Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1979, Jg. 11, H. 43-47, [48])

Vorschlag) sind hier kennzeichnend. 
Die Lenkung der Stadterneuerung 
wird — wie bereits in der Wohnungsmo- 
dernisierungsförderung angelegt — völlig 
auf subsidiäre, auf finanzielle Anreize 
gegründete Steuerung umgestellt. Dies 
geht einher mit Beschleunigungen von 
Antrags-, Kontroll- und Genehmigungs- 
schritten durch vereinfachte Verfahren, 
reduzierte Einspruchsmöglichkeiten, 
Vernachlässigung von Verfahrensfehlern 
und der Beschränkung des Beteiligten- 
kreises. Nicht selten wird die Aushand- 
lung von Vorhaben und Förderung 
auf die Klientelbeziehung zwischen 
Verwaltungsstelle und Investor redu- 
ziert. 
8 Wen trifft’s? Es ist zwar die Rede 
von den „eigentlich problematischen 
Gebieten’, der Notwendigkeit, zu „we- 
niger publikumswirksarmer’” Moderni- 
sierungsförderung, aber: sind die im 
Augenblick gehandelten Maßnahmen 
und Instrumente wirklich geeignet, in 
Stadtgebieten, die überwiegend von ein- 
kommensschwachen Gruppen bewohnt 
werden, Wohnverhältnisse zu verbessern 
Das heißt: nicht die Wohnungen ‚„‚am 
Markt” halten und die Bewohner qua 
Zahlungsunfähigkeit aus eben diesem 
Markt herausfallen zu lassen, sondern 
Wohnungen und Gebäude in ihrem Be- 
stand zu sichern und lediglich kleine, 
wenig mietintensive Schritte der Verbes- 
serung zu unternehmen. 
Das ist nicht intendiert: die Bundes- 
regierung spricht von ‚‚Intensivmoderni- 
sierungen””, und das 14-Städte-Programm 
des Landes Baden-Württemberg zielt auf 
Remigration, auf das Halten oder Zurück: 
holen einkommensstarker Gruppen in 
innerstädtische Gebiete. Insgesamt zie- 
len alle Ansätze auf verstärkte, öffent- 
licher Kontrolle entledigte Investitions- 
mobilisierung ab: Investitionen, die 
immer in Wert- und damit Mietsteige- 
rungen münden. Eine Förderung, die 
mit einem Minimum an öffentlichen 
Investitionen ein Maximum an privaten 
induzieren will — und das ist Absicht der 
„Mittleren Intensität’” — müssen also 
diese Problemgebiete aus dem Blick ge- 
raten; wendet sie sich ihnen zu, ist ohne 
rigide Lenkung des Investitionsverhaltens 
Verdrängungsmodernisierung die Folge. 
e Mittlere Intensität bedeutet also für 
eine „mittlere”” Einkommensgruppe, 
die ihr Haushaltsbudget noch etwa be- 
lasten kann, ein Angebot an verbesser- 
ten Wohnungen und Umfeldern. Eine 
nicht unerhebliche (und vermutlich bei 
knapperem Angebot an Wohnungen auf 
der Basis der Preis/Qualitätspyramide zu 
nehmende) Gruppe wird verdrängt, in 
Überlegung oder unter staatliche Kura- 
tel (Obdachlosigkeit) getrieben. 
9 Mittlere Intensität ist damit insgesamt 
die nächste Stufe auf dem — bereits 
bei der Einführung der Wohnungsmoder- 
nisierungsförderung festgestellten 16 — 
sozialpolitischen Regressionsprozeß. Eine 
Regression, die jetzt von Einschränkun- 
gen im Mietrecht (8 20 ModEnG) über 
die Reduzierung von Informationsrech- 
ten bis hin zum nahezu völligen Abbau 
von Partizipationsrechten (Entwertung 
8 4 StBauFG, Entwertung der vorgezo- 
genen Bürgerbeteiligung durch 8 155a 
BBauG) reicht. 17 Stadterneuerung wird 
offensichtlich nur noch verstanden als 
„äußerst attraktives Angebot” 18 an die 
Investoren. Mit entsprechenden Folgen 
für jene, deren Einkommen nicht aus- 
reicht, diesem Aufwertungsspektakel 
zu folgen. 
NACHTRAG 
Dieser Beitrag entstand im Mai 1979. 
Inzwischen (August 1979) hat sich Neues 
ergeben. Der Beschleunigungsabsicht der 
Novellierung von BBauG und StBauFG 
entsprach — nomen est omen — ein be- 
schleunigtes Gesetzgebungsverfahren. 
Bundesbaugesetz und Städtebauförde- 
rungsgesetz sind inzwischen rechtskräf- 
tig novelliert (Bundesgesetzblatt | v. 
13.7.1979; seit 1.8.1979 in Kraft). 
Hieraus ergibt sich für das oben Darge- 
stellte: 
® die Begründungspflicht in der Sanie- 
rungsvorbereitung wurde weitge- 
hend zurückgenommen: die vorberei- 
tenden Untersuchungen können, genau 
wie in der Regierungsvorlage vorgesehen 
war, durch „‚,hinreichende Beurteilungs- 
unterlagen” ersetzt werden (8 4 (1), Satz 
1, StBauFG-Nov.). Die Entwicklung der 
Grundsätze für den Sozialplan kann ganz 
vernachlässigt oder in den Bereich nach 
der förmlichen Festlegung verschoben 
werden. 
