Zur Diskussion
KL
Klaus Selle
„Mittlere Intensität“
Einige Thesen zur aktuellen Diskussion um die Instrumente der Stadterneuerung
Im letzten Heft der ARCH* hat Detlev
IPSEN! den Versuch gemacht, auf wenig
Raum und unter Verzicht auf weitschwei-
fige Ableitung und Einordnung Argumen-
tationsmaterial zum Wohnraumkündi-
gungsschutzgesetz zusammenzutragen.
Dieser Ansatz einer knappen Bezug-
nahme auf aktuelle Diskussionen war
Anregung, etwas ähnliches für die seit
der Regierungserklärung der Bundesregie-
rung im Herbst letzten Jahres unter dem
Stichwort „mittlere Intensität‘ gehandel-
ten2 Diskussionen um Veränderungen
im Instrumentarium der Stadterneuerung
zu probieren.
DAS UNGENÜGEN DER VORHAN-
DENEN INSTRUMENTE
Zunächst seien einige Diskussionspositio-
nen benannt, die Schwachstellen in den
gegebenen gesetzlichen Grundlagen an-
zeigen und auf notwendige Änderungen
verweisen:
Das Städtebauförderungsgesetz er-
scheint unter sehr verschiedenen Ge-
sichtspunkten zur Lösung aktueller
Probleme als nur bedingt tauglich:
® den einen ist es in seinen prozedura-
len Vorschriften zu aufwendig, zu-
mal auch mit dem BBauG inzwischen
bodenrechtliche Handlungsmöglichkei-
ten angeboten werden, die zuvor der be-
sonderen Absicherung der Verfahrens-
vorschriften des StBauFG bedurften;
® den anderen ist es zu träge in seiner
Reaktion auf Konjunkturspritzen:
gedacht als Instrument der strukturel-
len und sektoralen Konjunktursteuerung
vergeht zwischen Wachstumsimpuls und
erstem baulichen, damit investiven Um-
setzen zu viel Zeit, als daß kurzfristige
Wirkungen erzielbar wären.
® aus wiederum anderer Sicht zeigt
sich, daß eine „Verbesserung von
Lebens- und Arbeitsverhältnissen””
— erklärtes Ziel nicht nur dieses Geset-
zes mit der auf wenige städtische „‚In-
seln” beschränkten Anwendung des
StBauFG nicht leistbar ist. Insbesonde-
re die großen innenstadtnahen Wohn-
und Mischagebiete werden kaum erreicht.
® das auf Flächensanierung und die Um-
strukturierung der städtischen Kern-
bereiche gerichtete Gesetz3 wird den an-
gesichts veränderter ökonomischer Bedin-
gungen (Tod des sozialen wie freifinan-
zierten Wohnungsneubaus bei Mehrfami-
lienhäusern, Reduzierung der Umnut-
zungstendenz in den innenstadtnahen
Bereichen) notwendigen Anstrengungen
verstärkter Bestandspolitik nicht gerecht
® Die negativen Konsequenzen der Sanie-
rungen nach dem StBauFG müssen vor
allem die unteren Einkommensschichten
tragen. Die Maßnahmen, die in diesem
Rahmen von.den Gemeinden ergriffen
werden, ‚führen zu Ausdünnung und
z.T. zu erwünschten qualitativen Verbes-
serungen der Wohnsituation, zu einem
hohen Teil wird aber auch billiger Wohn-
raum zugunsten von neuem, teurerem
Wohnraum vernichtet. '4
Aber auch die Wohnungsmodernisie-
rungsförderung nach dem ModEnG ist
offensichtlich unzureichend:
® So wird festgestellt, daß ohne eine
Verbesserung des Woh nungsumfeldes
wesentliche Investitionsrestriktionen bei
den privaten Eignern bestehen bleiben5;
die Einbeziehung des Umfeldes von
Wohnung und Gebäude scheitert jedoch
an den Förderungsmodalitäten ( *örde-
rungsfähige Maximalbeträge je Wohn-
einheit; Beschränkung auf die Parzelle
des Förderungsnehmers).
