Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1979, Jg. 11, H. 43-47, [48])

städtischen Verkehrsprobleme gelöst wer- 
den und die Verkehrsberuhigung selbst 
nicht geringe Probleme aufwirft. 
der Güterfernverkehr mit Vorrang 
durch die DB abgewickelt würde, 
der ÖPNV in Städten und Ballungs: 
räumen tatsächlich mit Priorität 
ausgebaut worden wäre, 
die Verkehrsbedingungen für Fuß- 
gänger und Radfahrer gleichrangig 
mit dem Kfz gefördert worden wären 
und 
® die Höchstgeschwindigkeit für Kfz 
100 oder 120 km/h auf allen Straßen 
betragen würde. 
So stehen wir heute vor dem Ergebnis 
einer beispiellosen, einseitigen Förde- 
rung des Verkehrsmittels „Auto, das 
sich in den Entwicklungen der Motori- 
sierung, der Fahrleistungen und der Kfz- 
Mobilität ausdrückt. 
Diese Entwicklung hat dazu geführt, 
daß die Hauptverkehrsstraßennetze den 
Kfz-Verkehr nicht mehr aufnehmen 
VERKEHRSBERUHIGUNG ALS 
BRUCH BESTEHENDER TRENDS 
BISHERIGER VERKEHRSPOLITIK 
UND VERKEHRSPLANUNG 
Ganz allgemein zielt die Verkehrsberuhi- 
gung darauf ab, die Umweltbelastungen 
durch den Kfz-Verkehr zu reduzieren. 
Dafür kommen Maßnahmen zur räumli- 
chen und sektoralen Umverteilung des 
Gesamtverkehrsaufkommens einer Stadt 
und ihres Umlandes in Betracht. 
30 Jahre Stadtplanung und Verkehrs- 
politik für das Kfz haben den heutigen 
Zustand der Städte und ihres Umlands 
hervorgerufen. Niemand kann sagen, 
wie es heute aussehen würde, wenn 
Unser 
Beitrag 
zur 
Verkehrsberuhigung 
Mehr Lebensqualität 
durch Verkehrsberuhigung — 
aber wie? 
Wir - vom Straßen- 
bauamt des Landes Hes- 
sen - wissen, was wir tun. 
Denn unser Beruf ist es, 
Straßen von übergeord- 
neter Bedeutung zu pla- 
nen und zu bauen. Und die 
Zeit hat uns viel gelehrt 
Wenn wir heute 
Straßen bauen, so folgen 
wir einer nur allzu lauten 
Forderung der Zeit: 
Verkehrsberuhigung. Und 
die ist ohne moderne , 
Umgehungsstraßen nicht 
denkbar. Nicht heute —- 
nicht morgen 
Abgesehen von der 
Bauzeit bringt das Projekt 
den Stadtteilen des Nor- 
dens und Ostens nur Vor- 
teile. Denn der Verkehr 
wird gebündelt auf die 
neuen Straßen gelenkt 
und damit aus dem heu- 
tigen Straßennetz heraus- 
gezogen 
Doch sich auf Lor- 
beeren auszuruhen, war 
für nichts und niemanden 
‚emals das Ideale. Für 
Frankfurt wäre es heute 
als Stadt tödlich. Die alt- 
bekannte Tatsache, daß 
Stillstand einem Rückschritt 
gleichkommt, zeigen das 
Frankfurter Verkehrschaos, 
die Stadtflucht der Bürger 
und die damit verbundene 
Zersiedelung mehr als 
drastisch 
Unsere Kinder 
werden uns dank- 
bar sein. 
Denn was wir heute 
falsch oder gar nicht 
machen, haben unsere 
Kinder und Enkel auszu- 
baden. Die Straßen, die 
wir bauen, sind ein wesent- 
licher Beitrag dazu, daß 
unsere Kinder in Frankfurt 
leben können 
Die Belastung der 
Hauptverkehrsstraßen 
sinkt im Mittel bis auf 
50% des derzeitigen Be- 
lastungsniveaus ab. Diese 
Entlastung kommt mehr 
als 40.000 Einwohnern als 
Anlieger an den Hauptver- 
kehrsstraßen, aber auch 
Anliegern in Seiten- 
straßen, die wir gar nicht 
alle erfaßt haben, zugute. 
