A C
f Satire
Kein schöner Land
in dieser Zeit ...
Erfindung des „Stadthauses“
Kanzler und Wohnungsminister beim
Privatissimum. Helmut zu Dieter:
„Deine Etat-Erhöhung ist nicht drin.
Die Republik hat wichtigere Aufga-
ben: die nächste Serie Abwehr-
Kampfflugzeuge ist fällig. Mit ganz
neuer elektronischer Ausstattung.”
Der Kanzler gerät ins Meditie-
ren: „Wunderwerke. Perfekt. Mein
Urgroßvater selig hätte geblaubt,
wenn er sie sehen könnte, der hei-
lige Geist sei da tätig gewesen.”
Der Wohnungsbau-Minister
nickt: „Aber was mache ich denn? ”
„Das ist dein Bier, wozu bist du
Minister! Laß dir was einfallen, was
kein Geld kostet!”
„Das hat mein Vorgänger ständig
machen müssen, ich dachte, das
hört endlich auf.”
Der Kanzler wird böse: „Du bist
doch kein Dilettant. Was meinst du,
warum ich dich als Minister geholt
habe, doch nicht, damit du Geld
verbrätst.”
Der Minister fährt zusammen:
„In Gottes Namen.”
Der Kanzler mosert: „Willy hat
uns das eingebrockt ...”
„Was? ”
„-.. daß die Leute begehrlich ge-
worden sind. Der alte Krupp hat
schon gesagt ... ach nee, vergiß das
mit dem alten Krupp; das hat er der
Sozialdemokratie vorgeworfen ...”
„Was? ”
„... daß die Leute begehrlich
werden.”
Pause. Der Kanzler scharf: „Also,
Dieter, machs so gut wie der Karl
vor dir — setz ein kluges Gesicht
auf, häng den Minister raus und sag
den Leuten was, was uns nichts
kostet. Wir haben doch schon ne
Menge von dem Zeug gehabt, was
wir als Neuheit, als sozialdemokra-
tische Erfindung, als Fortschritt,
meinetwegen auch als Menschheits-
beglückung verkauft haben — „Attrak
tivität der Innenstadt”, „Stadtbild”,
„Urbanität”, „Modernisierung” —
Junge, dir fällt schon ein Spruch
ein, du hast doch Wahlkampfstrai-
ning.” — Pause. —
Der Minister vorsichtig: „Wie wärs
mit „Stadthäusern”? ”
Der Kanzler: „Müßte zünden. Mit
dem Spruch gehst du zum Wild und
ziehst eine Werbung auf. Stadthäu-
ser für die Jugend ... Stadthäuser für
Alte... Stadthäuser für Arme ... Stadt:
häuser für Reiche, Juden, Christen,
Heiden, Neger, Araber, Wohlstand ist
für alle da, sagte schon einer meiner
Ver-Kanzler. — Honig im Kopf.
Kann sich jeder was bei denken.
Fehlt eigentlich nur noch eine
Schnulze von Udo Jürgens. Ist der
eigentlich in der Partei? ”
Vier Monate später. Die Deister-
Weser-Zeitung fragt einen Städte-
baukundigen, den Prof. Friedrich
Spengelin, Mitglied des Nationalen
Städtebau-Rates beim Bundesmini-
ster, was das „Stadthaus’”’ beinhalte,
Prof. Spengelin: „Das ist eine Er-
findung dieses Jahres. Auch die Ex-
perten sind sich im einzelnen noch
nicht im klaren, wie das Stadthaus
der heutigen Zeit ... aussehen soll.
Die Literatur darüber fällt ebenfalls
unterschiedlich aus” (27.9.1978;
authentisches Zitat)
U PT {
An N
Rheinpreussen gerettet!
Irma Langemeier und Margret Jako-
pitsch brachen in Tränen aus. Sie konn-
ten es nicht fassen: Die hungerstreiken-
den Rheinpreussen-Arbeiter hatten ge-
wonnen — die Stadt Duisburg kauft der
BHF-Bank die Arbeiter-Siedlung ab.
Als Josef Kun inmitten eines Filzes
von Geld, Politik und Verwaltung 1973
pleite ging, trug nicht der Unternehmer
das Risiko, sondern die 500 Familien
der Rheinpreussen-Siedlung in Duis-
burg-Homberg. Ihre Grundstücke, die
in die Konkursmasse eines der größten
deutschen Bau-Skandale gerieten, hat-
ten dort nicht etwa ihren realen Boden:
wert, sondern den Wert der immens
hohen spekulativen Beleihung in Er-
wartung neuer Hochhausbauten.
Die Bank, die „nur ihr Geld wieder-
haben wollte” (Bankdirektor Schenk)
plante zunächst den Abriß der Arbei-
terhäuser und die Neubebauung mit
Bungalows für reiche Leute.
Als dies mit einer der Stadt abge-
zwungenen Erhaltungs- und Gestal-
tungssatzung abgewendet werden konn-
te, begann die Bank, die Häuser einzeln
versteigern zu lassen.
Mehrere Mahnwachen und drei (!)
Hungerstreiks zwangen die Politiker
schließlich dazu, die Siedlung zu kau-
fen.
Die Duisburger Stadtverwaltung
hatte die Arbeiter vier Jahre lang ausge-
trickst. Plötzlich entdeckten die Juri-
sten, daß die sozialliberale Koalition
beim Städtebauförderungsgesetz allzu
bankenhörig gewesen war: bei Konkurs
gibt es kein städtisches Vorverkaufs-
recht. Die Stadt weigerte sich längere
Zeit sogar, trotz 85prozentiger Subven-
tion mit Städtebauförderungsmitteln,
die Siedlung zu erwerben.
Während die Arbeiterfamilien Tag
um Tag, getragen von einer Welle der
Solidarität, Sympathie und Publizität
vor dem Rathaus hungerten, fielen
Kaufinteressenten in die Siedlung ein
und tyrannisierten die Mieter in Scha-
ren.
Der 66jährige hungerstreikende Ste-
fan Lichtrauter verlor sein Haus an
einen Fabrikanten, der gleich vier Woh-
nungen zu einer machen will.
Der harte, aber erfolgreiche Rhein-
preussen-Kampf stellt einen absoluten
Höhepunkt in der Geschichte der Woh-
nungsfrage nach 1945 dar. Er sollte uns
allen Mut machen.
Roland Günter
AR
WS
Josef Konn
X
w