scheuen müssen.
Aber nicht einmal damit genug. Diese
hierarchische Längsachse wird noch ein-
mal geschnitten durch eine entsprechende
Querachse, die von Längsseite zu Längs-
seite den Gedenkstein !inks und ein kor-
respondierendes Fahnenmastarrangement
rechts verbindet. Nimmt man all das zu-
sammen, die archaischen Materialien, der
Formalismus sprachloser, abstrakter, linea:
rer Arrangements, die Achsen- und Sym-
metriementalität bei völliger ornamenta-
ler Leere, dann hat man, was hier aus
Zeitgründen nicht näher begründet wer-
den kann, die Wirkungsmittel faschisti-
scher Ästhetik beisammen. Der Künstler
ist der Situation erlegen, er hat, sich an-
passend, die historische Situation der
Niederlage des Widerstandes gegen Hitler
ästhetisch noch einmal wiederholt, als
Niederlage formalistischer Kunst.
Über die anderen Entwürfe müßte
noch einiges gesagt werden, um zu bewei-
sen, daß diese Wahl nicht zwingend war.
Der technisch kühle, kunstgewerbliche
Entwurf von Gerhard LAAGE wäre mir
da viel lieber noch, erst recht HAJEKS
verknorpelt geometrisches Begehungsfeld,
selbst das modische Architekturdenkmal
von BANGERT, JANSEN, SCHOLZ,
SCHULTES und sogar noch der dumpfe
Grabschacht von E.F. REUTER schiene
mir erträglicher an diesem Ort. Gesagt
werden muß aber, daß einer unter den
Entwürfen die Chance, die mit der Neuge-
staltung des Ehrenhofes verbunden ist,
wirklich gesehen hat, trotz vermeidbarer
Monumentalisierungen im einzelnen:
ich meine den Entwurf des Berliner Bild-
hauers Rainer KRIESTER. Er ist der ein-
zige, der eine ästhetische Faszination aus-
strahlt, der füh!bar von heute ist, etwas
mıtbekommen hat und mitbringt von den
Gründen, warum wir gerade heute, 40 Jah-
re danach, das Vergangene wieder im Be-
wußtsein wälzen. KRIESTER hat frei-
lich die Offenheit besessen, darzutun, daß
für formale Feierlichkeiten, die keinen
angehen, in unserer Gesellschaft kein
Platz mehr ist, sondern nur für Indivi-
duen, die sich anregen lassen zum Nach-
denken, die sich als einzelne anrühren
lassen. Das hätte sein Feld mit den ver-
streuten, die Feierfläche wegwischenden
Denksteinen und dem in Händen vergra-
benen Kopf geleistet.
Und noch eine letzte Bemerkung zur
Sache: Wie schnell veraltet das Erinnern
bzw. seine staatlichen Arrangements?
War es nötig, die Lösung von 1953 einfach
wegzuwerfen? Der Bendlerblock ist doch
nur ein Ort, der des rechten Widerstan-
des? Wo sind die Gedenkstätten für den
linken? Wo sind die Mahnmäler für das
Reichssicherheitshauptamt, den Volksge-
richtshof, die Judensammelstelle und
den Bahnhof der Sammeltransporte nach
Auschwitz, das KZ Columbiahaus und an-
deres mehr? Man sucht sie un unserer
Stadt vergeblich...
Folckert Lüken, FILMOGRAFIE ‘PLA-
NEN — BAUEN — WOHNEN
BERLIN W.’
Teil 1: Kreuzberg. Berlin-West 1979.
144 5S.+ 11S.
Arbeitspapier Nr. 16 des Instituts für
Wohnungsbau und Stadtteilplanung
der TU Berlin (IWOS). Bezug: Inst. f.
Wohnungsbau und Stadtteilplanung,
Bibliothek, Straße d. 17. Juni 135,
1B—12, T 030/3143309, Schutzgebühr
1,— DM (!).
Während gerade fachspezifische Bibliogra-
fien von Druckerzeugnissen als selbstver-
ständliche und unverzichtbare Arbeits-
hilfe gelten, werden audio-visuelle Me-
dien in Archivierung, Dokumentation
und öffentlicher Erschließung noch im:
mer höchst stiefmütterlich behandelt,
angesichts der gesellschaftlichen Rele-
vanz von Ton- und Bilddokumenten als
‚„kollektivem Gedächtnis” (BUBENIK1)
ein gefährlicher Anachronismus.
