New town’ Cumbernauld, Wohngebiet Park _
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Generalplan Toulouse Le Mirail
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offiziellen Stadtformen, je nach sozialer
Lage in einer bescheidenen niedlichen
Kleinstadtillusion oder in einem auf
Oberklasse pochenden Villenambiente.
Die Stadt differenzierte sich eben, jeder
Haustyp und jedes Stadtbild fanden
ihren besonderen sozialen Platz. Archi-
tekten und Spekulanten wußten, was sie
dem jeweiligen Ort schuldig waren - das
machte Ende des 19. Jahrhunderts die
Einheit des Stadtbilds aus, die Städtisch-
heit von Häusern, den Zusammenhang
von Haus und Bild im Einzelfall und im
Stadtganzen. Grundsätzlich war - die
Zechensiedlungen bewiesen es - Hausbau
auch ohne Stadt möglich. Der Stadt-
bezug als Funktionsbündel wie als
Ästhetik war eine Frage der lokalen
Umstände und der sozialen Ansprüche.
An diesem Punkt der Willkür und
Zerstreuung trat die „Neue Stadt“ auf,
die Vorstellung einer totalen Stadtord-
nung ohne individuellen Hausbau, ohne
individuelle Ansprüche, ganz makellose
Gerechtigkeit funktionaler Flächen- und
Massenzuweisungen. Sie ist nie recht
gebaut worden, und so kennen wir nur
halbe, stümperhafte oder siedlungsmäßig
bescheidene Versionen und eine wenig
erfreuliche Nachgeschichte der Idee, die
moderne New Town ohne Industrie, aber
mit Millionen isolierter Wohnzimmer
und Badestuben, mit Hochhaustürmen
und Wohnhäusern für 5000 Menschen.
Das Thema Haus in der Stadt schien für
alle Zeiten erledigt. Wo es noch Häuser
gab, war der Abriß im Gange oder
vorhersehbar. Überall fraßen sich die
Bagger in die Städte hinein. Die
englischen Arbeiterterrassen verschwan-
den ebenso wie die zugehörigen alten
Innenstädte. Banken, Kaufhäuser, Büro-
hochhäuser traten die Nachfolge letzterer
an, alles Großbaustellen, wo man sich
mit der Vokabel Hausbau nur lächerlich
gemacht hätte. In Berlin war im übrigen
sogar errechnet, wann etwa das letzte
Arbeiterhaus abgerissen sein würde; aber
die Sanierung marschierte überall, früher
oder später, schneller oder langsamer, ob
Paris, Manchester, Wien, Kopenhagen,
Brüssel, Nürnberg oder Amsterdam.
Aber auch den bürgerlichen Villen ging
es an den Kragen, sie wurden mit den
gleichen Methoden geknackt wie die
großen Mietshäuser der Arbeiterviertel,
die Gärten und Parks mit Zeilenbauten
zugebaut, eine allgemeine Abrechnung
mit dem 19. Jahrhundert schien im
Gange.
Inzwischen ist das Modell in der Krise.
