Nur 13% votierten für mehr Straßen-
bau. 38
73% wollten in ihrem privaten Ver-
kehrsverhalten Opfer für umwelt-
freundlichere Städte bringen, auch
unter Inkaufnahme von weniger Be-
quemlichkeit und Schnelligkeit im
Straßenverkehr.
Auch die Politiker sind zunehmend be-
reit, dem Autoverkehr in den Städten
Beschränkungen aufzuerlegen.
8 In den kommunalpolitischen Grund-
satzprogrammen der CDU, SPD und
FDP finden sich entsprechende For-
derungen, z.B. zum Schutz der Kin-
der, der Fußgänger und der Wohnge-
biete. Alle Parteien fordern mehr
Verkehrsberuhigung.39
® In vielen Städten sind bereits ein-
schlägige Ratsbeschlüsse in Richtung
auf mehr Verkehrsberuhigung gefaßt
worden.40
Die Konferenz der europäischen Ver-
kehrsminister (CEMT) hat schon 1976
beschlossen, daß in Wohngebieten be-
sondere Verkehrsberuhigungsmaßnah-
men zum Schutz von Bewohnern und
Kindern nötig sind, u.a. Geschwindig-
keitsbegrenzungen und Umbaumaß-
nahmen, um die Straßen nur noch
langsam befahrbar und fußgänger-
freundlicher zu machen. 41
Auch die Verkehrs- und Stadtplaner hal-
ten mittlerweile mehrheitlich Verkehrs-
beruhigungsmaßnahmen für geboten.
a 77% aller Stadtplaner und 60% aller
Verkehrsplaner befürworten eine Stra-
tegie, bei der möglichst viel Autover-
kehr vermieden wird und möglichst
viele Wege wieder zu Fuß oder mit
dem Rad oder mit dem ÖNV zurück-
gelegt werden.42
Selbst die sog. Auto-Lobby hat sich ver-
schiedentlich für Verkehrsberuhigungs-
maßnahmen ausgesprochen.
® Der ADAC schlägt in einer Broschüre
zur Sicherheit von Fußgängern Be-
schränkungen für den Autoverkehr
in Wohngebieten und Innenstädten
vor und begrüßt Umbaumaßnahmen in
Wohnstraßen in verschiedenen Veröf-
fentlichungen und Verlautbarungen.43
Das gleiche gilt für den Autoclub ACE,
der in seiner Zeitschrift Lenkrad ver-
schiedentlich über Verkehrsberuhigung
sowie Maßnahmen zur Sicherheit von
Fußgangern und Radfahrern berichtet
hat.44
Verschiedene Verkehrsredaktionen der
Rundfunkanstalten haben das Thema
aufgegriffen und die Forderungen der
Bürgerinitiativen nach Beruhigungs-
maßnahmen unterstützt.45
Der Verband der Autoindustrie fordert
in einer Studie Verkehrsberuhigungs-
maßnahmen für Wohngebiete, Neben-
zentren und Innenstädte 46
A
10. Das Konzept Verkehrsberuhigung
Seit 2-3 Jahren wird in der kommunalpo-
litischen und verkehrswissenschaftlichen
Diskussion über Verkehrsberuhigung dis-
kutiert, Das Konzept sieht folgende Maß-
nahmen vor:
® Straßen mit geringer Verkehrsbelastung ®
sollen so umgestaltet werden, daß die
gesamte Verkehrsfläche ohne Tren-
nung von Bürgersteig und Fahrbahn
aufgepflastert wird und von Fußgän-
gern, Radfahrern und Autos gleichbe-
rechtigt benutzt werden kann.
In entsprechend umgebauten Straßen
sollen ausreichend Parkmöglichkeiten
für Anlieger bleiben.
Da eine eigene Fahrbahn dann nicht
mehr vorhanden ist, werden so erheb-
liche Freiflächen für Baumpflanzungen
sonstige Begrünungen und Möblierun-
gen gewonnen.
Aus solchen ‘Wohnstraßen’, die etwa
65% des Straßennetzes umfassen kön-
nen, sollen Netze gebildet werden, die
dann das zu-Fuß-Gehen und Radfahren
auch. für größere Entfernungen wieder
attraktiv machen. Die Autobenutzung
wird dagegen durch die Langsamfahr-
strecken für kurze Distanzen unattrak-
tiver,
Aber Verkehrsberuhigung soll nicht auf
Wohnstraßen beschränkt bleiben.
e Mit dem Netz verkehrsberuhigter Wohn-
straßen sollen die Fußgängerzonen in
den Innenstädten und den Nebenzen-
tren verbunden werden. Ebenso die
am Stadtrand gelegenen Erholungsge-
biete sowie städtische Parks.
Außerdem sollen auch Verkehrsstraßen
mit mittlerer und hoher Verkehrsbe-
lastung, sofern sie nach Zahl und Brei-
te der Fahrspuren überdimensioniert
und damit für die angrenzenden Nut-
zungen und Passantenströme zu stö-
rend sind, umgestaltet werden. Hier
geht es um Baumpflanzungen (Umge-
staltung zur Allee oder zum Boulevard),
um Bürgersteigverbreiterungen und ggf.
um die Anlage von Radwegen.
