EIN EXPERIMENT MIT MODELL-
BAUKÄSTEN
Für die Zusammenarbeit mit diesen In-
stitutionen und für die Verbreitung die-
ses Instrumentariums sind wir deshalb
gegenwärtig an der Entwicklung von
Modellbausystemen, die mit wenig Auf-
wand und durch jedermann erstellbar
sind. Damit sollen unterschiedliche
Situationen nachgebaut werden kön-
nen, um diese mit handelsüblichem
Modellmaterial zu bearbeiten 13. Der
Sinn dieser Modellbaukästen liegt in
der Vereinfachung der statischen und
fotografischen Probleme und soll da-
mit zur Kostensenkung und Aufwands-
verringerung des Modellbaues beitragen
Vor allem soll das ganze Instrumenta-
rium durch einfaches Montieren und
Demontieren zu einem so handlichen
Paket verkleinerbar sein, daß es:auch
im Transport mit Planrollen konkurrie-
ren kann.
ABER NOCH IST ES EIN WEITER
WEG BIS NACH GÖTEBORG
Beteiligter Bürger zu sein ist kein Lebens-
job. Es ist ein zeitlich und inhaltlich
unterschiedlich starkes Engagement zur
Verbesserung der eigenen Lebensbedin-
gungen und in Kontakt zu anderen
Leuten. Daraus entstehen spontane
Aktivitäten, deren Bedeutung für eine
sich bildende zwischenmenschliche
Beziehung wächst, wenn die angestreb-
ten Veränderungen erreicht werden
können. Aber genau dafür fehlt mei-
stens nicht nur die Legitimation, son-
dern auch das Geld.
An dieser Stelle mitzuhelfen wäre
die Aufgabe einer tatsächlich ‚‚,bürger-
nahen Verwaltung”, durch die Bürger-
aktivitäten unterstützt und nicht ver-
eitelt würden. Entsprechend der etwas
fragwürdigen Alternativenbank „Netz-
werk’, müßte die Verwaltung in der
Lage sein, solche Bürgeraktivitäten als
Sondertatbestände kurzfristig zu akzep-
tieren und zu finanzieren.
Aber weit davon entfernt ist die ge-
genwärtige Verwaltungsstruktur sogar
unfähig dazu, kurzfristig auf ein sol-
ches Begehren einzugehen. Das ist schon
aus haushaltstechnischen Gründen nur
sehr bedingt möglich, ganz abgesehen
von der längst unverrückbar gewordenen
Vergabestruktur der Haushaltsvolumen.
Um diese spontanen Bürgeraktionen
haushaltsgerecht zu planen, müßten
die erforderlichen Mittel als Haushalts-
titel zwei Jahre im Voraus angemeldet
werden. Bis dann aber haben sich die
meisten Interessierten schon wieder
aus Resignation oder Interessensverlage-
rung zurückgezogen. Kommt nach ein
paar Jahren dann doch noch Geld, kann
keiner mehr damit was anfangen und
liefert damit noch die Begründung,
warum eine solche Finanzierung
herausgeworfenes Geld sei.
Und weil diese Aktionen sowieso
keine legalisierten Verhandlungspart-
ner sind, werden sie je nach Behörden-
laune entweder mit ein paar hundert
Mark gestopft oder kriminalisiert. So be-
kommt die eine Initiative die Material-
kosten für ein Straßenmodell erstattet,
während eine andere Initiative die Ent-
fernung einer kleinen Schnecke bezah-
len muß, die sie auf die Straße gemalt
hat. Die einen kriegen tausend Mark
und die anderen müssen tausenddrei-
hundert blechen und das alles in der
selben Stadt.
Solange jede spontane Bürgeraktion ille-
gal ist und von finanziellen Unterstüt-
zungen haushaltstechnisch ausgeschlos-
sen bleibt, ist auch die Entfremdung zwi-
schen der Bauverwaltung und diesen Ini-
tiativen unüberbrückbar. Erst ein schnel-
les und unbürokratisches Reagieren der
Behördenvertreter, wie es bemerkenswer-
terweise auch in Berlin an einigen Stellen
geschieht, würde diese gegenseitige Skep-
sis etwas abbauen können. Eine Legiti-
mation der entstehenden Initiativen
könnte dann auch dadurch gefördert
werden, indem die Akzeptanz nicht von
einem institutionalisierten Organisations-
form mit Quorum und Vorstand ab-
hängig gemacht würde. Auch das manch-
mal angebotene Vetorecht für die Bür-
gerinitiativen verkennt, daß die Bürger-
initiativen meistens an sich ein Veto
gegen die Planungsverwaltungen dar-
stellen.
Ein weiteres Problem sind die nach
den Planungsgesetzen notwendigen Pla-
nungsdarstellungen. Sie entsprechen in
keiner Weise der ungeschulten räumlichen
Vorstellungskraft der Braucher. Für eine
braucherorientierte Planung sind an-
schaulichere Darstellungsmethoden un-
umgänglich.
