Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1979, Jg. 11, H. 43-47, [48])

EIN EXPERIMENT MIT MODELL- 
BAUKÄSTEN 
Für die Zusammenarbeit mit diesen In- 
stitutionen und für die Verbreitung die- 
ses Instrumentariums sind wir deshalb 
gegenwärtig an der Entwicklung von 
Modellbausystemen, die mit wenig Auf- 
wand und durch jedermann erstellbar 
sind. Damit sollen unterschiedliche 
Situationen nachgebaut werden kön- 
nen, um diese mit handelsüblichem 
Modellmaterial zu bearbeiten 13. Der 
Sinn dieser Modellbaukästen liegt in 
der Vereinfachung der statischen und 
fotografischen Probleme und soll da- 
mit zur Kostensenkung und Aufwands- 
verringerung des Modellbaues beitragen 
Vor allem soll das ganze Instrumenta- 
rium durch einfaches Montieren und 
Demontieren zu einem so handlichen 
Paket verkleinerbar sein, daß es:auch 
im Transport mit Planrollen konkurrie- 
ren kann. 
ABER NOCH IST ES EIN WEITER 
WEG BIS NACH GÖTEBORG 
Beteiligter Bürger zu sein ist kein Lebens- 
job. Es ist ein zeitlich und inhaltlich 
unterschiedlich starkes Engagement zur 
Verbesserung der eigenen Lebensbedin- 
gungen und in Kontakt zu anderen 
Leuten. Daraus entstehen spontane 
Aktivitäten, deren Bedeutung für eine 
sich bildende zwischenmenschliche 
Beziehung wächst, wenn die angestreb- 
ten Veränderungen erreicht werden 
können. Aber genau dafür fehlt mei- 
stens nicht nur die Legitimation, son- 
dern auch das Geld. 
An dieser Stelle mitzuhelfen wäre 
die Aufgabe einer tatsächlich ‚‚,bürger- 
nahen Verwaltung”, durch die Bürger- 
aktivitäten unterstützt und nicht ver- 
eitelt würden. Entsprechend der etwas 
fragwürdigen Alternativenbank „Netz- 
werk’, müßte die Verwaltung in der 
Lage sein, solche Bürgeraktivitäten als 
Sondertatbestände kurzfristig zu akzep- 
tieren und zu finanzieren. 
Aber weit davon entfernt ist die ge- 
genwärtige Verwaltungsstruktur sogar 
unfähig dazu, kurzfristig auf ein sol- 
ches Begehren einzugehen. Das ist schon 
aus haushaltstechnischen Gründen nur 
sehr bedingt möglich, ganz abgesehen 
von der längst unverrückbar gewordenen 
Vergabestruktur der Haushaltsvolumen. 
Um diese spontanen Bürgeraktionen 
haushaltsgerecht zu planen, müßten 
die erforderlichen Mittel als Haushalts- 
titel zwei Jahre im Voraus angemeldet 
werden. Bis dann aber haben sich die 
meisten Interessierten schon wieder 
aus Resignation oder Interessensverlage- 
rung zurückgezogen. Kommt nach ein 
paar Jahren dann doch noch Geld, kann 
keiner mehr damit was anfangen und 
liefert damit noch die Begründung, 
warum eine solche Finanzierung 
herausgeworfenes Geld sei. 
Und weil diese Aktionen sowieso 
keine legalisierten Verhandlungspart- 
ner sind, werden sie je nach Behörden- 
laune entweder mit ein paar hundert 
Mark gestopft oder kriminalisiert. So be- 
kommt die eine Initiative die Material- 
kosten für ein Straßenmodell erstattet, 
während eine andere Initiative die Ent- 
fernung einer kleinen Schnecke bezah- 
len muß, die sie auf die Straße gemalt 
hat. Die einen kriegen tausend Mark 
und die anderen müssen tausenddrei- 
hundert blechen und das alles in der 
selben Stadt. 
Solange jede spontane Bürgeraktion ille- 
gal ist und von finanziellen Unterstüt- 
zungen haushaltstechnisch ausgeschlos- 
sen bleibt, ist auch die Entfremdung zwi- 
schen der Bauverwaltung und diesen Ini- 
tiativen unüberbrückbar. Erst ein schnel- 
les und unbürokratisches Reagieren der 
Behördenvertreter, wie es bemerkenswer- 
terweise auch in Berlin an einigen Stellen 
geschieht, würde diese gegenseitige Skep- 
sis etwas abbauen können. Eine Legiti- 
mation der entstehenden Initiativen 
könnte dann auch dadurch gefördert 
werden, indem die Akzeptanz nicht von 
einem institutionalisierten Organisations- 
form mit Quorum und Vorstand ab- 
hängig gemacht würde. Auch das manch- 
mal angebotene Vetorecht für die Bür- 
gerinitiativen verkennt, daß die Bürger- 
initiativen meistens an sich ein Veto 
gegen die Planungsverwaltungen dar- 
stellen. 
Ein weiteres Problem sind die nach 
den Planungsgesetzen notwendigen Pla- 
nungsdarstellungen. Sie entsprechen in 
keiner Weise der ungeschulten räumlichen 
Vorstellungskraft der Braucher. Für eine 
braucherorientierte Planung sind an- 
schaulichere Darstellungsmethoden un- 
umgänglich. 