Nach diesem Konzept wurden bereits meh-
rere Städte, vor allem in Holland, Schwe-
den, England, Italien und Japan umgestal-
tet. Die Erfahrungen sind sehr gut und
beweisen nicht nur die Durchführbarkeit,
sondern auch die positiven Auswirkungen
auf das Verkehrsverhalten, die Verkehrs-
sicherheit und die Umwelt- und Wohn-
umfeldqualität.
Durch eingehende Untersuchungen
im Rahmen einer OECD Dokumentation
wurden bei folgenden Planungen folgende
Wirkungen erzielt:47
® Im Fall Nagoya (Japan, 2,3 Mio. E)
wurden in 4 Jahren 186 verkehrsberuhig:
te Bereiche und 300 km Radwege ge-
schaffen. Auf einem Teil der beruhigten
Straßen wurden Busse geführt. Die Maß-
nahmen führten zu einer Abnahme des
innenstadtorientierten Berufs-Autover-
kehrs um 50%. Die betr. Personen wa-
ren überwiegend vom Auto auf den
plötzlich wieder attraktiveren Fuß- und
Radweg umgestiegen. In den beruhigten
Flächen gab es 57% weniger Verkehrs-
tote und 40% weniger Verletzte, insge-
samt sank trotz starken Anstiegs des
Fußgänger- und Radverkehrs die Zahl
der getöteten Fußgänger um 31%, der
getöteten Radfahrer um 25%. Die Ver-
kehrsberuhigung wurde von 75% der
Einwohner begrüßt, nur 15% waren da-
gegen.
Im Fall Uppsala (Schweden, 133.000 E)
wurden Innenstadt- und Innenstadtrand-
bezirke sowie Nebenzentren systematisch
verkehrsberuhigt. In allen dicht bebauten
Gebieten wurden störungsfrei Fuß- und
Radwegnetze geschaffen. Das gesamt-
städtische Verkehrsaufkommen sank
dadurch um 10%, die Fußgänger- und
Radfahranteile am Stadtverkehr stiegen
um 17%, das ÖNV-Aufkommen um
11%. Im beruhigten Bereich sank die
Unfallzahl um 47%. Insgesamt gingen
im ganzen Stadtgebiet die tödlichen
Unfälle um 46% zurück. Die Umwelt-
belastungen sanken in den beruhigten
Gebieten um 64 bis 83% (Staub und
Lärm). Die Zustimmung nach dem Um-
bau betrug 63%, die Ablehnung 22%.
Auch bei Autofahrern überwog die Zu-
stimmung.
Weitere Beispiele aus Schweden sind die
Städte Göteborg, Västeras und Malmö,
wo jeweils geschlossene Radwegnetze
installiert wurden. Dies führte zu Zu-
wächsen des Fahrradverkehrs um 15%,
30% und 25% bei gleichzeitigen Abnah-
men des Autoverkehrs um 10%, 20%
und 15%.
In Bologna (Italien, 492.000 E) wurden
im Innenstadt- und Innenstadtrandbe-
reich eine systematische Verkehrsberu-
higung durchgeführt, außerdem wurde
auch im sonstigen Stadtgebiet ein
Fußwegenetz aufgebaut. Der ÖNV er-
hielt ein Netz unabhängiger Busspuren
und -Trassen, Die Verkehrserschlie-
ßung für das Auto wurde dagegen durch
Parkrestriktionen und Langsamfahr-
strecken reduziert. Nach Einführung die-
ser Maßnahmen gingen die Belastungen
mit Autoverkehr um 20% zurück. Das
ÖNV-Volumen nahm um 50% zu. Auch
der Fußgänger- und Radfahrverkehr
stieg sprunghaft. Die Zahl der Unfälle
sank im Stadtgebiet um 35%.
Aus diesen Beispielen wird eine hohe Flexi-
bilität des Verkehrsverhaltens und der Ver-
kehrsmittelwahl deutlich. Nach systemati-
schen Verkehrsberuhigungsmaßnahmen
bricht der Verkehr nicht etwa zusammen,
sondern es treten deutliche Entlastungen
ein. Das Ausmaß der möglichen Substitu-
tionen durch mehr Fußgänger- und Rad-
verkehr sowie durch besseren ÖNV wird
für deutsche Großstädte auf 20—30% ge-
schätzt. Vor diesem Hintergrund ist Ver-
kehrsberuhigung bei weitem die billigste
Maßnahme zur Lösung der städtischen
Umweltprobleme.48
11. Forderungen für die künftige Stadt-
verkehrsplanung
Angesichts der großen stadtverkehrspoliti-
schen, umweltpolitischen und städtebauli-
chen Bedeutung der Verkehrsberuhigung
ist zu fordern:
8 Bund und Länder müssen im Straßen-
recht, in der STVO und im Gemeinde-
verkehrsfinanzierungsgesetz umgehend
Voraussetzungen für die umfassende
und systematische Einführung von Ver-
kehrsberuhigungsmaßnahmen schaffen,
Für die Anfangsjahre dieser Bemühun-
gen müssen in einem Sofortprogramm
nicht abgeflossene Straßenbaumittel
für Verkehrsberuhigung (Umbau von
"7°