Es wäre eine Illusion, an ein Verebben
der Umwälzungflut zu glauben. Der
materielle Austausch der Städte geht
weiter, aber in merkbar subtileren
Formen. Der Glaube an die großen
Wohnmaschinen und an die architek-
tonischen Großformen (Toulouse -
Mirail, Amsterdam - Bijlmermeer,
Grigny - La Grande Borne bei Paris,
Hamburg - Steilshoop etc.) ist gebro-
chen. Wo, wie in Paris, das Bevölke-
rungswachstum weitergeht und ein
Nachlassen des ökonomischen Drucks
noch nicht fühlbar ist, da werden die
gewohnten Quantitäten weiter gebaut,
aber mit einer neuen Ästhetik. Man kann
in Paris diesen Wechsel im Sanierungs-
gebiet südlich der Place d’Italie ver-
folgen: hatte man zuvor an der Rue
Tolbiac Wohntürme auf die leergeräum-
ten Parzellen und Hinterhöfe gesetzt, so
wird in der Rue des Hautes Formes mit
historischen Stadtsymbolen in n-facher
Vergrößerung reagiert (der Name der
Straße ist alt. aber die neuen Formen
hängen, ihn wörtlich nehmend, in der Tat
sehr hoch). In den BRD-Städten scheint
sich dagegen eine echte Herabstufung
von Massen und Tempo einzuspielen. An
der Erbarmungslosigkeit des Vernich-
tungskampfes gegen die alte Bausub-
stanz, gegen den historischen Häuser-
bau, die Stadt individualisierter Inter-
essen, ändert das alles wenig. Unter dem
Titel Stadtreparatur geht es gerade den
individualisierten, den diskontinuier-
lichen Situationen zu Leibe, den unge-
ordneten Höfen, halben Ecken, informell
genutzten Lücken. Die Schließung der
Blockränder stellt, zusammen mit Ver-
einheitlichung des Eigentums, eine
durchlaufende Einheit her, wo die
erhaltenen Altbauten kaum mehr als
Farbvarianten innerhalb der Blockan-
lage darstellen, um so eindrucksvoller,
wenn sämtliche Seitenflügel, nach hinten
hinaus abgesägt, Quergebäude, Gewer-
bebauten und Remisen abgerissen sind.
Man erreicht so jene mittlere Anonymi-
tät, die auch der Neubau inzwischen
wieder eingeholt hat, wenn eine groß-
förmige Wohnanlage der besseren An-
eignung durch die Bewohner wegen
segmentiert und verschiedenen Archi-
tekturbüros zur Bearbeitung überlassen
wird.
Diese mittlere Anonymität ist nicht an
sich bedeutsam. Sie ist wichtig als
Reaktion - auf etwas, was innerhalb der
Großanlagen heutiger Bauträger, es seien
nun private Spekulanten oder öffent-
liche bzw. öffentlich rechtliche Woh-
nungsbaugesellschaften, gar nicht zu-
reichend ausgedrückt werden kann. Man
möchte eigentlich wieder Häuser bauen,
nur, die selbstgesetzten Bedingungen
sind eben nicht so. Zum Hausbau gehört
ein Subjekt, das sich dieses Haus baut.
Ein Investor, der noch während des Baus
die einzelnen Wohnungen an Wohnungs-
eigentümer verkauft, eine Baugesell-
schaft, die eine ganze Blockkante auf
einmal bebaut und Einzelhäuser nur
entlang Brandschutzabschnitten und mit
wechselnden Anstrichen o.ä. ausweist,
stehen von ihrer Struktur her dem
Hausbauwunsch im Wege. Sie sind daher
auf Vermittlungsideologien angewiesen.
Eine dieser Vermittlungsideologien ist
das Konzept der Stadtreparatur bzw. der
die Stadt reparierenden Stadtbaukunst.
Dahinter steckt die Hoffnung, eine dem
gewohnten Investitionsvolumen entspre-
chende städtebauliche Einheit zu finden,
eine theoretische und ästhetische Recht-
fertigung des vereinheitlichten Blocks:
ein Mittleres zwischen Stadt und einzel-
nem Haus, eine konzeptuelle Basis für die
mittlere Anonymität reindividualisieren-
der Großbauten, es seinun ein Kaufhaus
in Celle oder ein Berliner Wohnblock.
Die zweite Vermittlungsideologie‘ ist
wesentlich spröder, daher bei den Trä-
gern glatt ungeliebt, ohne deshalb
aufzuhören, eine im augenblicklichen
Stadtentwicklungsprozeß _unentbehr-
liche Figur zu sein: das Konzept der
behutsamen Erneuerung. Dieses Kon-
zept richtet sich an die traditionellen
Träger, die alten, seit je im Sanierungs-
geschäft tätigen Wohnungsbaugesell-
schaften und -genossenschaften und
versucht, diesen ergrauten Trägern ein
soziales Blockmodell nahezubringen:
eine sozialplanerische Vermittlung zwi-
schen Stadt und Einzelhaus, eine in ihrer
architektonischen Instrumentalisierung
- und das heißt in der Regel: Asthetisie-
rung - konzeptionelle Basis für die
mittlere Anonymität des sanierten Alt-
baus