Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1979, Jg. 11, H. 43-47, [48])

scheuen müssen. 
Aber nicht einmal damit genug. Diese 
hierarchische Längsachse wird noch ein- 
mal geschnitten durch eine entsprechende 
Querachse, die von Längsseite zu Längs- 
seite den Gedenkstein !inks und ein kor- 
respondierendes Fahnenmastarrangement 
rechts verbindet. Nimmt man all das zu- 
sammen, die archaischen Materialien, der 
Formalismus sprachloser, abstrakter, linea: 
rer Arrangements, die Achsen- und Sym- 
metriementalität bei völliger ornamenta- 
ler Leere, dann hat man, was hier aus 
Zeitgründen nicht näher begründet wer- 
den kann, die Wirkungsmittel faschisti- 
scher Ästhetik beisammen. Der Künstler 
ist der Situation erlegen, er hat, sich an- 
passend, die historische Situation der 
Niederlage des Widerstandes gegen Hitler 
ästhetisch noch einmal wiederholt, als 
Niederlage formalistischer Kunst. 
Über die anderen Entwürfe müßte 
noch einiges gesagt werden, um zu bewei- 
sen, daß diese Wahl nicht zwingend war. 
Der technisch kühle, kunstgewerbliche 
Entwurf von Gerhard LAAGE wäre mir 
da viel lieber noch, erst recht HAJEKS 
verknorpelt geometrisches Begehungsfeld, 
selbst das modische Architekturdenkmal 
von BANGERT, JANSEN, SCHOLZ, 
SCHULTES und sogar noch der dumpfe 
Grabschacht von E.F. REUTER schiene 
mir erträglicher an diesem Ort. Gesagt 
werden muß aber, daß einer unter den 
Entwürfen die Chance, die mit der Neuge- 
staltung des Ehrenhofes verbunden ist, 
wirklich gesehen hat, trotz vermeidbarer 
Monumentalisierungen im einzelnen: 
ich meine den Entwurf des Berliner Bild- 
hauers Rainer KRIESTER. Er ist der ein- 
zige, der eine ästhetische Faszination aus- 
strahlt, der füh!bar von heute ist, etwas 
mıtbekommen hat und mitbringt von den 
Gründen, warum wir gerade heute, 40 Jah- 
re danach, das Vergangene wieder im Be- 
wußtsein wälzen. KRIESTER hat frei- 
lich die Offenheit besessen, darzutun, daß 
für formale Feierlichkeiten, die keinen 
angehen, in unserer Gesellschaft kein 
Platz mehr ist, sondern nur für Indivi- 
duen, die sich anregen lassen zum Nach- 
denken, die sich als einzelne anrühren 
lassen. Das hätte sein Feld mit den ver- 
streuten, die Feierfläche wegwischenden 
Denksteinen und dem in Händen vergra- 
benen Kopf geleistet. 
Und noch eine letzte Bemerkung zur 
Sache: Wie schnell veraltet das Erinnern 
bzw. seine staatlichen Arrangements? 
War es nötig, die Lösung von 1953 einfach 
wegzuwerfen? Der Bendlerblock ist doch 
nur ein Ort, der des rechten Widerstan- 
des? Wo sind die Gedenkstätten für den 
linken? Wo sind die Mahnmäler für das 
Reichssicherheitshauptamt, den Volksge- 
richtshof, die Judensammelstelle und 
den Bahnhof der Sammeltransporte nach 
Auschwitz, das KZ Columbiahaus und an- 
deres mehr? Man sucht sie un unserer 
Stadt vergeblich... 
Folckert Lüken, FILMOGRAFIE ‘PLA- 
NEN — BAUEN — WOHNEN 
BERLIN W.’ 
Teil 1: Kreuzberg. Berlin-West 1979. 
144 5S.+ 11S. 
Arbeitspapier Nr. 16 des Instituts für 
Wohnungsbau und Stadtteilplanung 
der TU Berlin (IWOS). Bezug: Inst. f. 
Wohnungsbau und Stadtteilplanung, 
Bibliothek, Straße d. 17. Juni 135, 
1B—12, T 030/3143309, Schutzgebühr 
1,— DM (!). 
Während gerade fachspezifische Bibliogra- 
fien von Druckerzeugnissen als selbstver- 
ständliche und unverzichtbare Arbeits- 
hilfe gelten, werden audio-visuelle Me- 
dien in Archivierung, Dokumentation 
und öffentlicher Erschließung noch im: 
mer höchst stiefmütterlich behandelt, 
angesichts der gesellschaftlichen Rele- 
vanz von Ton- und Bilddokumenten als 
‚„kollektivem Gedächtnis” (BUBENIK1) 
ein gefährlicher Anachronismus. 
