VORSCHLAG
zur nicht-inflatorischen Finan-
Herunf des Wohnungsbaues und
zur Überwindung der Arbeits-
losigkeit von 170.000 Bauarbei-
tern.
[. Die volkswirtschaftliche Verschwendung
170.000 arbeitslose Bauarbeiter warten auf Beschäf-
tigung. Alle für den Wohnungsbau erforderlichen
Materialien - Ziegel, Zement, Holz, Material für den
[nnenausbau - stehen zur Verfügung. Trotz dessen
fehlen Wohnungen zu Preisen, die die Masse der
Bevölkerung bezahlen kann.
Die Verbilligung der Wohnungen durch Subven-
tionen von Bund, Ländern und Gemeinden findet
ihre engen Grenzen an den Aufbringungsmöglich-
keiten der Etats. Wie die große Zahl arbeitsloser
Bauarbeiter zeigt, reichen die verschiedenen Sub-
ventionen nicht aus, die vorhandenen Möglichkei-
ten zur Beseitigung des Wohnungsmangels zu trag-
baren Preisen auszuschöpfen. Möglichkeiten zur
Herstellung begehrter Güter nicht auszunutzen, be-
deutet Verschwendung
II. Grenzen des privaten Wohnungsbaues
Diese Verschwendung wird mit der Unmöglichkeit
der Finanzierung von Wohnhäusern mit tragbaren
Mieten entschuldigt. Die Kreditgewährung für
Wohnbauten ist heute gegenüber der Zeit vor 1914
und der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg wesentlich
erweitert worden. Trotz dessen erfordert aber bei
den ständig weiter steigenden Bau- und Grund-
stückspreisen der Bau eines Wohnhauses mit etwa
sechs Wohnungen ein so hohes Eigenkapital, daß zu
dessen Aufbringung nur eine sehr kleine Bevöl-
kerungsschicht in der Lage ist. Sie ist aber aus vielen
Gründen nicht bereit, ihr Vermögen in Mietwohn-
häusern anzulegen. Die Lockerung der Vorschriften
über die Mieten oder sinkende Zinssätze für Hypo-
theken werden hieran kaum etwas ändern. Die Er-
wartung, daß durch Privatinitiative die erforderli-
chen Mietwohnhäuser in absehbarer Zeit gebaut
ınd die Bauarbeiter wieder Arbeit finden werden, ist
angesichts der entgegenstehenden Tatsachen nicht
gerechtfertigt.
II. Nutzlose Dogmatik
Es geht hier nicht um Fragen: Sozialismus oder Li-
beralismus, freie oder soziale Marktwirtschaft, oder
staatlich gesteuerte Investitionen, sondern allein um
die Frage, wie Wohnungen zu bezahlbaren Preisen
geschaffen und die Verschwendung von Arbeits-
kräften durch Arbeitslosigkeit beseitigt werden
kann. Das kann nur durch den Staat durch Ausnut-
zung seiner Geldschöpfungshoheit geschehen.
IV. Technische Durchführung
Durch Bundesgesetz ist die Bundesregierung zu er-
mächtigen, bis zu 4 Milliarden DM Staatspapier-
geld zur Förderung des Wohnungsbaues aus-
zugeben.
Die hier vorgeschlagene Wohnungsbaufinanzie-
"ung soll neben dem Arbeitsbeschaffungsprogramm
1982 durchgeführt werden. Der Betrag von 4
Milliarden DM entspricht dem für die sonstige In-
vestitionsförderung vorgesehenen Betrag, der an-
ders finanziert wird.
Der Bargeldumlauf an Noten und Münzen betrug
Ende März 1982 89,4 Milliarden.
$14 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank
steht der Ausgabe von Staatspapiergeld nicht ent-
gegen. Der Bund hat keineswegs auf seine Geld-
schöpfungshoheit verzichtet. Lediglich muß beim
Staatspapiergeld auf die Eigenschaft als „gesetzli-
ches Zahlungsmittel“ verzichtet werden, was bedeu-
tungslos ist. Es genügt die Annahmeverpflichtung
aller öffentlichen Kassen. Die Bevölkerung wird
gern die neuen Geldscheine entgegennehmen, hin-
ter denen reale Gegenwerte als „Deckung“ im alten
Sinne stehen.
Die Durchführung der Bauvorhaben wäre den
Ländern zu übertragen. Die Landesbanken rufen je-
weils entsprechende Geldscheine in Höhe ihrer Zah-
lungen an die Baufirmen ab. Die Geldscheine
werden im Rahmen der Bargeldabzüge der Bank-
kunden abgegeben. Die Landesbanken brauchen
weniger auf die Bundesbank zur Auffüllung ihrer
Kassenbestände zurückzugreifen. Eine alsbaldige
Steigerung des Bargeldumlaufes durch das Staats-
papiergeld ist unwahrscheinlich.