So existieren zwar, von jedem hier und
da einmal zur Kenntnis genommen, hun-
derte von Filmen jeglicher Machart und
interessengebundener Perspektive zum
großen Bereich des Planens, Bauens und
Wohnens in der BRD, einen Überblick
oder gar Daten und eine inhaltliche Aus-
wertung kann heute aber offensichtlich
niemand mehr leisten. Bis in das Jahr
1957 (!) muß der Interessent zurück wüh-
len, um auf einen „Filmkatalog der
deutschsprachigen Lehr- und Aufklä-
rungsfilme des Bau-, Wohnungs- und Sied-
Jungswesens und der Bautechnik” zu sto-
Ren, den eigene Interessen in der Kom-
mentierung wahrend,’der damalige Deut-
sche Verband für Wohnungswesen, Städte-
bau und Raumplanung zusammenstellte
und der 1964 erweitert und aktualisiert
noch einmal erschien — antiquarische Ra-
ritäten.2
Daneben gab es als Auszüge aus den
Verleihprogrammen der Landesbildstel-
len Anfang der 60er Jahre noch einige
magere Zusammenstellungen des Bundes-
ministers für Wohnungsbau zum „Neu-
zeitlichen Wohnungsbau in Film und
Bild’, fast sämtlich harmlos-unkritische
‘Dokumentationen’, wenn nicht gezielt
für die Öffentlichkeitsarbeit gedrehte
Werbefilme. In den auch für die Archi-
tektur- und Städtebaudiskussion ent-
scheidenden Jahren nach der Wirtschafts-
krise 1966/67 und der Verabschiedung
des StBauFG 1971 gab es dann nie wieder
eine umfassende Aufarbeitung der filmi-
schen Dokumentation der Ereignisse und
Auseinandersetzungen um Fragen des
Wohnungs- und Städtebaus, sieht man
von der „Liste von Filmen über Probleme
des Reproduktionsbereiches” der Arbeits-
gruppe Gemeinwesenarbeit der Victor
Gollancz-Stiftung (Frankfurt/M. 1974)
sowie von dem erfreulichen, aber Zzwangs-
läufig begrenzten Versuch von DW.
Dreysse und Richard Grübling ab, die
1975 unter dem Titel „Filme zur Woh-
nungsfrage”” Materialien zu einer Filmrei
he des Frankfurter Kommunalen Kinos
zusammenstellten.
DREYSSE und GRÜBLING, am Ge-
brauchswert ihrer Auflistung für praktisch-
Se
2)
3)
politische Arbeit interessiert, wiesen da-
bei erstmals ausdrücklich auf ein bis dato
stillschweigend ausgeklammertes Problem
hin: daß nämlich „längst nicht alle produ-
zierten und zeigenswerten Filme ausleih-
bar” sind, ein bis heute bestehendes Hin-
dernis für nahezu jegliche Verwendung von
Filmen außerhalb kommerzieller Spielstel-
len und der Sendeanstalten. Filme, die
beispielsweise, umgeben von kaum über-
windbaren (aber für ihre Verwalter so be-
quemen) Mauern des Urheberrechtes in
den Archiven der „öffentlich”’-rechtlichen
Fernsehanstalten dahindämmern — „‚kKon-
servierte gesellschaftliche Kommunika-
tion” (BUBENIK) ohne Wirkungsmöglich-
keit. Umso bedeutsamer und unterstüt-
zenswerter erscheint mir daher der Ver-
such Folckert LÜKENS, eine aktuelle und
möglichst vollständige kommentierte
Filmografie zum ‘Planen — Bauen —
Wohnen’ zusammenzustellen.
Der erste Teil eines solchen für jede
praktische Medienarbeit so wichtigen
Kataloges liegt nun vor. Er erfaßt alle er-
mittelten Filme zum Stadtbezirk Kreuz-
berg, also einem der weit über Berlin
hinaus relevanten Zentren der städtebau-
lichen Auseinandersetzungen im Span-
nungsfeld zwischen Kahlschlag und
pittoresker Rekonstruktion. Die hier er-
faßten ca. 80 Film-, TV- und Videopro-
duktionen werden in standardisierter
Karteiform mit allen notwendigen film-
technischen Daten, Verleihangaben sowie
für die inhaltliche Erschließung wichtigen
Kurzbeschreibungen vorgestellt. Die vom
Verfasser zu Recht geforderte Fortschrei:
bung solcher Dokumentationen ist dabei
in der Konzeption berücksichtigt. Er-
gänzt wird der Gebrauchswert dieser be-
schämend billigen Filmografie durch di-
verse Verzeichnisse und eine Aufschlüs-
selung der Filminhalte nach einem Stich-
wortraster von „Alte Menschen” bis
‚„Wohnungssuche”.
Um die bereits erfaßten weiteren 300
berlinbezogenen Titel in gleicher Weise
aufzubereiten, ist der Autor dringend auf
Mitarbeit nicht nur aus Berlin angewie-
sen. Regionale Fernsehsendungen z.B.
lassen sich kontinuierlich nur durch
einen bundesweiten Verbund von Infor-
manten erfassen und beurteilen. Diese ;
wichtige Initiative kann daher schon mit-
telfristig kein Ein-Mann-Untarnehmen
bleiben, für Interessierte, die die katastro-
phale Situation der Erschließung und Zu-
gänglichkeit dieser Filmmaterialien eben-
so beklagen, eine dankenswerte Aufgabe
(s.0.).
1) Anton BUBENIK, Das verlorene Gedächt-
nis. Anmerkungen zur großen Verschwen-
dung in den Rundfunkanstalten und Vor-
schläge zur Veränderung, in: medium 9/1977
S. 34 —36.
Beide Filmkataloge können in Restexempla-
ren noch über ARCH+ bezogen werden.
Roland GÜNTER/Paul HOFMANN /Janne
GÜNTER, Das Ruhrgebiet im Film. 70 Jah-
re Filmen im Ruhrgebiet. Oberhausen:
Westdeutsche Kurzfilmtage 1978, 2 Bände.
Z.Zt. vergriffen, eine 2. Aufl. soll (bei aus-
reichender Zahl von Vorbestellungen:
Westdt. Kurzfilmtage, Grillostr. 34, 4200
Oberhausen 1) im Herbst erscheinen. Vgl.
ARCH* 40/41
Paul Hofmann
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