Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1979, Jg. 11, H. 43-47, [48])

kein förmliches Verhalten. Denn: das 
Draußen wird nicht als etwas Gegensätz- 
liches empfunden, sondern als Verlänge- 
rung des ‘rrenraumes. 
Es bietet Schutz vor Wind und Regen. 
Im Sommer ist es ein wirksamer Schat- 
tenspender. 
Wegen der Wettersicherheit wächst die 
Neigung, unter ihm Gegenstände abzu- 
stellen. Dementsprechend ist die „,M6ö- 
blierung’” umfangreicher als üblich. 
Wenn neben Sitzmöglichkeiten auch 
Tische aufgestellt werden, kann man 
diesen überdeckten Raum bei guter 
Witterung auch für Tätigkeiten benut- 
zen, die sonst nur im Innenbereich der 
Wohnung erledigt werden (z.B. für Re- 
paraturen, bestimmte Hausarbeiten, 
Gespräche). 
Diese Tätigkeiten werden für andere 
Leute einsehbar und bieten Anknüp- 
fungspunkte für Kontaktaufnahme zu 
den vorbeikommenden Nachbarn. 
Im Gegensatz zur Terrasse hinter dem 
Haus wird der Wohnraum in Richtung 
Öffentlichkeit erweitert. 
Vordächer reizen auch zum Aufent- 
halt, wenn sie vor Anschlagtafeln, vor klei- 
nen Läden, vor Gebäuden mit gemeinsa- 
men Nutzungen (z.B. Volks- und Kinder- 
häusern) angebracht sind. 
angebracht sind, wird ein Brett gelegt, 
ein weiteres an der Wand als Rücken- 
lehne angebracht. 
Material: warm (Holz), stabil (Eisen- 
stangen), wetterbeständig (Anstrich). 
Beispiele: Alle Bauernhäuser haben seit Urzei- 
ten eine Bank vor dem Haus, aber auch Bürger. 
häuser in Altstädten (z.B. Ladenburg/Neckar). 
Außerdem: Arbeitersiedlungen im Ruhrgebiet. 
Der avantgardistische Architekt J.J.P. Oud 
legt in seinen Einfamilien-Reihenhäusern der 
Stuttgarter Werkbund-Ausstellung (Weißenhof- 
Siedlung) 1927 an der Rückseite der Häuser 
neben der Tür jeweils eine Bank aus Beton an. 
(1.10) 
TREPPE 
(1.5) 
Treppen vermitteln vom Innenraum zum 
Außenraum; und umgekehrt. Die Benutz- 
barkeit der Treppenstufen ist von der Ver- 
fügbarkeit über den Eingang abhängig. 
2» Wo ständig viele Leute durchlaufen 
(z.B. in mehrgeschossigen Häusern), 
wird es zur Belästigung für alle, wenn 
sich z.B. Kinder auf die Stufen 
setzen. 
Gehören die Stufen zu einer einzigen 
Wohnung, kann man beobachten, daß 
Kinder hier häufig und intensiv spie- 
len. Aus diesem Grunde sind Mehrfa- 
milienhäuser, z.B. im Kreuzgrundriß, 
mit vier Eingängen zu ebener Erde und 
Maisonnette-Wohnungen (in zwei Eta- 
gen) dem Mehrgeschoßbau vorzuziehen. 
Der Gebrauchswert der Treppe hängt 
nicht von der Aufwendigkeit der Gestal- 
tung ab. Im Gegenteil. Oft reizen selbst- 
angelegte Treppen am ehesten zur Be- 
nutzung. 
Früher hatten die meisten Häuser Trep- 
pen — meist mit einem Podest und 
Sitzmöglichkeiten kombiniert (Bei- 
schlag). 
Die Stufen einer Treppe bieten Anreiz für N 
verschiedene Bewegungsmöglichkeiten: Einfallslose Fassaden können durch Blu- 
Steigen, Hüpfen, Springen, Stehen, Sitzen, men aufgelockert und interessanter ge- 
Liegen. Sie haben also viele Funktionen macht werden. Möglichkeiten: 
(Multifunktionalität). Kinder benutzen ® Blumenkästen vor den Fenstern. 
sie häufig als Bank oder als Tisch. ® Blumenschalen über der Tür. 
Das Stehen auf einer Stufe erhöht ® Blumentöpfe am Rande von Treppen- 
— unterbewußt — auch das Selbstbewußt- stufen. Beispiel: Geranien am Gitter 
sein. Dies kann lustvoll genossen werden. entlang (z.B.in Italien). 
Beispiele: Historische Altstädte, mittelmeerische @ Blumentöpfe auf dem Boden entlang 
Orte, Arbeitersiedlungen. der gesamten Hausfront. Beispiel: 
Italien. 
Vor der Fassade werden neben dem 
Eingang einige Steine herausgenom- 
men und Blumen eingepflanzt. Bei- 
spiel: Niederlande. 
Das Fenster durchbricht die Wand und 
stellt dadurch eine Verbindung zwischen 
dem Innen- und dem Außenraum dar. 