V. Keine Gefahr inflatorischer
Geldentwertung
Eine Entwertung des Geldes durch übermäßige
Geldschöpfung tritt nur dann ein, wenn der
wachsende Geldstrom nicht mehr durch ein
wachsendes Warenangebot zur Befriedigung der
Güternachfrage der Bevölkerung gedeckt werden
kann, wie es regelmäßig in Kriegs- und Nachkriegs-
zeiten der Fall ist. Besteht dagegen eine große Ar-
beitslosigkeit und unausgenutzte Produktionsmög-
lichkeiten, wie es gegenwärtig der Fall ist, so kann
eine wachsende Güternachfrage durch wachsendes
Güterangebot gedeckt werden. Das ist der entschei-
dende Punkt, nicht die Tatsache, daß das neu ge-
schaffene Staatspapiergeld durch die Neubauten
‚gedeckt“ wird. |
Der beklagenswerte ständige Verlust an Tausch-
wert unseres Geldes ist nicht durch übermäßige
Geldschöpfung und fehlendes Warenangebot, son-
dern durch die ständigen Kostensteigerungen bei
der Produktion bestimmt. Eine Kostensteigerung
wird durch die Ausgabe von Staatspapiergeld nicht
unmittelbar ausgelöst. Bei jeder Belebung der Kon-
junktur besteht stets die Gefahr neuer Kostenstei-
gerungen infolge erhöhter Lohnforderungen, stei-
gender Abschreibungswünsche, erhöhten Gewinn-
strebens.
VI. Die überragenden Vorteile
1) Die Ausgabe von Staatpapiergeld kostet le-
diglich die Druckkosten für die Geldscheine.
Abgesehen davon und den Provisionen der
Landesbanken werden die Häuser ohne weitere Ko-
sten errichtet. Demgemäß kann die öffentliche
Hand die Mieten nach den sozialen Gegebenheiten:
festsetzen. Endlich können Wohnungen zu Miet-
preisen angeboten werden, die die Masse unseres
Volkes auch bezahlen kann.
2) Der sich nach Abzug der Unterhaltskosten der
_ der Häuser ergebende hohe Überschuß kann in
dreifacher Weise verwandt werden: |
a) zur Finanzierung weiterer Wohnbauten;
b) zur Tilgung des Staatspapiergeldes; .
c) zur Entlastung der öffentlichen Haushalte.
3) Die Bundesanstalt für Arbeit und der Bundes--
haushalt werden entlastet durch Fortfall der
Arbeitslosengelder für die wieder beschäftigten
Bauarbeitet. |
1) Durch eventuellen Verkauf der Häuser kann die
= öffentliche Hand Einnahmen gewinnen.
5) Spekulative Erwartungen auf ständig weiteres
Steigen der Preise für Miethäuser werden ge-
bremst, da nötigenfalls ein erhöhtes Angebot mo-
derner Häuser durch die öffentliche Hand erfolgen.
kann,
VII. Die Gefahr
Die Ausgabe von Staatspapiergeld unterliegt immer
die Gefahr des Mißbrauchs durch Parlamente und
Regierungen. Der Geldstrom darf nur insoweit ver-
stärkt werden, soweit die jeweils zusätzlich mit dem
neu geschaffenen Geld von der Bevölkerung be-
gehrten Güter auch bereitgestellt werden können.
Die Vorteile einer eng begrenzten Ausgabe von
Staatspapiergeld zur Überwindung einer anders
nicht zu beseitigenden Notlage lassen die damit ver-
bundene Gefahr als tragbar erscheinen .
ge, Nö v.d. Nat
geld - in den Wohnungsbau fließen. Erst bei
späteren Ausgabenentscheidungen würde die-
se Frage virulent werden.
Einstieg in die wohnungswirtschaftliche
Selbstverwaltung und Selbstfinanzierung
Abschließend sei noch auf eine ordnungspoli-
tische Möglichkeit hingewiesen, die Nöll von
der Nahmer formell zwar vermeiden will,
faktisch aber andeutet. Diese „kostenlose“ Fi-
nanzierung eines Wohnbauprogrammes birgt
die Chance des Einstieges in eine neue Orga-
nisations- und Finanzierungsweise des ge-
meinnütziges Wohnungsbaues, wie ich sie an
anderer Stelle zu skizzieren versucht habe
(Novy 1982a; Novy 1983): dauerhaft gebunde-
ne Bestände, Verwaltung durch kleine Be-
standsgenossenschaften, die ihre Mietüber-
schüsse als Solidarbeiträge an einen „revol-
vierenden Fonds“ bei einer speziellen Bau-
bank abführen, wo sie als zinslose Transfer-
zahlung neuen Projekten zufließen, die
wiederum den gleichen Bedingungen (Ver-
bands- und Revisionspflicht, keine Bau-
pflicht, dafür Abführung eines inflationsindi-
zierten Solidarbeitrages an den Neubaufonds)
unterliegen. Anders als in der jetzigen Ken-
struktion (Kostenmiete, Kapitalmarkt- und
Subventionsabhängigkeit) bietet diese Struk-
tur ein wachsendes Selbstfinanzierungspoten-
tial bei entsprechend geringerem _Subven-
‘ionsbedarf.
In diesem Sinne könnte der ausschließlich
krisenbezogene, d.h. nur temporär einsetzba-
re und auf keinen Fall verallgemeinerungs-
fähige „Vorschlag“ Nöll von der Nahmers
auch einen Beitrag zur praktischen Er-
neuerung der Ideen der Gemeinnützigkeit und
der, genossenschaftlichen Selbstverwaltung
leisten. Seine Gefahren liegen - wie Nöll von
der Nahmer selbst schreibt - im politischen
Prozeß, in der Kontrollierbarkeit des Instru-
mentes. Sie dürfen nicht unterschätzt wer-
den. Gleichwohl liegen die Gefahren eines kri-
senpolitischen Attentismus noch deutlicher
vor Augen; sind sie nicht derart hoch, daß ein
krisenpolitischer „contrat social“ zur produk-
tiven Kreditschöpfung legitimationsfähig wä-
re?
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