pen und Eigentümern zustehenden Pri-
vilegien, wie Wohnsicherheit, tatsächli-
che Selbstbestimmung des Wohnens
etc., auch die minderbemittelten brei-
ten Schichten Gebrauch machen kön-
nen.
Es gibt wesentliche Gründe einer solchen
Bindung von Wohnraum:
Erstens: Der gesellschaftlich gebundene
Wohnraum bedeutet eine dauerhafte
Zweckbindung des Wohnraums für die Be-
wohner, die sich anders nicht versorgen
können und hilft der Milderung der auch
auf dem Wohnungsmarkt bestehenden so-
zialen Ungleichheit.
Zweitens: Die Förderung dauerhaft gebun-
denen Wohnraums kann für den Staat so-
gar billiger sein als die zur Zeit beliebte
Subjektförderung. Denn, entgegen der
Subjektförderung, die — solange es sich
um eine Gesellschaft handelt, die nicht in
der Lage ist, soziale Ungleichheit abzubau-
en — ein Faß ohne Boden ist, ist die direk-
te, auf die Wohnung bezogene Förderung
(Objektförderung) einmalig und erzeugt
somit keine Dauerkosten für den Staat.
Daß der Vorteil der traditionellen Objekt-
förderung nicht hinreichend zur Geltung
kam, lag daran, daß er „privatisierbar” war
— vom Eigentümer oder vom „zu billig”
dort lebenden Mieter. Entscheidend bei
dieser Förderung ist, daß der — so dauer-
haft gebundene — Bestand für den Aufbau
eines tendenziell kreditmarktunabhängi-
gen Finanzierungssystems genutzt werden
kann. Hier sind die verschiedenen Varia-
tionen geschichtlich und im internationalen
Vergleich bekannt. Schließlich liegt eine
weitere verbilligende Produktivitätsres-
source in der Mobilisierung der Selbstver-
antwortlichkeit und Selbsthilfebereitschaft
der Bewohner (schonender Umgang, In-
standsetzung und Verwaltung). Dies ist
aber nur dort möglich, wo das reine Miet-
verhältnis überwunden ist, wenn Formen
der Bewohnerselbstversorgung gefunden
werden. Da das Modell „jedermann Eigen-
tümer” sich nicht als verallgemeinerungsfä-
hig erwiesen hat, schon gar nicht in De-
pressionszeiten, bleibt nur die kollektive
Selbstversorgung, deren historische Form
die Genossenschaft war, die heute sicher-
lich nicht die einzige Form darstellt.
Drittens: Der gebundene Wohnraum er-
weitert die Verfügungsrechte der Nutzer
und somit die Möglichkeit, stabile Nach-
barschaftsbeziehungen zu entwickeln; so
kann aus Wohnraum Lebensraum werden.
Die Problemverarbeitungsfähigkeit der
Nachbarschaften wird erweitert, insbeson-
dere dann, wenn die Nachbarschaftsbezie-
hungen nicht zufällig entstehen, sondern
selbstbestimmt gewählt werden können.
Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn
sich Bewohnergruppen schon vor Einzug
über Sozialbindung konstituieren und als
Gruppe ihr Wohnprojekt aktiv begleiten.
Viertens: Kulturell spricht für den gebun-
denen Wohnraum die Suche nach einer
Neuorientierung im Städtebau. Hierzu be-
darf es der Mobilisierung der Phantasie der
Vielzahl lokaler Initiativen und Institutio-
nen. Sollen Wohnungen und Häuser nicht
bloß addiert werden, sondern Identität
vermittelnden Lebensraum bilden, so muß
das klassische Miet- und Eigentumsver-
hältnis mit seinen Tendenzen der Isolie-
rung, Passivierung und Reduzierung über-
wunden werden.
Diese gesellschaftliche Bindung von
Wohnraum steht in engem Zusammenhang
mit folgenden Zielen der wohnungspoliti-
schen Bewegungen:
® Dezentralisierung der Wohneinheiten
und somit verstärkte Berücksichtigung
lokaler Gegebenheiten und Vorausset-
zungen,
® Bestimmung der Entscheidungsstruktu-
ren durch die Nutzer,
® differenzierte, sinnvolle und behutsame
Nutzung vorhandener (lokaler) Res-
sourcen.
3. Bündelung der wohnpolitischen Opposi-
tion oder: Warum noch ein Verein?
An vielen Stellen wehren sich Betroffene
gegen die Folgen marktorientierter Woh-
nungspolitik. Ihr Widerstand aber bleibt
häufig isoliert und auf Reagieren unter
Handlungsdruck beschränkt.
Wohnraumbeschaffung und -sicherung
bindet aus der Sicht der Einzel-Initiative zu
viele Kräfte auf zu vielen Ebenen. Dies gilt
besonders für die Schichten, denen Selbst-
hilfe gerne (als letzter Ausweg) angedient
wird.
