Duisburger Kupferhütte der Rio Zinc Corp.
1970: 4 300 Arbeitsplätze, 1982: 1 600 Arbeitsplätze. 1983
sollenknapp 300 übrig bleiben. Kein Interesse mehr am recyc-
ling industrieller Produktionsabfälle. Die Ausbeutung der Roh-
stoffvorkommen der 3. Welt ist billiger
Zum ersten Mal seit Jahrzehnten ergreift umfassende allge-
meine Unruhe die Stadt: am 10.Dezember 1982 ziehen rund
15 000 Arbeitnehmer zum Rathaus, wo Landesregierung, Stadt
und IG Metall keine Antworten haben.
So sicher schien der Industriestandort Duisburg als Zentrum
der westdeutschen Stahlproduktion.
Wie weit sich die Schichten durch Rationalisierung ausdünnen
lassen, wie stark die Auslastung der Anlagen auch in Duisburg
sinken würden, das hatte keiner geahnt.
ordern den
Erhalt
der
Arbeitsplätre
Duisburg — Hochfeld
Als 1982 das westliche Hochfeld — noch vor
einigen Jahren gut 5000 Einwohner stark —
zugunsten der di des Standorts der
angrenzenden Großindustrie und ihrer
Arbeitsplätze unbewohnbar gemacht ist,
wird der eine veranlassende Großbetrieb, die
Duisburger Kupferhütte für eine Deutsche
Mark zum Kauf feilgeboten, ist der andere —
die Hütte Thyssen Niederrhein — im Ver-
gleich von früherem Glanz und heutigen
Zukunftsperspektiven zur Bedeutungslosig-
keit geschrumpft.
Während eine der größten Flächensanie-
rungen der BRD zur umfassenden Konzep-
tion reift und nach förmlicher Festlegung,
vorbereitender Untersuchung und Sozialplan
schließlich die abbröckelnde Zahl der Ein-
wohner durch die jeweils noch nicht abgeris-
senen Mietskasernenstümpfe geschoben
wird, rutscht die Zahl der Arbeitsplätze bei
der Kupferhütte von 4300 (1970) auf 1600
(1982), geht die Arbeitsplatzzahl bei Thyssen
Niederrhein von 2600 (1972) auf 1500 (1982)
zurück. Inzwischen haben die 1600 Arbeit-
nehmer der Kupferhütte ihre Kündigungs-
schreiben. Für knapp 300 von ihnen wurde
anschließend eine vage Chance auf wahr-
scheinlich befristete Weiterbeschäftigung in
Aussicht gestellt.
Noch ist der Immissionsschutzwall, der
Umgehungsstraße und angrenzende Indu-
strie ahschirmen soll, nicht zuende aufge-
kippt.
Duisburg — Meiderich — Berg
Auch hier bestand das gleiche Konzept:
Abriß der inzwischen dicht mit Türken
belegten Werkswohnungen zugunsten werks-
interner Parkplätze und eines Immissions-
schutzwalls für das Hüttenwerk Ruhrort der
Thyssen AG. Es waren zunächst die wach-
sende Finanznot der öffentlichen Hand und
die Wohnraumverknappung, die die Durch-
führung verzögerten. Jetzt stellt sich die
Frage, ob die benachbarte Hütte nicht dem
Strukturwandel ganz zum Opfer fällt.
Ausgereifte Planungsverfahren für ähnli-
che Absichten wurden für Duisburg — Hüt-
tenheim, Duisburg — Bruckhausen und Duis-
burg Hamborner ’Juppkolonie’ jetzt zurück-
gestellt.
Hüttenwerk Rheinhausen der Krupp Stahl AG
1979: 10 000 Arbeitsplätze. 1982: 7 500 Arbeitsplätze. 1983
sollen 3300 davon übrigbleiben. Die Hütte wird amputiert auf
Kopf und Rumpf: zwei neuere Hochhöfen und ein Oxygen-
stahlwerk. Und vielleicht nicht einmal das, wenn. Thyssen mit
Krupp zusammengeht. Man kann die Hütte in Rheinhausen
ganz dicht machen — bisher war noch an jedem Gerücht was
dran — sie sind der übliche Informationskanal — niemand kann
sich beschweren, wenn es dann soweit ist, er wüßte es nicht
schon längst.
ver;
Abb. 1
Räumliche Dimensionen industrieller Standortkonzentra-
tion
Der Hallenkomplex des zur Schließung vorgesehenen Walz-
werks der Hüttenwerke Rheinhausen spiegelbildlich auf
das benachbarte „Musikerviertel”, 4-geschossiger Werks-
wohnungsbau aus den 50er Jahren, geklappt. Der Umriß
bedeckt etwa 800 Wohneinheiten einschließlich ausge-
dehnter Grünanlagen. Man beachte auch das Größenver-
hältnis von öffentlichen Gebäuden (schraffiert) zum Hal-
lenkomplex
3. Vom schwierigen Aufbruch zu neuen
Ufern
Die Frage nach der Zukunftsprojektion ist
nicht zu trennen von der Frage nach dem
handelnden Subjekt.
Unsere Blicke gehen heute auf die in kleinen
Gruppen gesuchte konkrete Utopie — eine
Projektion, die angesichts der nicht aufhalt-
baren Massenarbeitslosigkeit so notwendig
wie möglich erscheint.
Doch macht es uns nachdenklich
daß die Projektion so stark am „Bewah-
ren, Nichtverändern, Blickzurück” hängt,
daß sie in einer Zeit sich zuspitzender
Widersprüche als die Hoffnung der allum-
fassenden WIR erscheint, an die WIR
UNS klammern angesichts einer nicht
mehr denkbaren Zukunft nach dem denk-
baren Holocaust.
Das WIR in kleinen Gruppen, die sich aus
den herrschenden Verhältnissen autark und
autonom herauszuhalten suchen, ist vom
„Nirgendwo-Land” zum hier und da konkre-
ten Ort geworden. An ihnen formuliert sich
— durch das Nichtentlassensein der Kleinver-
suche aus dem größeren gesellschaftlichen
Zusammenhang hindurch — das „Nir-
gendwo-Land” neu und deutlicher zum
„Nochnichtirgendwo-Land”- Noch ist für die
Versuche nicht entschieden, ob sie systembil-
dende Qualität im Sinne des friedlichen
Übergangs zum Nochnichtirgendwo haben,
ob „Selbermachen” als Bewußtseinsverände-
rung eine kompromißlose politische Kraft ist
oder ob es der bewußtseinsverändernde
Übergang in die politische Abstinenz ist.
Unter welchen Bedingungen ist es das eine,
unter welchen das andere?
Uns interessiert daher die Frage, ob diese
Versuche, dıe Projektionen des „Nochnicht-
irgendwo-Land” an der Ruhr sein können,
die Projektionen der Aneignung von Indu-
striekolossen durch diese von den industriel-
len Produktionsstrukturen geprägten Men-
schen, mit ihrer Erfahrung, ihren Talenten,
ihren Zukunftshoffnungen.
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