Selbstverständlich haben wir nicht
die Illusion, daß die Laien aufgrund
eines anschaulicheren Planungsinstru-
mentariums gleich fähig wären, selber
zu planen und zu entwerfen. Dazu be-
darf es einer qualifizierten Beratung zur
Planungs- und Gruppenarbeit. Die Auf-
gabe dieser Berater beschränkt sich also
nicht nur auf das Entwerfen und Planen,
sondern umfaßt auch die Förderung der
Beziehungen der Beteiligten untereinan-
der. Für diese Berater wären folglich
Qualifikationen sinnvoll, womit sie auf
Vorteile und Probleme von verschiede-
nen Lösungen hinweisen könnten, aber
darüber hinaus noch in der Lage sind,
den Gruppenprozeß des gemeinsamen
Planens zu betreuen.
Vorerst abschließend bleibt noch
das Problem der fehlenden Kontinuität
zu erwähnen. Manch eine Bürgerinitiati-
ve hat sich schon zu einem Quartiersfest
so weit aufgeblasen, daß sie zwangsläu-
fig nach dem Fest zusammenfallen muß-
te. Aber auch ganz allgemein ist zu be-
obachten, daß viele Bürgerinitiativen
nicht sehr ausdauernd arbeiten. Dafür
gibt es sehr unterschiedliche Gründe,
wie Interessensverlagerungen, Frustratio-
nen in der Gruppe und über die Erfolgs-
losigkeit der Initiative, Arbeitsüberla-
stung und inhaltliche Konflikte. Bürger,
die seit Jahrzehnten auf die Kleinfamilie
fixiert sind, haben nun verständlicher-
weise Verhaltensschwierigkeiten in
einer Gemeinschaft. Woher sollen sie
das auch plötzlich gelernt haben, wo
selbst die Gruppenarbeit in den Univer-
sitäten bis heute noch nicht funktio-
niert.
Bürgerinitiativen brauchen deshalb
eine kontinuierliche Betreuung von ge-
schulten Beratern, deren Tätigkeit auch
bezahlt wird. Ehrenamtliche Berater,
ob nun Studenten oder politisch enga-
gierte Planer, verfügen meistens nicht
über jene Standhaftigkeit, auch eine Kri-
se durchzustehen, um die Kontinuität
zu gewährleisten. Aber Kontinuität ist
die Zauberformel für eine Zusammenar-
beit, die nicht nur Objekte, sondern vor
allem zwischenmenschliche Beziehungen
schaffen soll.
Aber noch ist es ein weiter Weg bis
nach Göteborg, wo eine ganze Siedlung
durch die Braucher 14 selbst geplant
und entworfen wurde. Und das waren
keine architekturkundigen Mittel-
schichtsintellektuellen, sondern ganz
normale wohnungssuchende Angestellte
mit Familien. Diese Siedlung steht
und ihre Bewohner kennen sich nicht
nur als Nachbarn vom Sehen, sondern
durch die gemeinsame Zusammenarbeit
an ihren Häusern und ihrer Wohnumge-
bung. Verkehrsberuhigung ist dort nur
ein Teilaspekt einer gemeinsam geplan-
ten und entworfenen Umwelt, genauso
wie einst jene Delfter Bürger ans Werk
gingen,
Anmerkungen
1)Monheim, H.: Verkehrsberuhigung — von
verkehrstechnischen Einzelmaßnahmen
zum städtebaulichen Gesamtkonzept.
In: „Städtebauliche Forschung‘ des Bun-
desministeriums für Raumordnung, Bau-
wesen und Städtebau 03.071 1979.
2)PFUND, K., MEEWES, V., MAIER, R. u.a.:
Verkehrsberuhigung in Wohngebieten.
Hrsg.: Der Minister des Landes Nord-
rhein-Westfalen und Beratungsstelle f.
Schadensverhütung des HUK.
3) Verkehrsentwicklungsplan (VEP) Bericht,
Materialien und Gutachten zur Verkehrs-
beruhigung 1978, hrsg. vom Senator
f. Bau- und Wohnungswesen, Berlin.
4) Thesenpapier zum Fachseminar ‚‚Wohn-
umfeldverbesserung durch Verkehrsbe-
ruhigung”’, Arbeitsgruppe Bürgerbeteili-
gung, hrsg. Bundesministerium für Raum-
ordnung, Bauwesen und Städtebau 1979.
5) KUHNERT, N., ZWOCH, F. u.a.: Pro-
jektgruppe „Lehrbauspiele’, Aachen, in:
ARCHT”, Heft 30, 1976.
5) OLIVEGREN, J., STAKKESTAD, |.,
Brukarplanering FFNS Gruppens Förlag
Göteborg 1975.
7) BANNWART, E. u.a.: Stadtbauspiel
Hildegardstraße, Maßnahmenkatalog,
i.A. des Senators für Bau- und Wohnungs-
wesen, Berlin 1977.
8) DIETER, R., REINBORN, D., SCHAL-
LER, T., Bewohner planen für ihren
Stadtteil , in: Bauwelt, H. 27/76.
3) BANNWART, E. u.a.: Viktoria-Luise-
Platz, Verkehrsberuhigung und stadt-
räumliche Qualitätsverbesserung, i.A.
des Senators für Bau- und Wohnungswe-
sen, Berlin 1978.
10) DYCKHOFF, C., GUGGENTHALER,
H., TIMMERMANN, O.: Stadtrepara-
tur wird nicht von oben verordnet. In:
neue heimat, Monatshefte 1/2, 1979.
11) OLIVEGREN .J. aa0
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