Die Kreuzung am Rathaus:
kaum Platz für Fußgänger
/eigenes Foto 1980)
Flugbild der Stadt Ellingen
um 1930, von Südosten her gesehen
erkennbar ist der ”Ehrenhof”
südlich des Schlosses sowie die
Kreuzung am Rathaus (Bild mitte)
wie sie bis zum zweiten Weltkrieg
aussah (aus: Altstadterneuerung
Ellingen, 1983, S.189)
Die autofreundliche Kreuzung am
Rathaus vom Turm der Stadtpfarr-
kirche her gesehen (eigenes
Foto 1980)
ein zentrales Problem angesprochen: Unserer
Meinung nach ist Stadtbaugeschichte nicht a
priori erlebbar, sondern setzt eine bewußte
Auseinandersetzung mit ihr voraus. Das
Wissen um die Qualitäten von historischen
Wohngebäuden ist in unserer Wegwerfgesell-
schaft nicht ohne weiteres in der Öffent-
lichkeit vorhanden. Auch sieht man es einem
Bauwerk, einem Platz, einer Straße nicht
unbedingt an, welche Geschichte sie aus-
drückt, wenn man nichts über diese Ge-
schichte weiß, wenn man keine Erfahrungen
hat, aus denen man vielleicht Rückschlüsse
ziehen könnte. So weiß z.B. kaum ein Ellinger
etwas davon, daß in seinem Rathaus einmal
eine Folterkammer des Deutschen Ordens
war. Daß das Nicht-Wissen auch massiv
gefördert werden kann, zeigt das Beispiel der
alten Synagoge Ellingens.
Die Synagoge wurde 1757 nach Plänen des
Deutschordensbaumeisters Matthias Binder
erbaut und war noch 1932 als Baudenkmal
erfaßt. Die Nationalsozialisten ließen 1940
die arisierte Synagoge umbauen, der Sakral-
raum wurde in eine Scheune verwandelt. Die
hohen schmalen Rundbogenfenster mußten
dem Scheunentor und Wohnhausfenstern
weichen. Wir haben vorgeschlagen, wenig-
stens eine Erinnerungstafel an dem Gebäude
anzubringen.
Je mehr die Stadtbaugeschichte in Verges-
senheit gerät, umso achtloser vollzieht sich
der Umfang mit ihren Zeugen. Und der
Ausweg daraus? Er ist in Ellingen seit Beginn
dieses Jahrhunderts der gleiche wie anderswo:
der Obrigkeitsstaat mit seinen ortspolizei-
lichen Vorschriften damals, der Verwaltungs-
staat mit dem Denkmalschutzgesetz und den
Gestaltungssatzungen heute. Erhaltung wird
so von Spezialisten vorbereitet, durch den
Staat gesichert, für Spezialisten gemacht.
Von der Wohnbevölkerung wird eine solche
Politik der Erhaltung oft nicht breit unter-
stützt.
These 5: Eine stadtbaugeschichtliche Analyse
kann nur dann zu einer wirksamen Erhaltung
der Altstadt beitragen, wenn sie von einer
überzeugenden und Anregungen aufnehmen-
den Öffentlichkeitsarbeit begleitet wird, die
darauf zielt, über die Diskussion stadtbau-
geschichtlicher Probleme die Erhaltung der
Altstadt zu einem Anliegen der Bewohner
selbst zu machen:
Dabei muß sich auch die Sprache der
Fachleute verändern. Sicher ist es wichtig,
juristische Instrumente zu schmieden. Aber
wenn vor Ort die Erhaltung nicht von den
Bewohnern gewünscht wird, können behörd-
liche Eingriffe nur das Schlimmste verhin-
dern, und dies auch nur kurzfristig. Erhal-
tungssatzungen werden oft abgeblockt oder
bereits bei ihrer Formulierung durchlöchert,
ihre Anwendung behindert. Die Anordnun-
gen des Landesamtes für Denkmalpflege
werden, wenn irgend möglich, mißachtet, sie
werden im Vorfeld auf politischem Wege
verwässert, und das Denkmalschutzgesetz
setzt sich - wird es gegen die Bewohner
angewandt - selbst auf die Abschußliste. Eine
Politik der Erhaltung des städtebaulichen
Erbes dürfte eigentlich auf eine unbürokra-
tische Öffentlichkeitsarbeit nicht verzichten,
muß es in der Praxis allerdings in der Regel.