Will man Selbsthilfe und Selbstverant-
wortlichkeit stärken, müssen Handlungs-
und Organisationsangebote soweit an die
Betroffenen herangetragen werden, daß
diese selbsttätig ihre Probleme damit ange-
hen können: solche Beratung kann zu ei-
nem schwierigen Balanceakt zwischen
UÜberforderung und Bevormundung wer-
den.
Damit wohnpolitische Alternativen stär-
ker zur Verwirklichung gelangen, bedarf es
auch des systematischen und kontinuierli-
chen Zusammenwirkens von Personen der
verschiedenen Kompetenzen und Betrof-
fenheit: der (zukünftigen) Bewohner, der
Architekten, Okonomen, Juristen, Ver-
waltungsangehörigen etc..
Aus der Not des einzelnen Falles heraus,
unter akutem Handlungsdruck lassen sich
Beratungskapazität und Verbindung der
Fachleute untereinander selten in ausrei-
chendem Maße herstellen: der Druck der
Verhältnisse läßt einen solidarisch vermit-
telten Zusammenschluß der verschiedenen
professionellen und institutionellen Inter-
essenten mit den Betroffenen nicht mehr
zu. So scheitern die einen Initiativen und
andere, erfolgreichere bleiben auf ihre
„Einmaligkeit” beschränkt: die Bedingun-
gen für Scheitern und Erfolg werden kaum
reflektiert und weitervermittelt. Hoffnun-
gen und Energien werden vergebens mobi-
lisiert: im Falle des Scheiterns bleibt nichts
Positives übrig. Die Geschichte des Schei-
terns kann so selbst zum Argument und
Hindernis gegenüber weiteren Bemühun-
gen werden.
Durch die Organisation aller Interessier-
ten — Bewohner wie Fachkräfte — und die
Entwicklung und Propagierung von mög-
lichst konkreten Projektkonzepten kann es
gelingen, das lähmende Vorwegnehmen
des Scheiterns an der Vielfalt der Einzel-
probleme, der Langwierigkeit und den fi-
nanziellen Belastungen zu überwinden.
Kontinuität, durch Bündelung verstärk-
ter politischer Druck und professionelle
Vorbereitung können dieses Handlungsdi-
lemma vereinzelter lokaler Initiativen auf-
brechen. Für die Einzelgruppe ist das prak-
tische Problem häufig unlösbar. Aus dieser
Erfahrung ergibt sich die Suche nach einer
Organisationsform, die die verschieden-
sten „Betroffenen” zur kontinuierlichen
Aufbauarbeit zusammenbringt.
Dies war historisch nicht anders. Die
Geschichte der Genossenschaften und
wohnungspolitischen Alternativen ist ohne
die zahlreichen „Propagandavereine” und
unterstützenden „befreundeten Organisa-
tionen” nicht zu verstehen. Neben den Bo-
denreformvereinen, der Deutschen Gar-
tenstadtgesellschaft, den zahlreichen
Wohltätigkeitsvereinen (Centralstelle für
Arbeiterwohlfahrt) waren es vor allem die
im Deutschen Verein für Wohnungsreform
zusammengeschlossenen Vereine für
Kleinwohnungswesen, denen der einstige
Aufstieg der gemeinnützigen Wohnungs-
wirtschaft als wirtschaftlicher, sozialer und
kultureller Innovationsfaktor zu danken
ist. Ohne die lobbyistische, propagandisti-
sche, bildungspolitische und organisatori-
sche Kraft dieser Organisationen wären die
Wohnungsreformbewegung und die Ansät-
ze zu genossenschaftlicher Selbsthilfe nicht
zum Zuge gekommen.
Der Aufbau einer vergleichbaren „Bera-
tungsinfrastruktur” ist heute in europäi-
schen Nachbarländern fortgeschritten —
allerdings auch noch nicht so sehr im woh-
nungspolitischen Bereich.
Aus diesen Gründen schlagen wir den
Aufbau eines zentralen Vereins vor: Ein
solcher Verein kann und soll nicht die In-
itiativen und Träger am Ort ersetzen — er
kann sie aber stärken, indem er Aufgaben
übernimmt, die vielen Initiativen gemein-
sam sind und die eine professionelle Bear-
beitung nahelegen( z.B. Rechtsgutachten,
Finanzierungskonzepte, Modellentwürfe).
Auf lokaler Ebene werden häufig zu vie-
le Kräfte von Aufgaben absorbiert, die
auch in gemeinsamer Arbeit mehrerer In-
itiativen etc. vor-geklärt werden könnten
(z.B. Rechtsfragen wie Vertrags- und Trä-
gerformen). Doppelarbeit und Dilettantis-
mus sind die Folgen. Auch ist der Adressat
vieler Forderungen der Staat (Länder oder
Bund): lokale Initiativen sind zweifellos
überfordert, eine Lobby zur Durchsetzung
anderer wohnungspolitischer Rahmenbe-
dingungen auf dieser Ebene zu bilden.
Gleichwohl ist dies von größter Bedeu-
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