Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1983, Jg. 15, H. 67, 68, [69/70], 71, 72)

Von der Tätigkeit im „Modellblock 
103” am Heinrichsplatz zu berich- 
ten, heißt unweigerlich, die „zwei 
Welten” zu thematisieren, den per- 
manenten Übergangsstatus, der für 
die Arbeit vor Ort ausschlaggebend 
ist“ 
® Es gibt auf der einen Seite den 
langen Abschied eines privaten 
Sanierungsträgers am Tropf der Se- 
natsverwaltung und des öffentli- 
chen Geldes. 
Ihm gehören noch 60 % der Grund- 
stücke im Block. Auf diesen 
Grundstücken wurde seit 1978 mas- 
siv „entmietet”, etwa 500 Men- 
schen aus ihren Wohnungen umge- 
setzt, dazu fast 30 Gewerbetreiben- 
de zur Aufgabe ihrer gewerblichen 
Existenz veranlaßt. Das Verwer- 
tungskalkül dieser Baugesellschaft 
richtete sich auf massiven Abriß 
und Neubau im Block und die soge- 
nannte „durchgreifende Moderni- 
sierung”. Dazu wurden hausweise 
Planungen entwickelt und Moder- 
nisierungsverträge mit dem Senat 
abgeschlossen, die allesamt den in- 
zwischen veränderten Leitlinien 
der „behutsamen _Stadterneue- 
rung” für Kreuzberg und den Block 
widersprachen, aber auch den ver- 
änderten ökonomischen Rahmen- 
bedingungen, die zum sparsameren 
Umgang mit den öffentlichen Mit- 
teln zwangen. 
Nach einem eineinhalb Jahre 
dauernden reibungsvollen Anpas- 
sungsprozeß mit der Bauausstel- 
lung Berlin, bei dem der Senat aus 
Rücksichtsnahme auf die privaten 
Interessen die Kompetenz der Bau- 
ausstellung nicht klarstellte,sah 
sich dieser Sanierungsträger im Fe- 
bruar 1981 schließlich veranlaßt, 
seine Demission beim Bausenator 
einzureichen. Der inzwischen auf- 
gelegte Immobilien-Fonds für die 
Grundstücke wurde im Handelsre- 
gister wieder gelöscht. Die Gesell- 
schaft erklärte sich zum ausschließ- 
lichen Verwalter der Grundstücke, 
bis ein Nachfolge-Sanierungsträger 
benannt sei. 
Da bis heute ein Nachfolger vom 
Senator für Bau- und Wohnungs- 
wesen nicht benannt ist, dauert die- 
ser Übergangsstatus an, lediglich 3 
Häuser erreichten die Durchfüh- 
rung. Eins steht nach leidlicher Ab- 
stimmung der Maßnahmen vor der 
Fertigstellung, für die beiden ande- 
ren spielt als Mittler das Bezirks- 
amt den Bauherrn. Ein Nachfolge- 
Sanierungsträger steht mit Stattbau 
— vormals Netzbau — seit längerem 
bereit, aber es geht um 
„Aufwandsentschädigungen”, „Ko- 
stenerstattungsbeiträge”, etc. — 
kurz und grob um die „Ablösesum- 
me” für den alten. 
Solange vor Ort weiter mit „alten 
Schläuchen” hantiert wird, kann 
die offizielle öffentlich deklarierte 
modellhafte Stadterneuerung nur 
mit kleiner Flamme kochen. 
® Und es gibt die zweite Seite der 
‘Planung im „Block 103”, die 
kleine Welt des Lebens vor Ort, 
den Kiez, den Protest gegen die 
Entmietung des halben Blocks und 
die alte „Kahlschlagsanierung”, 
den Widerstand von Mietern gegen 
die kleinen Schikanen und die gro- 
Allerdings wurden in den wenig- 
sten Fällen diese sozialen Vorraus- 
setzungen von den Trägern in die 
Haus für Haus entwickelten Plan- 
ungen umgesetzt. An dieser Ver- 
weigerung der Sanierungsträger im 
Block hat sich bis heute nicht viel 
geändert. Der Grundsatz der Bau- 
ausstellung: Hausversammlungen 
und ein geklärtes Mietervotum vor 
allen Maßnahmen und für die Mie- 
te nachher, — wird im „Block 103” 
von den Trägern toleriert (bis 1984) 
aber nicht akzeptiert. 
Dagegen stehen sicher auch ob- 
jektive Gründe: z.B. wird den Ar- 
chitekten der Träger der Mehrauf- 
wand einer sozial abgestimmten 
Planung und -durchführung nicht 
vergütet, dahinter steckt aber vor 
allem leider ein Machtspiel der Sa- 
nierungsträger, die den „Eigentü- 
mer”-Titel gegen die Planungskom- 
petenz der Bauausstellung ausspie- 
len. Der zweite Sanierungsträger 
im „Block 103” blockierte das 0.2 
Schwimmversuche im Packeis 
„Modellblock 103” Zwischenbilanz 
ße Entwurzelung — und es gibt die 
Instandbesetzer in 9 Häusern, die 
alle lange Zeit abrißreif leerstan- 
den. 
