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Erstes
Positionspapier
des WohnBunds
des Vereins zur Förderung
wohnpolitischer Initiativen
1. Marktorientierte Wohnungspolitik ohne
Opposition: Verschlechterungen der Wohn-
bedingungen
Täglich schrumpft der Bestand preiswerten
und gebundenen Wohnraums durch
® Zerstörung preiswerter Mietwohnun-
gen,
® schrittweise Auflösung des Sozialen
Wohnungsbaus,
9 Auflösung des Mieterschutzes im freifi-
nanzierten Wohnungsbau und Altbau.
Abriß, Modernisierung, Umwandlung,
Privatisierung bedeuten, insbesondere im
Altbaubereich, die Vernichtung preiswer-
ter Wohnungen. Auch der Bestand preis-
werter älterer Sozialwohnungen schrumpft
beständig durch die Umwandlung in Ei-
gentumswohnungen, durch Auslaufen
oder Freikauf von Mietpreis- und Bele-
gungsbindungen. Von dieser Entwicklung
sind ca. 2,5 Mio. von insg. 4,5 Mio. Sozial-
wohnungen bedroht. Dieser Schwund
kann durch die sinkende Zahl neuer Sozial-
wohnungen — zuletzt 85 000 — nicht aufge-
fangen werden.
Ferner führen Maßnahmen wie verein-
fachte Mieterhöhungsverfahren, Staffel-
mietverträge und Mietspiegel, die nur noch
die aktuellen Knappheitspreise für Neu-
vermietungen berücksichtigen, zur fakti-
schen Mietfreigabe freifinanzierten Wohn-
raums.
Mit jeder „befreiten” Sozialwohnung,
mit jedem Staffelmietvertrag wird ein
Stück sozialpolitischer Schutz zerstört,
setzt der Marktmechanismus schärfere
Grenzen bei der gesellschaftlichen Vertei-
lung von Lebens- und Wohnbedingungen;
auch hier bildet den Hintergrund dieser
Entwicklung eine bereits in der Vergan-
genheit systematisch betriebene Begünsti-
gung oberer Einkommensbezieher.
Wo ist die Lobby, die verhindert, daß
mit jeder entbundenen Wohnung ein Stück
Reformgeschichte — und -zukunft — verlo-
rengeht, die nicht bloß die Geschichte der
Wohn-Kultur-Reform verwaltet, sondern
ihr eine Zukunft gibt? Daß dieses nicht exi-
stiert und die Position einer Politik des
„immer mehr Marktes” in fast allen Frak-
tionen dominiert, liegt wesentlich daran,
daß die heutigen Reste der Wohnungsre-
formbewegung in Gestalt des sozialen
Wohnungsbaus und der gemeinnützigen
Wohnungsunternehmen keine funktions-
und damit legitimationsfähige Alternative
mehr darstellt.
Am Beispiel der gemeinnützigen Woh-
nungsunternehmen, vor allem der Genos-
senschaften, läßt sich der Funktionswandel
von Reformprojekten deutlich illustrieren.
Angetreten als „Selbsthilfe”-Unternehmen
im Dienste der Wohnungssuchenden, die
preiswerten, dauerhaft gesicherten, selbst-
verwalteten und oft kulturell andersartigen
Wohnraum für ihre Mitglieder beschaffen
sollten, sind sie vielfach heute Denkmäler
des Gegenteils: zur Unsolidarität nach in-
nen gezwungen (Kostenmiete), unsolidar-
isch nach außen (wenig Neubau), statt
Selbsthilfe und Selbstverwaltung Fürsorge
und Fremdverwaltung, Verallgemeinerung
des Mietverhältnisses, keine soziale und
kulturelle Innovationskraft, undurch-
schaubare Kostensituation. teurer Neu-
bau.
So sind Begriffe wie Solidarität, Subsi-
diarität, Selbsthilfe, Selbstverwaltung oder
sogar Reform in staatlicher und gemein-
wirtschaftlicher Anwendung zu hohlen
Schlagworten verkommen, werden ständig
mißbraucht.
2. Wohnungspolitische Orientierungen in
Richtung gesellschaftlich gebundenen Woh-
nungsbestandes
Was tut not? Wir meinen: die Sicherung
und Schaffung von Wohnraum mit „Bin-
dung”. Gemeint ist damit
® die Reduzierung oder Beseitigung der
„Freiheit”, mit Mietwohnraum umzuge-
hen wie mit anderen Waren, d.h. Auf-
hebung der Verwertungswillkür, und
die Herstellung von Voraussetzungen,
die ermöglichen, daß von bislang weit-
gehend den oberen Einkommensgrup-