Selbstverständlich haben wir nicht 
die Illusion, daß die Laien aufgrund 
eines anschaulicheren Planungsinstru- 
mentariums gleich fähig wären, selber 
zu planen und zu entwerfen. Dazu be- 
darf es einer qualifizierten Beratung zur 
Planungs- und Gruppenarbeit. Die Auf- 
gabe dieser Berater beschränkt sich also 
nicht nur auf das Entwerfen und Planen, 
sondern umfaßt auch die Förderung der 
Beziehungen der Beteiligten untereinan- 
der. Für diese Berater wären folglich 
Qualifikationen sinnvoll, womit sie auf 
Vorteile und Probleme von verschiede- 
nen Lösungen hinweisen könnten, aber 
darüber hinaus noch in der Lage sind, 
den Gruppenprozeß des gemeinsamen 
Planens zu betreuen. 
Vorerst abschließend bleibt noch 
das Problem der fehlenden Kontinuität 
zu erwähnen. Manch eine Bürgerinitiati- 
ve hat sich schon zu einem Quartiersfest 
so weit aufgeblasen, daß sie zwangsläu- 
fig nach dem Fest zusammenfallen muß- 
te. Aber auch ganz allgemein ist zu be- 
obachten, daß viele Bürgerinitiativen 
nicht sehr ausdauernd arbeiten. Dafür 
gibt es sehr unterschiedliche Gründe, 
wie Interessensverlagerungen, Frustratio- 
nen in der Gruppe und über die Erfolgs- 
losigkeit der Initiative, Arbeitsüberla- 
stung und inhaltliche Konflikte. Bürger, 
die seit Jahrzehnten auf die Kleinfamilie 
fixiert sind, haben nun verständlicher- 
weise Verhaltensschwierigkeiten in 
einer Gemeinschaft. Woher sollen sie 
das auch plötzlich gelernt haben, wo 
selbst die Gruppenarbeit in den Univer- 
sitäten bis heute noch nicht funktio- 
niert. 
Bürgerinitiativen brauchen deshalb 
eine kontinuierliche Betreuung von ge- 
schulten Beratern, deren Tätigkeit auch 
bezahlt wird. Ehrenamtliche Berater, 
ob nun Studenten oder politisch enga- 
gierte Planer, verfügen meistens nicht 
über jene Standhaftigkeit, auch eine Kri- 
se durchzustehen, um die Kontinuität 
zu gewährleisten. Aber Kontinuität ist 
die Zauberformel für eine Zusammenar- 
beit, die nicht nur Objekte, sondern vor 
allem zwischenmenschliche Beziehungen 
schaffen soll. 
Aber noch ist es ein weiter Weg bis 
nach Göteborg, wo eine ganze Siedlung 
durch die Braucher 14 selbst geplant 
und entworfen wurde. Und das waren 
keine architekturkundigen Mittel- 
schichtsintellektuellen, sondern ganz 
normale wohnungssuchende Angestellte 
mit Familien. Diese Siedlung steht 
und ihre Bewohner kennen sich nicht 
nur als Nachbarn vom Sehen, sondern 
durch die gemeinsame Zusammenarbeit 
an ihren Häusern und ihrer Wohnumge- 
bung. Verkehrsberuhigung ist dort nur 
ein Teilaspekt einer gemeinsam geplan- 
ten und entworfenen Umwelt, genauso 
wie einst jene Delfter Bürger ans Werk 
gingen, 
Anmerkungen 
1)Monheim, H.: Verkehrsberuhigung — von 
verkehrstechnischen Einzelmaßnahmen 
zum städtebaulichen Gesamtkonzept. 
In: „Städtebauliche Forschung‘ des Bun- 
desministeriums für Raumordnung, Bau- 
wesen und Städtebau 03.071 1979. 
2)PFUND, K., MEEWES, V., MAIER, R. u.a.: 
Verkehrsberuhigung in Wohngebieten. 
Hrsg.: Der Minister des Landes Nord- 
rhein-Westfalen und Beratungsstelle f. 
Schadensverhütung des HUK. 
3) Verkehrsentwicklungsplan (VEP) Bericht, 
Materialien und Gutachten zur Verkehrs- 
beruhigung 1978, hrsg. vom Senator 
f. Bau- und Wohnungswesen, Berlin. 
4) Thesenpapier zum Fachseminar ‚‚Wohn- 
umfeldverbesserung durch Verkehrsbe- 
ruhigung”’, Arbeitsgruppe Bürgerbeteili- 
gung, hrsg. Bundesministerium für Raum- 
ordnung, Bauwesen und Städtebau 1979. 
5) KUHNERT, N., ZWOCH, F. u.a.: Pro- 
jektgruppe „Lehrbauspiele’, Aachen, in: 
ARCHT”, Heft 30, 1976. 
5) OLIVEGREN, J., STAKKESTAD, |., 
Brukarplanering FFNS Gruppens Förlag 
Göteborg 1975. 
7) BANNWART, E. u.a.: Stadtbauspiel 
Hildegardstraße, Maßnahmenkatalog, 
i.A. des Senators für Bau- und Wohnungs- 
wesen, Berlin 1977. 
8) DIETER, R., REINBORN, D., SCHAL- 
LER, T., Bewohner planen für ihren 
Stadtteil , in: Bauwelt, H. 27/76. 
3) BANNWART, E. u.a.: Viktoria-Luise- 
Platz, Verkehrsberuhigung und stadt- 
räumliche Qualitätsverbesserung, i.A. 
des Senators für Bau- und Wohnungswe- 
sen, Berlin 1978. 
10) DYCKHOFF, C., GUGGENTHALER, 
H., TIMMERMANN, O.: Stadtrepara- 
tur wird nicht von oben verordnet. In: 
neue heimat, Monatshefte 1/2, 1979. 
11) OLIVEGREN .J. aa0 
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