Begonnen hatte diese Protestbe- 
wegung von unten bereits Anfang 
der 70er Jahre, bei vielen v.a. auch 
den Gewerbetreibenden im Stillen. 
Die Wohnungsmieter klagten der 
Betroffenenvertretung im „Mieter- 
laden Dresdener Str.” ihre Sorgen. 
Seit 1980 wurde auf inzwischen 
über 60 Mieterhausversammlungen 
im „Block 103”, die in Kooperation 
mit der Bauausstellung durchge- 
führt wurden, der Unwille über die 
Planungen der Sanierungsträger 
formuliert, die Instandsetzung der 
Wohnungen und Häuser gefordert, 
die Mitsprache der Mieter bei den 
Maßnahmen, der Wunsch wohnen 
bleiben zu wollen, die begrenzte 
Mietzahlungsfähigkeit bei den mei- 
sten. 
atanıeurrei 90 (APH: LuxMod, Abriss Re- 
miseBäckerei) Hier wühlte das APH-Samog- 
Gesa-Trüffelschwein auch bereits im Spiel- 
platz nebenan, Nr. 89-91. Im Frühjahr 81! 
dann aber besetzt! Heute im EG ein einge- 
frorenes Cafe, an der Fassade eine_Rittey 
burg. A 
’Manteuffel 97 ‚Marianne Teufel’ il 
(BeWoGe, 3 Jahre leer) von Kindern und 
Erauen besetzt, daher auch der Name 
Mieterladen ] 
„Mariannenplatz-Nord”, Manteuffel 22, seit 
Jahren im Kampf um Verkehrsberuhigüng 
und gegen Kaputtsanierung; (3 Minuten) 
Pf Manteumtel 39 (Samog, 2 1/2 Jahre legr: Ab-, 
'iß/Neubau; dann LuxusModernis.) einst. 
Domizil von ‚ZOO-Meyer’, seit September 81 
besetzt und von mietengeschädigten/Fabrik- 
etagenbewohnern 
aus der Skalitzer = zn 7 
PX bewohnt Aaaet 
- {BLOCK 101 / Eifer a 
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m Man teuffelstraße Spielplatz und 
Zeit-der-Kirschen, Grünfläch» 
standhaftes NichtraucherCafe, \V % x 
{1 Minute) 5 N 
Naunyn 85/84 Z 
(GSG) Mietergemeinschaft zur Durchs 
von Instandsetzungsforderung a X 
Fabrik Mariannen 48, if 
ein Ort, an dem hier alles angetangen hat im 
Block. Domizil der „Fabriketagen-Initiative” 
in den späten 70ern, mit dem Cafe Block- 
Schok, berühmt durch seine Kiezküche,, den 
schönsten Kellerfußboden von K 36 üınd das 
musikalische Programm, vor allem im Som- 
mer, wo der Blockrat gern hier tagt. Histo: 
risch der Nutzungsvertrag mit der Samog 
Ohne Rendite die Miete! Also echt ein Stück 
befreite Erde. Metallwerkstatt, Orgonenfor- 
schung u. Atemtechnik im Haus, Blockgärt: 
nerei im benachbarten und instandbegrün- 
ten Schulhof. Seit 81/82 auch Kindergruppe 
ım Seitenflügel mit 10 Plätzen. Im Septem- 
ber 82 bekamen die kleinen Besetzer endlich 
ihren langerkämpften Nutzungsvertrag von der Sar 
Naunyn 77-79 ‚Naunynstrand’ in 
(Samog, Abriss Hh./LuxMod. Vhs.) Entmietungwer SW] 
suche und Mietverweigerung hielten sich hier die Waa- 
ge, sodaß das Haus ab 81 als besetzt gelten konnte. 
Kern der Mietstreiker waren die Naunynstrandler 
vom benachbarten, aber inzwischen eingegangenen Devesche 
Nachbarschaftsladen Naunyn/Mariannen. Sie besetz-; 
ten auch das Trümmergrundstück Nr. 79 (Senat) und 
die 78 und machten einen schönen Garten daraus: 
Kleintierhaltung, Gemüseanbau und Kinderaufzucht 
im Sommer, Schrottplatz und Brennholz im Winter. 
Holz-, Metall-, Schneiderwerkstätten, Redaktion der 
Kiez-Depesche, französische Kolonie und türkische 
HausmeisterFamilie. Von hier läßt Leo, der Hahn. 
sein stetes Kikeriki über den Block _ertönen.— zum. 
Ärger der Neubaunachbarn 
aa] Die Ecke Manteuffel/Oranien. 
