Deutlichkeit demonstriert worden.
Die Stadt wird vollends zerteilt (di-
vide et impera) in „‚Verkehrsgebiete‘‘
und ‚„Aufenthaltsgebiete’. Die Aufent-
haltsgebiete sind Inseln oder Ghettos,
jeweils eingeschnürt von gigantischen
Stadtautobahnen (a la Los Angeles).
Voraussetzung ist der totale Stadtum-
bau, die totale Zerstörung traditionel-
ler Stadtstrukturen. Man bedenke bei-
spielsweise nur, daß heute noch gut
40 % aller Bürger in den Städten an
Hauptverkehrsstraßen wohnen. Sie
müßten alle den Segnungen der totalen
Verkehrsplanung weichen. Die tradi-
tionelle Hauptverkehrsstraße mit ihrer
Funktion als wichtige Geschäftsstraße,
als städtebauliche Dominante, an der
sich die räumliche Orientierung der
Stadtbewohner festmacht, wäre tot.
Fazit: Der totale Automaßstab, symbo-
lisiert durch überdimensionierte Stadt-
autobahnen, hat sich endgültig durch-
gesetzt. Er wird zum grundsätzlichen
Gestaltungsprinzip unserer Städte.
DIE ARGUMENTE DER „BÜNDELER”
Die Logik der Bündeler ist wie gesagt
nicht neu: Wie seit 20 Jahren werden
dem Autofahrer attraktivere, schnellere,
breitere Straßen angeboten. Dies ge-
schieht durch den Bau nuer Trassen oder
durch den Ausbau bestehender. Dadurch
soll das sonstige Straßennetz entlastet
werden. Dabei gibt es zwei Varianten.
Die häufigere ist die Entlastung der quar-
tiersinternen Nebenstraßen durch den
weiteren Ausbau der tangierenden Haupt-
verkehrsstraßen. Wo ohnehin schon zig—
tausend Autos am Tage führen, mache
eine zusätzliche Belastung kaum mehr
etwas aus. Wo aber nur wenige hundert
pro Stunde führen, sei es wichtig, die
Verkehrsmenge weiter zu reduzieren.
Denn der Verkehr auf den Hauptver-
kehrsstraßen sei der sicherste und vor
allem der (relativ) Lärmoptimalste. Na-
türlich müßten für die zusätzlichen Ver-
kehrsmengen die tangierenden Hauptver-
kehrsstraßen entsprechend schnellstra-
Benartig ausgebaut werden.
Die andere auf besondere Problemzo-
nen beschränkte Bündelungs—- Variante
ist die Entlastung bestehender Hauptver-
kehrsstraßen, wenn diese angeblich bis
an die Grenze der Kapazität überlastet
seien. In der Regel werden dann völlig
neue, leistungsfähige Schnellstraßen —
neuerdings häufig in Tieflage — vorge-
schlagen, meist autobahnmäßig ausgebaut
und mit Anschluß an das Fernstraßen-
netz. In beiden Fällen wird unterstellt,
daß das neue Verkehrsangebot die Auto-
fahrer von ihren herkömmlichen Wegen
‚„‚weglocke‘” oder ‚„‚wegsauge”’, so daß es
dort zu einer spürbaren Verkehrsminde-
rung komme. Das sei dann die sog. Ver-
kehrsberuhigung.
GEGENARGUMENTE ZUR ÜBLICHEN
BÜNDELUNGSSTRATEGIE
Daß diese in zwei Jahrzehnten Straßen-
planungen immer wieder neu aufgewärm-
te Bündelungasstrategie heute noch Sinn
hat und wirksam ist, muß ernsthaft be-
zweifelt werden. Denn in den Groß-
städten ist der Verkehr ohnehin schon
weitgehend gebündelt: 70 bis 80 % der
Autofahrleistung im Stadtverkehr wer-
den auf Hauptverkehrsstraßen erbracht
(das war übrigens schon früher so, da es
stets eine ausgeprägte Netzhierarchie
gab). Das Phänomen des sog. Schleich-
verkehrs besteht zwar trotzdem an vie-
len Stellen, doch erreicht der Schleich-
verkehr nur auf wenigen, bevorzugten
Schleichwegen quantitativ bedeutsame
Größenordnungen. Generall kann der
Schleichverkehr durch restriktive Ver-
kehrsberuhigungsmaßnahmen (verlangsa
menden Straßenumbau, Netzunterbre-
chung) weit einfacher und wirkungsvol-
'\er bekämpft werden, als durch das An-
gebot neuer oder verbreiteter (Schnell) -
straßen. Die Erfahrungen im Umfeld
neuer Stadtschnellstraßen zeigen: Der
Entlastungseffekt ist angesichts dieser
Ausgangsbedingung meist geringer als
erwartet. Oft verschwindet er — sofern
er überhaupt eintritt — nach kurzer
Zeit wieder. Zudem beschränkt er sich
auf nur wenige Parallelstraßen in direk-
ter Nachbarschaft der neuen bzw. ausge-
bauten Entlastungsstrecken. Dem stehen
auf den Querstraßen erhebliche Ver-
kehrszunahmen gegenüber.