® Es bleibt bei der Zulässigkeit von 
Bauvorhaben nach Rechtskraft eines 
Bebauungsplanes (88 Abs. 1 Satz 3 und 
8 10 Abs. 7 StBauFG Nov.). 
® Ebenfalls wird die Begründung des 
Bebauungsplanes verfahrensirrele- 
vant: Unvollständigkeiten führen ebenso 
wie zahlreiche andere Verletzungen von 
Verfahrensvorschriften nicht zur Beein- 
trächtigung der Rechtskraft (& 155a 
insbes. 8 155b (1) Nr. 3 und 4 BBauG 
Nov.). 
® Die Verfahren und Instrumente „‚Mitt 
lerer Intensität” werden nicht — wie 
dies der ARG EBAU-Vorschlag vorsah — 
in das StBauFG integriert sondern geson- 
dert in Anlehnung an die Wohnungsmo- 
dernisieru ngsförderung geregelt. 
Insgesamt bleiben damit die oben be- 
schriebenen Entwicklunaslinien unge- 
brochen. 
Anmerkungen 
1)IPSEN, D.: Acht Argumente zum Wohn- 
raumkündigungsschutzgesetz, in: ARCH? 
(1979) H. 43/44, S. 20—21. 
2)Antwort der Bundesregierung auf die 
große Anfrage zur Städtebaupolitik, BT- 
Drucksache 8/2085 
3) Vgi. den Nachweis der strukturellen Be- 
vVorzugung von Flächensanierungen durch 
das StBauFG bei WOLLMANN, H.: Das 
Städtebauförderungsgesetz als Instrument 
staatlicher Intervention — wo und für 
wen? ‚ in: Leviathan (1974) S. 199 ff. so- 
wie am Beispiel der Sanierungsziele der 
Kommunen: ARRAS, H. u.a. Erfahrun- 
gen der Gemeindeverwaltungen mit dem 
Vollzug des Städtebauförderungsgesetzes 
bei der Vorbereitung und Durchführung 
städtebaulicher Sanierungsmaßnahmen: 
Bd. 02.016 der Schriftenreihe Stadtent: 
wicklung des BMBau, Bonn-Bad Godes- 
ber 1978. 
1) ARRAS, H. u.a.: Wohnungspolitik und 
Stadtentwicklung, Zwischenveröffentli- 
chung (Entwurf), Ms. Basel (1979), S.4-5 
5) Antwort der Bundesregierung ... a.a.0. - 
6) KPAUTZBERGER, M.: Aktuelle Fragen 
der Modernisierungsförderung, in: Bun- 
desbaublatt (1978) H. 11,5. 532 ff. 
7) Vgl. AUTZEN, R.. Instandhaltung und 
Instandsetzung innerstädtischer Altbau- 
quartiere, in: Bauwelt (1978) S. 1231 ff. 
8) KRAUTZBERGER a.a.O., S. 534. 
9) Antwort der Bundesregierung ... a.a.0. 
0) Entwurf eines Gesetzes zur Beschleuni- 
gung von Verfahren und zur Erleichterung 
von Investitionsvorhaben im Städtebau- 
recht; Bundestagsdrucksache 8/2451. 
Vgl. ausführlicher: SELLE, K.: Bevor der 
Bagger kommt ... Vorstudien zur Funktion 
und Struktur von Bestandsanalysen im Zu- 
sammenhang städtebaulicher Erneuerungs- 
maßnahmen. Ergebnisberichte zum For- 
schungsprojekt Bestandsaufnahme und 
Bestandsbewertung H.2; Dortmund 1979, 
S. 157 ff. sowie ders.: Die Beschleuni- 
gungsnovelle der Bundesregierung, in: 
Stadtbauwelt (1979) H. 61, S. 63—66. 
12) Von der Fachkommission im Februar 1979 
beschlossener ‚Entwurf eines Gesetzes zur 
Vereinfachung von städtebaulichen Er- 
neuerungsmaßnahmen”’. Unveröff. Ms. 
13) ARGEBAU a.a.0.5S. 1 (Begründung) 
14) Richtlinien für das 14-Städte-Programm 
(Programm zur Verbesserung der Wohn- 
verhältnisse in älteren Wohngebieten der 
großen Städte) vom 15. Juli 1977 i.d.F. 
der Änderung vom 30. November 1978 
V 8715.1/11 des Innenministeriums 
Baden-Württemberg, S. 1. 
15) Antwort der Bundesregierung a.a.O. S. 10 
16) Vgl. z.B. REISS-SCHMIDT/TESSIN, W.: 
Das Modernisierungsgesetz — Instrument 
für soziale Stadterneuerung? , in: Bauwelt 
(1976) H. 16—17, S. 524. 
17) Vgl. z.B. HENDLER, R.: Partizipations- 
demontage im Städtebaurecht? , in: Zeit- 
schrift für Rechtspolitik (1979) H. 6. 
18) Bundestagsdrucksache 7/5410 S. 6. 
Geschichte. 
Lutz Niethammer (Hg) 
Wohnen im Wandel 
Beiträge zur Geschichte 
des Alltags in der bür- 
gerlichen Gesellschaft 
432 Seiten mit zahlrei- 
chen Abbildungen 
38.-- DM 
Peter Hammer Verlag 
Wuppertal 
54
	        
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