Für diese Arbeit fehlen die Mittel, fehlt das
Personal, das oft auch nicht entsprechend
geschult ist.
Wir haben einen kleinen Versuch gemacht,
in Ellingen in diesem Sinne Öffentlichkeits-
arbeit zu machen. So haben wir u.a. eine
Ausstellung über die Altstadt organisiert und
ein Altstadtbuch erarbeitet, das von der Stadt
Ellingen an alle Haushalte der Altstadt
kostenlos verteilt wurde. Das Altstadtbuch
zeigt die baulichen und städtebaulichen
Elemente der Altstadt in ihrer Entwicklung,
zeigt ihren heutigen Zustand und macht erste
Vorschläge für den künftigen Umgang mit
ihnen. Inzwischen liegt auch der Bericht über
die Vorbereitenden Untersuchungen nach $ 4
StBauFG in gedruckter Form vor. Auch
dieser Bericht, der unsere Methodik einer
historischen (Mit-)Begründung der Erneue-
rungsvorschläge im Detail veranschaulicht,
wird von der Stadt Ellingen an alle Altstadt-
haushalte kostenlos verteilt werden. Artikel
in der lokalen Presse und Diskussionen auf
Bürgerversammlungen sind weitere Schritte
in Richtung einer kollektiven Rekonstruk-
tion von Stadtbaugeschichte. Parallel dazu
werden die ersten Erneuerungsmaß nahmen in
Angriff genommen.
Stadterneuerung - so unser Resümee -
bedeutet auch: Erneuerung des Wissens um
die Bedeutung des städtebaulichen Erbes. Die
Wiederaneignung verlorener Erinnerungen
ohne billige Produktion nostalgischer Gefüh-
le ist ein wesentlicher Bestandteil des
komplexen Prozesses einer behutsamen Er-
neuerung.
Anmerkungen
1) Der 1980 fertiggestellte Katalog E/lingen - Deine
schöne alte Stadt oder Der Versuch einer sozialorien-
tierten Altstadterneuerung in ländlichen Räumen“
dokukmentiert eine Ausstellung vor Ort des Jahres
1979, die u.a. einige Aspekte der Geschichte Ellingens
und erste Vorschläge und Ideen zur Altstadterneue-
rung thematisierte. Begleitet wurde diese Ausstellung
durch ein kleines Theaterstück. Einige Exemplare des
Kataloges sind noch beim ISR der TU Berlin, Dovestr.
1-5, Zimmer 701, 1000 Berlin 10, zu einer Gebühr von
5,- DM erhältlich. Das 1982 erschienene „Ellinger
Altstadtbuch“ charakterisiert die einzelnen Straßen,
die architektonischen und städtebaulichen Elemente
der Altstadt in ihrer Entwicklung und ihrem heutigen
Zustand und macht Vorschläge für den Umgang mit
diesen Elementen. Das Altstadtbuch ist bei der
Verwaltungsgemeinschaft Ellingen, Weißenburger
Str. 1, 8836 Ellingen, gegen eine Gebühr von 10,- DM
plus Versandkosten zu beziehen. Der 1983erschienene
Bericht über die Vorbereitenden Untersuchungen nach
8 4 StBauFG dokumentiert ausführlich unseren
historischen Ansatz bei der Vorbereitung der Alt-
stadterneuerung. Der Bericht („Altstadterneuerung
Ellingen. Die Konsequenzen aus der Umgehungs-
straße ziehen - die Qualitäten der historischen Stadt
entwickeln!“) ist ebenfalls bei der Verwaltungsge-
meinschaft Ellingen gegen eine Gebühr erhältlich
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