A Letztes Grundstück, auf dem die Samog im 
Manteuffel 40, 41 Block noch ein Neubau-Projekt durchziehen 
(Samog; Mieter/Besitzervertreib., zT. 2 J. leer Will. Inzwischen haben sich jedoch die Be- 
Abriss, Luxmod.) besetzt am 7.2.81; Ret- wohner eingeschaltet und stellen fest, was 
tung des Fabrikhinterhauses, viel dringende; da gebaut werden soll. Die jetzige Lücke an 
Bauarbeit, da große Schäden an den Gebäu- der Südecke ist von Bedeutung für das Mikro- 
den. Einrichtung des BAUHOF, Material- klima im Block. Für das Grundstück selbst‘ 
und BauZentrale der Instandbesetzer. Tisch-| wird eine Nutzung aus dem Bedarf des Blok- 
jerei, Druckerei, Kunst/Kabarett und Kom- kes angestrebt. Z.Zt. wird gerade die Fassa- 
muneleben, ein Cafe im EG und ne Loggia de der Ora 2a bemalt und ein Informations- 
im Dach (die beste Schokolade in K 36 für __pavillon aus alten Peitschenmasten errichtet. 
nur 2,- Matk). Auf jeden Fall der harte Kern: if] Oranien 3 ‚Oh drei!’ 
ınter den 4 Samog-Ruinenjan der Ostseite: (Samog: Abriss Quergeb./LuxMod Vhs.; 
if des Blockes, Zum ersten Mal besetzt am 6. Januar 81 
Manteuffel 4250 Ö seitdem ständig Unterkunft für durchreisen- 
(Samog’s Meisterstück fan Verfallstechnik: de BesetzerHeerscharen; im letzten halben 
Abriss, Luxmod.) im Winter 81/82 besetzt Jahr jedoch Aufbau einer festen Bewohner, 
und eisern gehalten — fie Bastion_im, Süd; gruppe mit interessanten Perspektiven: Inter: 
Osten, nationales Musik-Tournee-Zentrum, ein An- 
fang ist die PunkRockDisco der Club ‚Afteı 
Eight’.«Trotz Kriminalisierung kein Frust! 
Oranien za 
(Priv. Eigen 
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D _Gewerbehof der GSG mit Betriebs" 
x 7 Oranien 6 früher Schwimmbad,des 
Yreuzwerk-Tischlerei 
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BLOCK 100\ >» 
zum Georg-v-Rauch-Haus“ 
7 Minuten A 
ehemalig 
zum Mariannenplatz Neun nat 
1 Minute 
Naunyn 72 FrauenStadtteilZentrum 
auch Mariannen 6, Hhs. frühere Schokola- 
den-Fabrik besetzt am 22.4.81, inzwischen 
in Verhandlungen mit der GSW. Cafe und 
breites Angebot an Workshops u. Gruppen, 
auch für türk. Frauen. Unterstützt von IBA, 
Ikea u. Netzwerk, ca. 60 Mitgliederinnen, 
Kampf um’ volle Anerkennung und_ staatl 
Finanzierung. 
; zum WaldeKiez 6 Min. 
BLOCK 77' 
Sog. „besiegtes Gebiet”” (Kahlschlagsanie-, 
rungsopfer), eine Art Niemandsland zum 
WaldeKiez hin 
ME 
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Bf SI — 
Mariannen (‚Mary”) 48 \._.. 
{Samog: Abriss Stfl. + FabHhs.) verhindert d; 
setzung im März 80, eins der ersten also. Hist« 
de, in der sich der ‚Verein zum Schutz der Bl 
mit Besetzern verbündete. Umgekehrt schützt 
bestehende Kindergarten das besetzte Vorde 
„Räumung. Sehr solide Instandsetzung, wint 
8 7) gungsort des Blockrates. fl 
Die Bäckerei Kraut + Rüben 
mit dem Kaffeeausschank. ‚Oranien 15 „Die Krautis”, \ 
Strategischer Stützpunkt rungsmittel, Naturkosmetik und! 
für Bauarbeiter, Jungge- dersachen und alternatives Schr 
sellen, Instandbesetzer u. ./ Stützpunkt softer Logistik, 
Planungskommissionen vor allem WER — 
in den Morgenstunden. Tastandbessezt if aus| 
»(März ‘83) Su) 
Va Betrachtet von Norden OO 
Freistaat Kreuzberg K 36 
im Bereich des MariannenKiezes 
Stand der Eroberungen: 21. März 1983 
unter Berücksichtigung festerer Vorhaber 
und bei füglichem Gedeihen des 
| SELBSTHILFE- und 
NACHBARSCHAFT e.V. 
& SuN ) 
* Oranienstr. 13 * j 
1 Berlin K 36 7 OO 
KitZ| ein Machwerk Thi./Peter Block 
1sder KIEZ-Depesche -
	        

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