In welchem Umfang dies geschieht, hängt 
ab 
® 
von der jeweiligen Lage (im Erdgeschoß. 
in den unteren Obergeschossen oder in 
oberen Obergeschossen), 
von seiner Gestalt (Größe, Form, Rah- 
mung, Art des Glases) 
und von seiner „„‚Möblierung’’ mit Ge- 
genständen (Gardinen, Blumen, Ausge- 
hängtes). 
Fenster in höheren Geschossen ermöglichen 
lediglich Sichtbeziehungen, in unteren Ober- 
geschossen allenfalls noch Rufkontakt. 
Fenster zu ebener Erde ermöglichen 
® Sichtbeziehungen, 
® Sprechkontakt, 
9 die Teilnahme am Außenraum ein- 
schließlich des Greifens (Händeschütteln, 
etwas herausreichen u.a.). 
Die Bewohner können sich dadurch als 
Teilnehmer des Geschehens im Außen- 
raum fühlen. 
Der Innenraum ist für den Bewohner 
aus mehreren Gründen ein Bereich der 
Geborgenheit: Eigenverfügung, kleiner 
Maßstab, Vertrautheit, Rückzugsmöglich- 
keit. 
Tiefenpsychologisch wirkt er als 
„Höhle””, 
Das Fenster ist (ebenso wie die Tür) 
die Nahtstelle zur Außenwelt. Die „Höh- 
le’’ im Rücken, kann der Bewohner sich 
sicher fühlen. Diese Sicherheit reduziert 
unterbewußte Ängste. Angstarmut ist 
die Voraussetzung für eine Kontaktauf- 
nahme. 
Die unkomplizierte Form der Kontakt 
aufnahme vom Fenster aus ist besonders 
wichtig für 
® alte Leute, denen das Laufen schwer 
fällt, 
e für Gehbehinderte und Kranke. 
®e Auch Kinder benutzen das Fenster 
häufig. 
e Kleinkinder können beim Spiel im 
Freien durch das niedrig liegende 
Fenster schnell Kontakt zur Mutter 
aufnehmen und sich auf diese Weise 
Rat und Bestätigung sowie Anregung 
holen. 
Umgekehrt haben Mütter dadurch 
Gelegenheit, die Kinder mühelos zu 
beaufsichtigen, ohne gezwungen zu 
sein, mit ihnen stundenlang gemein- 
sam im Freien zu verbringen. 
In niederländischen Städten liegen die 
Fenster meist sehr niedrig, sind sehr groß 
und haben keine Gardinen und Jalousien, 
Die Wohnungen werden dadurch zu einer 
Beispiele: Krupp-Siedlungs-Planungen in Essen, 
Bochum, Duisburg-Rheinhausen (nach engli- 
schen Vorbildern). Schwedische Bauernhäuser, 
Überdachte Loggien. 
Es ist kaum faßbar, daß bislang nahezu 
alle Wohnungsgesellschaften in ihren Ge- 
schoßbauten auch die Erdgeschosse mit 
Balkonen ausstatteten, statt sie direkt 
an den Freiraum anzuschließen: mit 
einer kleinen Treppe. Diese Maßnahme Die Bank neben der Tür oder auf dem 
läßt sich jedoch sehr einfach und billig Wohnweg hat eine andere Funktion als 
nachholen. die Bank im privaten Garten oder im öf- 
Wo die Wohnungseigentümer es nicht fentlichen Park. Das Sitzen auf der Bank 
selbst tun und auf Aufforderung nicht rea- in diesem Zwischenbereich bedeutet: 
gieren, sollten die Mieter sich diese Treppe ® Eine Erweiterung des Wohnraumes in 
selbst anlegen, d.h. sich den Freiraum an- den halböffentlichen Raum der Nach- 
eignen und den Bereich davor nach eige- barschaft 
nen Bedürfnissen gestalten. und ist damit unterschwellig immer 
Auch die Wohnungen im ersten Oberge- eine Aufforderung zur Kontaktnahme 
schoß von Miethäusern kann man über eine oder zum Plausch mit Vorbeikommen- 
Treppe an den Freiraum anbinden. Damit den. 
gewinnen sie näherungsweise die Qualität ® Wer neben seiner Tür sitzt, ist zwar 
von Einfamilien-Reihenhäusern. einerseits immer noch ein bißchen 
Diese günstig zum Freiraum liegenden „„Türwächter”’, sucht aber andererseits 
Wohnungen dürfen nur an Familien mit auch häufig das Gespräch mit seinen 
Kindern gegeben werden — d.h. die Woh- Nachbarn. 
nungsbelegung muß gesteuert werden. e Von der Bank aus kann man das Ge- 
Beispiele: Gründerzeit-Häuser. B Di schehen um sich herum beobachten. 
Häuser Delft. „Häuser, Bonn. Diagoon- gg Alte Leute fühlen sich „mittendrin””. 
8 Kleinkinder erfahren eine Art lockerer 
Aufsicht durch die Nachbarn. 
Einfache Ausführungen: 
e Ein Brett auf zwei Steinen. 
8 Auf Eisenstäbe, die in der Hauswand 
Ja 
Das Vordach erweitert die Benutzungs- 
möglichkeiten der Einganassituation. 
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