Rezensionen
Wohnungspolitik
in der
Großstadt
Adalbert Evers / Tilman Harlander, 1982,
Kommunale Wohnungspolitik im Großstadt-
raum, Politischer Kontext Kommunaler Poli-
tik und Planung. Eine vergleichende Unter-
suchung der Bedingungen für Stadterneu-
erung und Stadterhalten an deutschen Fall-
studien, unter Mitarbeit von Gerd Grzella-
Fuhrmann, Lothar Jax und Christian Lange,
Werkberichte des Lehrstuhls für Planungs-
theorie RWTH Aachen, 4 Bände, 684 Seiten,
30,- DM, einzeln 9,- DM, zu beziehen bei:
Lehrstuhl Planungstheorie, RWTH, Schin-
kelstr. 1, 5100 Aachen und bei Klenkes Druck
und Verlag
„Die sogenannte Wohnungsnot, die heutzu-
tage in der Presse eine so große Rolle spielt,
besteht nicht darin, daß die Arbeiterklasse
überhaupt in schlechten, überfüllten, unge-
sunden Wohnungen lebt ... sie ist nicht etwas
der Gegenwart eigentümliches, ... sie hat alle
unterdrückten Klassen aller Zeiten ziemlich
gleichmäßig betroffen. Und diese Wohnungs-
not macht nur soviel von sich reden, weil sie
sich nicht auf die Arbeiterklasse beschränkt,
sondern auch das Kleinbürgertum mit betrof-
fen hat,,. Als Friedrich Engels dieses in seiner
Artikelserie zur Wohnungsfrage schrieb, sah
er sich dazu veranlaßt, weil das gesamte poli-
tische Spektrum von links bis rechts mehr
oder weniger gesellschaftsimmanent bis kurz-
sichtig das Wohnungsproblem diskutierte und
in Modelle faßte.
Heute, nach 111 Jahren, ist sowohl die Dis-
kussion wie das politische Spektrum nicht ge-
ringer. Der Gegenstand heißt nun allerdings
„neue Wohnungsnot“. Was ist neu an dieser
Wohnungsnot? Was hat sie gemeinsam mit
dem gesellschaftlichen Mißstand, den Engels
analysierte? Was ist neu an Lösungsansätzen
in der politischen Diskussion und in der poli-
tischen Praxis? Offensichtlich ist, daß das
Wohnungsporoblem sich immer noch auf die
Städte bzw. Kommunen bezieht. Deutlich ist
auch, daß immer größere Teile der Bevöl-
kerung dadurch in ihren Reproduktionsmög-
lichkeiten beschränkt werden. Das aktuelle
politische Diskussions- und Handlungsspek-
trum reicht von „mehr Markt“ (Liberalisie-
rung), mehr kommunaler Kompetenz (Kom-
munalisierung) über Selbsthilfe bis zur Subsi-
stenzwirtschaft und Besetzerszene.
Die Autoren legen nun mit diesem viebändi-
gen Werk eine empirisch fundierte Unter-
suchung vor, mit der sie das Ziel verfolgen,
anhand von Fallbeispielen in den bundesdeut-
schen Städten München (Band 2), Köln (Band
3) und Frankfurt (Band 4), unterschiedliche
Handlungsprogramme der gegenwärtigen
kommunalen Wohnungspolitik in ihren Zie-
len und Wirkungsweisen zu untersuchen. Be-
rücksichtigen konnten sie in der vorgelegten
umfangreichen Exploration hauptsächlich die
offizielle Kommunalpolitik. Besonders aus-
sagekräftig werden die untersuchten Fallbei-
spiele durch die in ihrem Anschluß durchge-
führte vergleichende Untersuchung vor dem
Hintergrund, daß in den Städten München
und Frankfurt CSU-resp. CDU-Mehrheiten
entsprechende marktkonforme Neubaupro-
gramme installiert haben und in Köln die
SPD-Mehrheit ein eher auf den Bestand ab-
zielendes vorgelegt hat. Varianz besteht zwi-
schen Frankfurt und München allerdings
auch darin, daß München durch eine wesent-
lich bessere Haushaltslage gekennzeichnet ist.
Aus den Unterschieden der drei Kommunen
entwickelten die Autoren auch die Merkmale
ihres Untersuchungsgegenstandes: 1. Neubau-
politik (Bodenpolitik, frei finanzierter Woh-
nungsneubau, sozialer Wohnungsneubau, be-
sondere Programme); 2. Erneuerungs- und
Bestandspolitik (Sanierungskonzepte und-
-maßnahmen, _Modernisierungsförderung,
Wohnumfeldverbesserung); 3. Bestands-
schutz betreffs Bau- und Sozialstruktur.
Die Ergebnisse sind nun verblüffend, denn
die Varianz der Inhalte der kommunalen
Wohnungspolitikprogramme findet sich nicht
in den Maßnahmen und noch weniger in den
Wirkungen wieder. Das Gegenteil ist der Fall.
Durchbruch
statt
Abbruch
Wilfried Hülsmann, Matthias Münstermann:
„Durchbruch statt Abbruch“
Ökotopia Verlag
Broschüre, DIN A 5
443 Seiten, mehr. als 200 Fotos und
Zeichnungen
Am Beispiel eines teilbesetzten Hauses in der
Cuvrystr. in Berlin - Kreuzberg werden recht-
liche und finanzielle Möglichkeiten der Lega-
lisierung dargestellt (Übersicht über die in
Frage kommenden Modelle), sowie die
wichtigsten baulichen Probleme erörtert:
Schädlingserkennung und -bekämpfung, Bad-
einbau, Trockenlegung von Kellermauerwerk,
Durchbrüche.