® Zugleich stellt die Bundesregierung
„Mit Sorge” fest, daß die Modernisie-
rungsförderung an den eigentlich proble-
matischen Beständen (vor 1918 gebaut,
ohne daß diese Substanz — was notwen-
dig wäre — weiter differenziert wird)
vorbeigeflossen sei. Neben Veränderun-
gen in der Modernisierungsförderung
selbst werden eine stärkere Verzahnung
mit der Stadtentwicklungsplanung und
eine systematische wechselseitige Er-
gänzung privater und kommunaler In-
vestitionstätigkeit gefordert®6.
® Die Modernisierungsfähigkeit in den
„abgewirtschafteten‘”’ Bereichen
scheitert aber nicht nur an dem dort
— durch die unzureichende Reinvesti-
tion der Wohnungseigentümer — aufge-
laufenen hohen Instandsetzungsbedarf
sondern auch am Restnutzungskalkül
der Besitzer: eine Modernisierungsför-
derung ist für diese solange unattraktiv,
als sie ohne Instandsetzungsinvestitio-
nen u.ä. bei hohen Mieten für die
„Substandard”’-Wohnungen eine über-
proportionale Verzinsung des investier-
ten Kapitals erreichen können?. „Moder
nisierung und Instandhaltung verringern
unter diesen Gegebenheiten u.U. sogar
die Erträge; d.h. nur bei extrem hohen
Subventionsaufwand wäre mit einer
entsprechenden Investitionstätigkeit
des Eigentümers zu rechnen.”’8 Dies
aber muß zu Mietsteigerungen führen,
die wiederum für die derzeitigen Bewoh-
ner untragbar sind.
Aus einigen dieser Überlegungen fo/-
gert die Bundesregierung? : „Vor dem
Hintergrund einer reduzierten Neubau-
tätigkeit in den Stadtzentren setzt sich
in den Kommunen zunehmend die Er-
kenntnis durch, daß sich mit Sanierungs-
gebieten nach dem Städtebauförderungs
gesetz allein der „Problemstau”’ in den
Altbauquartieren nicht auflösen läßt.
In dem Maße, wie die Modernisierung
der Wohnungen und Gebäude in den
Mittelpunkt staatlicher Wohnungspoli-
tik und -förderung rückt, wird von der
kommunalen Planungspraxis in der
Koordinierung von Modernisierung
und Wohnungsumfeldverbesserung eine
notwendige Ergänzung zu den ... Erneue-
rungsmöglichkeiten nach dem Städtebau
förderungsgesetz gesehen.
Als Ergebnis der Bestandsaufnahme
wird demnach erkennbar, daß zwischen
der Beseitigung städtebaulicher Miß-
stände durch die Sanierung (nach dem
StBauFG) und der Modernisierung von
Wohnungen und einzelnen Gebäuden
(nach dem ModEnG) noch ein weites
Feld von Gestaltungsmöglichkeiten be-
steht. Nach den vorliegenden Erfahrun-
gen muß dieser Maßnahmenbereich
„Mittlerer Intensität” vor allem zwei
Elemente enthalten: a) Förderung von
umfassenden und zusammenhängenden
Aus- und Umbaumaßnahmen (Inten-
sivmodernisierung) im älteren Althaus-
bestand, b) eng verknüpft damit städte-
bauliche Maßnahmen zur Verbesserung
des Wohnumfeldes ”
GESETZGEBERISCHE KONSE-
QUENZEN
Den Maßnahmen mittlerer Intensität sol-
len die entsprechenden Instrumente zur
Seite gestellt werden. Dabei sind in der
aktuellen Diskussion zwei unterschied-
liche, jedoch eng miteinander verwobene
Intentionen in den diversen Novellierungs:
verfahren auszumachen:
® zunächst und vorrangig geht es um die
Beseitigung von „Investitionsrestrik-
tionen”, um die „Beschleunigung‘ und
„Vereinfachung” von Verwaltunagsver-
fahren;
® die solchermaßen geglätteten Investi-
tionsströme sollen durch veränderte
Förderungsangebote — die insebesondere
das Wohnungsumfeld miteinbeziehen —
gelenkt bzw. durch kommunale Aktivi-
täten flankiert werden. Wie ein solches
Förderungsangebot konkret auszugestal-
ten ist, erscheint jedoch noch umstritten:
die einen neigen zu einer „Spaltung” des
Städtebauförderungsgesetzes in einen
Teil, der für die „einfache Erneuerung”
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