... SO, könnte man meinen, ließen Städte und
Gemeinden zur Zeit ausrujen, um dem an-
haltenden Versagen von Architekten und
Städtebau Einhalt zu gebieten und Richtung
Zu weisen.
AN das kleine Dorf „Friebertshausen“
bei Gladenbach in Hessen, 18 km von
Marburg entfernt, soll nun durch gestalteri-
sche Festsetzungen Gestalt behalten oder be-
kommen. Dies würde mich nicht weiter beun-
ruhigen, wäre es nicht gerade unser Büro, das
mit dieser Aufgabe betraut wurde.
Eine Gestaltungssatzung für das Dorf war
die Konsequenz aus der Dorferweiterungs-
planung für Friebertshausen. Dafür hatten
wir im Rahmen eines gutachterlichen Wettbe-
werbs eine Siedlung mit regionaltypischen
Haus- und Hofformen vorgeschlagen (s. 68
ARCH+, 5.9).
Friebertshausen und seine Nachbarge-
meinden werden durch ihre geschlossenen
Hofformen geprägt. Vierkant-, Dreikant-
und Winkelhöfe ließen dichte Dorfkerne un-
verwechselbaren Charakters entstehen. Der
räumliche Eindruck dieser Landwirtschafts-
höfe hatte unseren Entwurf für die Dorferwei-
terung entscheidend beeinflußt. Mehr ein
Produkt von Gefühlen als von stichhaltigen
Analysen, entstanden auf den Plänen wieder
Höfe. Diesmal jedoch mit reiner Wohnnut-
zung. Wir hatten dieser überalterten Funk-
tionsform des Bauernhofes auf merkwürdige
Weise zu architektonischer Kontinuität ver-
holfen.
Städtebauliche Entwicklungsrichtungen
versucht man oft aus solchen tradierten Bau-
formen abzuleiten. Aber zur selben Zeit setzt
sich gerade auf dem Land ein neuer Typ des
Bauernhauses durch. Die Grundrißformen
ändern sich vom langgestreckten Schmalhaus
(für eine Hofbildung notwendig) zum fast
quadratischen Rechteck. Die Bauern verwen-
den nach wie vor einfache Konstruktionen
(Großblocksteine, Fertigdecken), bauen billig
(Bims, Beton, Asbestzement) und im Selbst-
bau. Es sind gesellschaftliche und technische
Veränderungen, die man an ihren Häusern
ablesen kann. Ein Bauer, der aus der Land-
wirtschaft ausscheidet und in.der Stadt arbei-
tet, hält sich länger und anders in seinem
Haus auf als früher. Sein Wunsch beispiels-
weise nach größeren Fenstern ist legitim.
Theodor Fischer sagte zum Thema „Alt-
stadt und Neue Zeit“ auf einer Tagung für
Denkmalpflege und Heimatschutz, 1928,: „...
denn von den verantwortlichen Führern der
Denkmalpflege ist es längst erkannt, daß die
beste und würdigste Erhaltung eines Kunst-
denkmals die ist, die dem Denkmal am
längsten den lebendigen Gebrauch sichert.
Das ist in der Altstadt nur möglich, indem sie
sich ständig verändert“.
Daraus könnte man schließen, daß die Ge-
stalt eines Dorfes nicht festgeschrieben wer-
den kann, ohne daß man seine Nutzbarkeit
und Lebendigkeit maßgeblich beeinflußt. Die
Notwendigkeit starker baulicher Verän-
derungen in den Dörfern steht also vorerst im
krassen Widerspruch zu unserer romanti-
schen Vorstellung von einer „geschlossenen
Gestalt“.
Die gestalterischen Veränderungen durch
den „neuzeitlichen Fensterbau“, um zu un-
serem Beispiel zurückzukehren, waren so
massiv, daß Baufibeln und Gestaltungssat-
zungen beschworen wurden, um auf den Bau-
prozeß noch einwirken zu können: Regeln für
das Verhältnis der Öffnungen zum Baukör-
per, Proportionen, Sprossen ... . Aber in den
Nachkriegsjahren herrschte die Idee der
„funktionellen Gestaltung“. In einem Jahres-
heft einer großen Glasfirma! wird die Rich-
tigkeit der funktionellen Gestaltung beim
Fensterbau anhang der Geschichte der Glas-
herstellung gerechtfertigt: Die anfänglich nur
Thomas Kostulski
Die Gestalt ist tot —
es lebe die Gestaltungssatzung
Luftbild von Friebertshausen, freigeg. Reg. v. Hessen
Bestandsplan
Wirtschaftshof im Dorf
Dorfkern, Ausschnitt
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Dorferneuerungsplanung, Ausschnitt
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