Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1983, Jg. 15, H. 67, 68, [69/70], 71, 72)

ımmer nur Variation gleicher, überall gelten- 
der Zusammenhänge. Grashütten unter dem 
Aquator, Lehmsiedlungen in Mesopotha- 
nien oder Holzhäuser in Finnland entstehen 
unter ähnlichen Anstrengungen der Men- 
schen unter strukturell immer vergleich- 
barem Zusammenwirken der allerdings un- 
terschiedlichen technischen und materiellen 
Bedingungen. Wenn wir uns in unserer Archi- 
tektenpraxis auf das Regionale besinnen, 
dann wird ebenso unsere Information über 
heute gleichzeitig existierende unterschied- 
liche Existenzformen angesprochen bis hin 
zur Gleichzeitigkeit von z.B. Steinzeitalter 
und Atomzeitalter. Information bis in diese 
beiden Extreme ist uns zugänglich, und wir 
können uns in jede beliebige Situation 
transportieren. So habe ich z.B. im Süden 
Athiopiens in einer materiellen Kultur mit der 
Ausstattung der Steinzeit die Hausfunda- 
mente unserer Grashütte mit dem Grabstock 
gegraben und anschließend mit Tschoke, dem 
Liedermacher der Hamar, das Streichholz- 
spiel aus dem Film „Letztes Jahr in 
Marienbad“ gespielt. Auf dem Hintergrund 
der technischen Mittel waren wir primitive 
brüderliche Ingenieure und Intellektuelle des 
20. Jahrhunderts zu gleicher Zeit. Das 
Gleiche der 37° Körpertemperatur war 
überwiegend, und das Unterschiedliche un- 
wesentlich. Aber dennoch, können sich die 
Menschenbrüder wirklich beliebig überall hin 
verfügen, um dort zu regionalisieren? 
Ich will auf Folgendes hinaus: Regionales 
Bauen ist keine Entwurfsmethode, sondern 
vielmehr das „Alltagsleben“ in einer Region. 
Es wächst aus der Summe aller Lebensbe- 
dingungen und langfristig ökonomisch 
denkendem Handeln. Landschaft und Klima 
sind dabei nicht bestimmender als Technik, 
Transport und soziale Organisationsform. 
Die idealen regionalen Baumeister sind vor 
allem Teil ihres regionalen Systems. Sie kön- 
nen Heim und Heimat sagen. Ihre Ortsbe- 
stimmung ist lokal, aber ihr Wissen ist nicht 
begrenzter Horizont, sondern universal. Sie 
sehen ihre Region durchaus als Teil eines Ge- 
samtsystems und wissen von anderen Regio- 
nen, Flüssen, Städten und Kontinenten und 
daß sie alle miteinander in Verbindung 
stehen, auch voneinander abhängen. 
Regionales Bauen ist keine Frage des Stils 
allein, sondern des regionalen Engagements. 
Warum blieb es nicht selbstverständlich, aus 
den örtlichen Ressourcen, den landschaft- 
lichen Besonderheiten, auf der Grundlage 
örtlicher Bautechniken und in kultureller 
Tradition zu bauen? Die Ursachen und 
Wirkungen sind bekannt. 
Wir können inzwischen doch über die 
Regionen auch nur in Analogie zum großen 
Planeten sprechen. Auch da ist die Nieder- 
elbe exemplarisch. Was hilft unsere Hin- 
wendung zu den gewachsenen kulturellen 
Traditionen, wenn doch die Basisstruktur der 
Region selbst täglich tiefgreifend beschädigt 
und gefährdet wird? 
Selbstkritisch müssen wir uns fragen, was 
wir als Architekten dazu beitragen können, 
die Gesamtstruktur zu sichern. 
Die Region wird zum Indikator der 
Gefährdung des Ganzen, und es ist kein 
Zufall: ihre Wächter sind Bauern, Fischer und 
auch die neuen Regionalarchitekten. Bei 
meinem letzten Besuch dort oben kämpften 
sie gegen die Einlagerung von Rotschlamm in 
der Kreidegrube Hemmoor. Sie wollen sich 
die Giftmülldeponie nicht gefallen lassen, weil 
sie eine Gefährdung des Trinkwassers und des 
Ostestromes befürchten. So etwas wird mir 
nebenbei erzählt, finster und gesammelt, 
während wir über den Deich am unbeschreib- 
lich malerischen, nebelverhangenen Oste- 
bogen waten ... Kamera und Kanı ... 
Filmemacher, die ihre Argumente in die 
breite Öffentlichkeit bringen wollen, Filme- 
Im Lauf der Zeit 
von Wim Wenders 
1976 
Angela Winkler 
Jagdszenen in 
Niederbayern von 
Peter Fleischmann 
1969 
Summer Evening 
von Edward Hopper 
ein Wahlverwandter 
von Arno Schmidt 
1947 
Im Zeichen 
des Kreuzes 
von Rüdiger Minow 
und Rainer Boldt 
1983
	        

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