ausgrenzbaren Teilbereichs mit eigener
Lesart. Die späteren staatlichen Sied-
lungsunternehmen (z.B. die preußischen
Gärtner- und Weberkolonien Friedrichs
II.) gingen dagegen aufs Land oder
verzichteten auf die Siedlungsform zu-
gunsten der offiziellen Formen der Stadt-
erweiterung (so die vielen Hugenotten-
städte). Eine erstaunliche Ausnähme
davon bildet der Nyboder in Kopenha-
gen, eine Siedlung für die Seestreitkräfte
mitten im Stadterweiterungsgebiet öst-
lich der mittelalterlichen Altstadt, die
Christian IV. nach einem halb am
Militärlager, halb am Bauerngehöft
orientierten Plan anlegen ließ, der bis
heute sozial funktioniert und zu einem
Grunddatum der dänischen Wohnungs-
architektur geworden ist; auch hier ein
bewußter Bruch im Erscheinungskanon
der Stadt (obwohl dieser Kanon über-
haupt erst das Werk Christians war), der
gezielte politische Gründe und soziale
Grundlagen hatte.
Diese beachtliche Unsicherheit hin-
sichtlich des Zusammenhangs von Haus-
bau und Stadtbau betrifft also bereits die
klassischen Epochen der Stadtentwick-
lung und der Stadtbaukunst (historisch
erst das eine, Mittelalter, dann das
andere, frühe Neuzeit). Von daher ist
vom 19. Jahrhundert, dem Jahrhundert
der bürgerlichen Gesellschaft, nicht zu
erwarten, daß es da zu Ssolideren
Beziehungen geführt hätte, endlich hin zu
jenem Stadthaus, mit dem heute so gerne
argumentiert wird und das es doch histo-
risch höchstens als Sondertyp demokra-
tischer Verhältnisse (England) ‘oder
patriarchalisch geprägter Stadtrepubli-
ken (Bremen) gegeben hat. Statt der
Fuggerschen Klientel oder der Seesölda-
ten Christians IV. gab es inzwischen eine
ganze Klasse, die im wesentlichen vom
Lande kam, auf städtisches Ambiente
keineswegs scharf war, und von der
niemand wußte, wohin sie städtebaulich
eigentlich gehörte. Zunächst verkrochen
sie sich noch in Keller, Dachböden,
Katen und Buden. Dann wurden sie zu
zahlreich, unter sich zu differenziert und
zu selbstbewußt, um sich damit zu
begnügen. Was dann entstand, ist schwer
unter einen wirklichen Stadtbegriff zu
bringen. Die entmischten Arbeitervier-
tel Berlins, die Werkssiedlungen des
Ruhrgebiets, die spekulativen Arbeiter-
viertel von Paris (XIIlieme und
XIVieme), der Londoner Nordosten und
Süden (Hackney einerseits, Fulham
andererseits), all das ist gleichzeitig. Die
jeweilige Antwort auf die Frage, wie die
Arbeiterbevölkerung zu hausen und in
die Stadt einzubauen sei, bezieht sich auf
die jeweilige lokale Vorgeschichte. Wie
sich die Industriesiedlungen des Ruhr-
gebiets und die Londoner Arbeiter-
terrassen nur oberflächlich ähneln, so die
Mietskasernen von Wien - Ottakring,
Paris - Montparnasse, Kopenhagen -
Nörrebro, Turin - Barriera di Milano
oder Berlin - Wedding. Man kann, wenn
man die Ebenen der Vergleichbarkeit
genau genug definiert, Beziehungen
herstellen, aber daraus keinen Typ des
städtischen Arbeiterwohnhauses synthe-
tisieren.
Gleichzeitig mit dieser Anpassung der
Arbeiter an die bürgerliche Stadt lief
unter Bürgern der entgegengesetzte Pro-
zeß. Die Bürger wollten hinaus aufs
Land, und wenn nicht wirklich weg von
der Stadt, dann wenigstens so weit nach
draußen, daß sie bei bequemer Vorort-
bahnverbindung „im Grünen“ wohnen
konnten, in offenen Vierteln, in weniger
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Arbeiter-Quartier
‚er Hannov. Maschinenbau-Actien
vorm. Georg Etesterfl in Lin4*
1.2.3. Nyboder Kopenhagen
Pläne 1631—39, 1649
4.5. Berlin, ’Stadthaus’ Wilhelmstr. 136, Planusschnitt Südl. Friedrichstadt
6.7. Arbeitermietshausbau, Hannover-Linden
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