahmenbereich 
„Mittlerer Intensität” vor allem zwei 
Elemente enthalten: a) Förderung von 
umfassenden und zusammenhängenden 
Aus- und Umbaumaßnahmen (Inten- 
sivmodernisierung) im älteren Althaus- 
bestand, b) eng verknüpft damit städte- 
bauliche Maßnahmen zur Verbesserung 
des Wohnumfeldes ” 
GESETZGEBERISCHE KONSE- 
QUENZEN 
Den Maßnahmen mittlerer Intensität sol- 
len die entsprechenden Instrumente zur 
Seite gestellt werden. Dabei sind in der 
aktuellen Diskussion zwei unterschied- 
liche, jedoch eng miteinander verwobene 
Intentionen in den diversen Novellierungs: 
verfahren auszumachen: 
® zunächst und vorrangig geht es um die 
Beseitigung von „Investitionsrestrik- 
tionen”, um die „Beschleunigung‘ und 
„Vereinfachung” von Verwaltunagsver- 
fahren; 
® die solchermaßen geglätteten Investi- 
tionsströme sollen durch veränderte 
Förderungsangebote — die insebesondere 
das Wohnungsumfeld miteinbeziehen — 
gelenkt bzw. durch kommunale Aktivi- 
täten flankiert werden. Wie ein solches 
Förderungsangebot konkret auszugestal- 
ten ist, erscheint jedoch noch umstritten: 
die einen neigen zu einer „Spaltung” des 
Städtebauförderungsgesetzes in einen 
Teil, der für die „einfache Erneuerung” 
_. 
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