Das Buch ist eine überarbeitete Diplomar-
bei von drei Berliner Architekturstudenten,
die bei der Instandsetzung des Hauses selbst
mit Hand angelegt haben und von daher die
einzelnen Arbeiten sehr plastisch beschrieben
haben. Die drei Beispiele (Badeinbau in ehe-
maliger Küche mit Verlegung der Podest-
toilette nach innen, Trockenlegung des Kel-
lermauerwerks, Durchbrüche), erfassen die
wichtigsten Instandsetzungs- und Moderni-
sierungsarbeiten, die in alten Häusern anfal-
len. Das Kapitel Badeinbau z.B. reicht von der
statischen Berechnung der Decke (Gewicht
der Badewanne) über Probleme der Feuch-
tigkeitsisolierung bis hin zu einem Verzeichnis
lieferbarer Rohre nebst Montageanleitung
sowie diesbezüglicher DIN-Vorschriften.
Ein übersichtlich gegliedertes Schadens-
lexikon - unterteilt in Ursachen, Auffinden
und Untersuchen, Maßnahmen - macht dieses
Buch zu einem praktischen Ratgeber für alle
Selbsthilfegruppen im Altbau.
Es gibt mehr Gemeinsamkeiten als Unter-
scheidungen. Im —Untersuchungszeitraum
konnte beobachtet werden, daß sich die diffe-
renten Programme mit ebenfalls unterschied-
lichen ideologischen Grundlagen angeglichen
haben, wie auch deren Wirkungen. Eine der
wesentlichen Ergeonishypothesen ist, daß sich
offenbar ein kommunaler „Politiktypus“
herausgebildet hat, dessen Determinierung
außerhalb politisch sozialer Reformbestre-
bungen liegt, denn dominant verhalten sich
die Kommunen nach nationalen und interna-
tionalen Konkurrenzgesichtspunkten.
Bei diesem Ergebnis bleiben die Autoren je-
doch nicht stehen, sondern greifen aus einer-
seits „wachstumskritischer“ andererseits „so-
zialstaatskritischer“ Sicht in die Diskussion
um die „neue Wohnungsnot“ ein. Auf der
Grundlage ihrer Ergebnisse weisen sie auf die
Notwendigkeit des Scheitern einer sozialen
Wohnungspolitik hin, die sich allein auf den
Wohnungssektor beschränkt und treten
gleichzeitig für eine hauptsachliche Bindung
der Mittel im Bestand ein. Dieser Beitrag ist
neben den methodischen Grundlagen und der
vergleichenden Untersuchung in Band 1 doku-
mentiert.
Diese teils von der DFG geförderte Unter-
suchung liefert detaillierte Analysen der
kommunalen Politikansätze zur Lösung der
„neuen Wohnungsfrage“ in den untersuchten
deutschen Großstädten. In ihrer Verallgemei-
nerungstendenz weisen sich diese Politiken
der Wohnungsmisere aus. Die Lektüre dieser
Untersuchung sollte obligatorisch sein für
Planer, Soziologen und Politikwissenschaft-
ler, die mit der Wohnungsfrage befaßt sind.
Volker Roscher, Aachen
a
Die Autoren wollen ihr Buch jedoch nicht
als bessere Anleitung für Heimwerker der
„Selbst-ist-der-Mann“ - Bewegung („Männer
haben Metabo“) verstanden wissen. „Uns er-
scheint es deshalb wichtig, daß jeder, der an
einem Haus arbeitet, die wichtigsten Zusam-
menhänge kennt bzw. versucht, sich Informa-
tionen darüber zu verschaffen. Wir wollen
also versuchen, bei der Beschreibung einzel-
ner Baumaßnahmen auch zu erklären, warum
etwas so oder so gemacht wird“. (aus der Vor-
bemerkung zum praktischen Teil)
In der Tät erfordert dieses Buch einiges Mit-
denken und Verstehen und setzt ein Grundver-
ständnis für handwerkliches Arbeiten voraus
oder zumindest die Bereitschaft, es sich anzu-
eignen. Die einzelnen Arbeiten sind so erklärt,
daß der handwerklich motivierte Leser die
Schwierigkeitsgrade einschätzen kann und da-
durch einen Überblick erhält, über die Arbei-
ten, bei denen er Rat und Hilfe von Fachleuten
bracht - je nach eigenen Fähigkeiten.
Der Teil „Wege für eine Selbstverwaltung“
ist gleichermaßen anwendungsorientiert und
so leicht verständlich als nur möglich gehal-
ten. Der Überblick über mögliche Rechtsfor-
men (Hausverein, GmbH etc.) und Verträge
(Miets-, Nutzungs- Pachtvertrag u.a.) wird er-
gänzt durch den Abdruck der wichtigsten Ver-
trags- und Gesetzestexte dazu. Dies bezieht
sich nicht nur auf die Berliner Situation,
sondern ist für das ganze Bundesgebiet gültig.
Das Buch ist entstanden vor dem Hinter-
grund der Berliner Häuserkämpfe, reiht sich
aber nicht in die Reihe der Veröffentlichungen
über Instandbesetzer ein, sondern ist ein Buch
für Instandbesetzer und andere Retter alter
Häuser, sowie deren Helfer und Unterstützer.
Ein Versuch - und das zeichnet dieses Buch,
das ja eine überarbeitete Diplomarbeit ist,
aus - das Fachwissen der Universität an die
Leute zu vermitteln, die dieses Wissen
brauchen, aber einen schlechten Zugang da-
zu haben.
Bernd Laurisch