So existieren zwar, von jedem hier und 
da einmal zur Kenntnis genommen, hun- 
derte von Filmen jeglicher Machart und 
interessengebundener Perspektive zum 
großen Bereich des Planens, Bauens und 
Wohnens in der BRD, einen Überblick 
oder gar Daten und eine inhaltliche Aus- 
wertung kann heute aber offensichtlich 
niemand mehr leisten. Bis in das Jahr 
1957 (!) muß der Interessent zurück wüh- 
len, um auf einen „Filmkatalog der 
deutschsprachigen Lehr- und Aufklä- 
rungsfilme des Bau-, Wohnungs- und Sied- 
Jungswesens und der Bautechnik” zu sto- 
Ren, den eigene Interessen in der Kom- 
mentierung wahrend,’der damalige Deut- 
sche Verband für Wohnungswesen, Städte- 
bau und Raumplanung zusammenstellte 
und der 1964 erweitert und aktualisiert 
noch einmal erschien — antiquarische Ra- 
ritäten.2 
Daneben gab es als Auszüge aus den 
Verleihprogrammen der Landesbildstel- 
len Anfang der 60er Jahre noch einige 
magere Zusammenstellungen des Bundes- 
ministers für Wohnungsbau zum „Neu- 
zeitlichen Wohnungsbau in Film und 
Bild’, fast sämtlich harmlos-unkritische 
‘Dokumentationen’, wenn nicht gezielt 
für die Öffentlichkeitsarbeit gedrehte 
Werbefilme. In den auch für die Archi- 
tektur- und Städtebaudiskussion ent- 
scheidenden Jahren nach der Wirtschafts- 
krise 1966/67 und der Verabschiedung 
des StBauFG 1971 gab es dann nie wieder 
eine umfassende Aufarbeitung der filmi- 
schen Dokumentation der Ereignisse und 
Auseinandersetzungen um Fragen des 
Wohnungs- und Städtebaus, sieht man 
von der „Liste von Filmen über Probleme 
des Reproduktionsbereiches” der Arbeits- 
gruppe Gemeinwesenarbeit der Victor 
Gollancz-Stiftung (Frankfurt/M. 1974) 
sowie von dem erfreulichen, aber Zzwangs- 
läufig begrenzten Versuch von DW. 
Dreysse und Richard Grübling ab, die 
1975 unter dem Titel „Filme zur Woh- 
nungsfrage”” Materialien zu einer Filmrei 
he des Frankfurter Kommunalen Kinos 
zusammenstellten. 
DREYSSE und GRÜBLING, am Ge- 
brauchswert ihrer Auflistung für praktisch- 
Se 
2) 
3) 
politische Arbeit interessiert, wiesen da- 
bei erstmals ausdrücklich auf ein bis dato 
stillschweigend ausgeklammertes Problem 
hin: daß nämlich „längst nicht alle produ- 
zierten und zeigenswerten Filme ausleih- 
bar” sind, ein bis heute bestehendes Hin- 
dernis für nahezu jegliche Verwendung von 
Filmen außerhalb kommerzieller Spielstel- 
len und der Sendeanstalten. Filme, die 
beispielsweise, umgeben von kaum über- 
windbaren (aber für ihre Verwalter so be- 
quemen) Mauern des Urheberrechtes in 
den Archiven der „öffentlich”’-rechtlichen 
Fernsehanstalten dahindämmern — „‚kKon- 
servierte gesellschaftliche Kommunika- 
tion” (BUBENIK) ohne Wirkungsmöglich- 
keit. Umso bedeutsamer und unterstüt- 
zenswerter erscheint mir daher der Ver- 
such Folckert LÜKENS, eine aktuelle und 
möglichst vollständige kommentierte 
Filmografie zum ‘Planen — Bauen — 
Wohnen’ zusammenzustellen. 
Der erste Teil eines solchen für jede 
praktische Medienarbeit so wichtigen 
Kataloges liegt nun vor. Er erfaßt alle er- 
mittelten Filme zum Stadtbezirk Kreuz- 
berg, also einem der weit über Berlin 
hinaus relevanten Zentren der städtebau- 
lichen Auseinandersetzungen im Span- 
nungsfeld zwischen Kahlschlag und 
pittoresker Rekonstruktion. Die hier er- 
faßten ca. 80 Film-, TV- und Videopro- 
duktionen werden in standardisierter 
Karteiform mit allen notwendigen film- 
technischen Daten, Verleihangaben sowie 
für die inhaltliche Erschließung wichtigen 
Kurzbeschreibungen vorgestellt. Die vom 
Verfasser zu Recht geforderte Fortschrei: 
bung solcher Dokumentationen ist dabei 
in der Konzeption berücksichtigt. Er- 
gänzt wird der Gebrauchswert dieser be- 
schämend billigen Filmografie durch di- 
verse Verzeichnisse und eine Aufschlüs- 
selung der Filminhalte nach einem Stich- 
wortraster von „Alte Menschen” bis 
‚„Wohnungssuche”. 
Um die bereits erfaßten weiteren 300 
berlinbezogenen Titel in gleicher Weise 
aufzubereiten, ist der Autor dringend auf 
Mitarbeit nicht nur aus Berlin angewie- 
sen. Regionale Fernsehsendungen z.B. 
lassen sich kontinuierlich nur durch 
einen bundesweiten Verbund von Infor- 
manten erfassen und beurteilen. Diese ; 
wichtige Initiative kann daher schon mit- 
telfristig kein Ein-Mann-Untarnehmen 
bleiben, für Interessierte, die die katastro- 
phale Situation der Erschließung und Zu- 
gänglichkeit dieser Filmmaterialien eben- 
so beklagen, eine dankenswerte Aufgabe 
(s.0.). 
1) Anton BUBENIK, Das verlorene Gedächt- 
nis. Anmerkungen zur großen Verschwen- 
dung in den Rundfunkanstalten und Vor- 
schläge zur Veränderung, in: medium 9/1977 
S. 34 —36. 
Beide Filmkataloge können in Restexempla- 
ren noch über ARCH+ bezogen werden. 
Roland GÜNTER/Paul HOFMANN /Janne 
GÜNTER, Das Ruhrgebiet im Film. 70 Jah- 
re Filmen im Ruhrgebiet. Oberhausen: 
Westdeutsche Kurzfilmtage 1978, 2 Bände. 
Z.Zt. vergriffen, eine 2. Aufl. soll (bei aus- 
reichender Zahl von Vorbestellungen: 
Westdt. Kurzfilmtage, Grillostr. 34, 4200 
Oberhausen 1) im Herbst erscheinen. Vgl. 
ARCH* 40/41 
Paul Hofmann 
6
	        

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