In einer bisher einmaligen Aktion wurde im Sommer 1978 versucht, der Frankfurter Bevölke- 
rung weitere Stadtautobahnen schmackhaft zu machen. Hauptargument dabei: Sie sind Voraus- 
setzung für die Verkehrsberuhigung. (Zitate aus ganzseitigen Anzeigen in der Frankfurter 
Presse (z.B. FAZ v. 6.9.78) und aus einem Faltblatt des Hessischen Straßenbauamtes 
Frankfurt/M.) 
konnten und dieser auch untergeordnete 
Wohnstraßen mit benutzte. Das gesamte 
Straßennetz der Städte wurde — unab- 
hängig von der jeweils verschiedenen über- 
wiegenden Funktion der einzelnen Netz- 
teile — als potentielle Straßenverkehrs- 
fläche zur Aufnahme des Kfz-Verkehrs 
betrachtet und entsprechend ausgebaut 
und betrieben. Diese „‚Offenheit’’ eines 
städtischen Straßennetzes, in dem alle 
Straßen und Wege mit allen anderen 
verknüpft sind, fördert die Durchlässig- 
keit der Baugebiete (und eben auch der 
Wohngebiete) auch für den Kfz-Durch- 
gangsverkehr. Beabsichtigt und erreicht 
wurde damit eine flächenhafte Verteilung 
des Kfz-Verkehrs über das Stadtgebiet. 
Schon frühzeitig wäre jedoch zu er- 
kennen gewesen, daß es niemals gelingen 
kann, in städtischen Ballungszentren 
ausreichend Fläche für den fließenden 
und ruhenden Kfz-Verkehr zur Verfü- 
gung zu stellen. Dies beinhaltet die 
Grundannahme, daß in Ballungsgebieten 
die Verkehrsnachfrage im Kfz-Verkehr 
stets größer sein wird als das mögliche 
Verkehrsangebot an Straßenverkehrsan- 
lagen. Dies zeigt sich bereits heute tagtäg- 
lich auf überfüllten Hauptverkehrsstraßen 
und daran, daß Straßenneubau und Stra- 
Renausbau nicht zur Entlastung vorhan- 
dener Straßen, sondern stets zu Mehr- 
verkehr führt. Was aber wird erst sein, 
wenn die restlichen 40% der Haushalte 
in der BRD auch noch über ein Auto 
verfügen können1? Wo wollen diese zu- 
sätzlichen Pkw verkehren oder müssen 
wir für sie noch weitere 40% Straßen 
bauen? 
Aus diesen Überlegungen ist der 
Schluß zu ziehen, daß es zur Verkehrs- 
beruhigung überhaupt keine generelle 
Alternative gibt, die einen Ausweg aus 
der Kfz-verkehrsbedingten städtischen 
Krise eröffnet. 
Diese Krise könnte sich durch eine 
Variante noch verschärfen: Durch die 
Stadt-Umland-Wanderung der Bevölke- 
rung und die dadurch verursachte Flut 
täglicher Kfz-Berufsverkehrspendler- 
ströme. Daraus resultieren Interessen- 
gegensätze in der Verkehrsplanung 
zwischen Stadt und Umland; immer 
mehr Städte sehen sich gezwungen, 
eine Stadtpolitik im Sinne der eigenen 
Stadtbewohner zu betreiben und weh- 
ren sich dann immer entschiedener ge- 
gen Straßenbau und Kfz-Verkehr auf 
ihrem Gebiet und zu ihren Lasten — 
jedoch im Sinne der Umlandbewohner. 
GESAMTSTÄDTISCHE ASPEKTE 
DER VERKEHRSBERUHIGUNG 
Hierarchisierung des Straßennetzes und 
Bündelung der Kfz-Verkehrsströme 
Verkehrsberuhigte städtische Straßen- 
netze basieren auf zwei Grundannah- 
men bzw. Ausgangspositionen, die Im 
Gegensatz zur bisherigen Vorgehens- 
weise in der städtischen Verkehrspla- 
nung stehen: 
1) Es wird versucht, den Kfz-Verkehr 
auf wenigen Straßen zu bündeln, | 
statt ihn möglichst gleichmäßig flä- 
,£
	        

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