Dagegen ist der verkehrsweckende
Effekt eines systematischen Ausbaus
der Hauptverkehrsstraßen ganz erheb-
lich. Die schneller gemachten Straßen-
verbindungen ermöglichen für viele
Verkehrszwecke mit dem Auto spürba-
re Reisezeitverbesserungen. Das moti-
viert zu verstärktem Umsteigen von
Bussen und Bahnen und von nichtmo-
torisierten Verkehrsmitteln auf das pri-
vate Auto. Hinzu kommt, daß man,
wenn es schneller geht, auch häufiger
mit dem Auto in die neu oder besser
erschlossenen Gebiete fährt. Und die
neuen Schnellstraßen sind massiver
Standortanreiz für stark autoorientierte,
verkehrsstarke Einrichtungen, z.B. Ver-
brauchermärkte. So kommt es zu einer
verstärkten Umorientierung des Ein-
kaufs— und Freizeitverhaltens (... raus
aus dem Quartier, hin in entferntere
Gebiete ...).
Vor allem, wenn durch neue Stadtau
tobahnen ggf. auch noch mit Anschluß
an das Fernstraßennetz, die Autobenut-
zung für Pendler attraktiver gemacht
wird, ist schnell mit weiteren Autover-
kehrsbelastungen zu rechnen (... Wo
man Tauben (Autos) füttert, kommen
immer mehr Tauben ...). Diese neuen
Verkehrsmengen werden schließlich in
ihrer Feinverteilung auch das Nebenstra-
ßennetz zusätzlich belasten. Bestes In-
diz für diesen Mechanismus ist die lang-
fristige Entwicklung der Straßen im
Umfeld neuer Stadtschnellstraßen der
60er und frühen 70er Jahre. Dem Aus-
bau der Schnellstraßen folgte dort häu-
fig der Ausbau der Zubringerstraßen.
In einer nächsten Straßenbauwelle folgt
dann schließlich der Ausbau der anschlie-
ßBenden Verkehrs— und Sammelstraßen.
Selbst die angeblich entlasteten Paral-
lelstraßen wurden häufig weiter ausge-
baut. Nichts also von der Reduzierung
der Autoverkehrsflächen in den angeb-
lich entlasteten Straßen. Statt dessen
flächendeckender Straßenausbau. Noch
gibt es in Deutschland keinen Fall, wo
eine Schnellstraße tatsächlich mit ver-
kehrsberuhigenden Maßnahmen (Lang-
samfahrstrecken, Engpässe, Mischflä-
chen, Schwellen etc.) in den benachbar-
ten Quartieren begleitet wurde. Am En-
de gab es immer mehr Autoverkehrsflä-
chen als vorher. Und folglich auch bald
mehr Autoverkehr.
Und nicht nur mehr, sondern auch
schnelleren. Autobahnverwöhnten, hek-
tischen, aggressiven Autoverkehr mit
höchster Umweltbelastung und größtem
Sicherheitsrisiko. Das gesamte Umfeld
der Schnellstraßen wurde von der dort
freigegebenen Raserei infiziert. Vor al-
lem auf den Zubringerstraßen und de-
ren Querverbindungen fühlen sich die
Autofahrer entweder noch halb auf
der Autobahn oder schon fast auf der
Autobahn. Das wird dann schließlich
auch noch amtlich toleriert durch Schil
der für Tempo 60 oder 70. Wie gesagt:
„Verkehrsberuhigung”’
VERKEHRSBÜNDELUNG IM RAH-
MEN ECHTER VERKEHRSBERUHI-
GUNG .
Wenn Verkehrsbündelung überhaupt
vorgenommen werden soll, dann kann
dies vor dem Hintergrund ernsthafter
Verkehrsberuhigungsstrategien nur
durch Verringerung der Verkehrsflächen
geschehen. Also: Schleichwege werden
durch verkehrsberuhigten Straßenum-
bau oder durch Netzunterbrechung er-
schwert oder unterbunden. Oder: Wo
bisher 5 Hauptverkehrsstraßen parallel
verliefen, werden 3 davon verkehrsbe-
ruhigt umgebaut, so daß nur noch 2
Hauptverkehrsstraßen übrigblieben. Hier
ist die Entlastung nicht Ergebnis vager
Hoffnungen und wird nicht um den
Preis zusätzlicher Autoattraktivität er-
kauft, sondern hier wird bewußt eine
Eindämmung des Autoverkehrs durch
Reduzierung der Verkehrsflächen ange:
strebt. Und die Reihenfolge ist eindeu-
tig so, daß gezielte Verkehrsrestriktio-
nen und Verkehrsberuhigungsmaßnah-
men mit entsprechenden Anreizen zum
Umsteigen auf Bus, Bahn, Fahrrad und
eigene Füße am Anfang stehen. Die Re-
striktion ist nicht Selbstzweck — als
Schikane — sondern Voraussetzung, um
mehr Flächen für Fußgänger, Radfahrer,
Busse und Bahnen zu gewinnen. Ob im
Gefolge solcher Maßnahmen an bestimır
ten Stellen auch weitere Straßenausbau-
ten für den Autoverkehr nötig sind, ist
jeweils im Einzelfall und nach längerer
Laufzeit der Verkehrsberuhigung zu
entscheiden. Denn schließlich sind ja
im Bereich der Kurz- und Mittelstrek-
ken—Autofahrten deutliche Verkehrs-
abnahmen zu erwarten, durch Umstei-
gen auf Bus, Rad und Füße. Diese kön-
nen bis zu einem Drittel der vorherigen
Belastungen ausmachen. Selbst auf den
tangierenden Hauptverkehrsstraßen kann
dadurch u.U. nachher eine geringere Be-
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