Jürgen Leitner
Hermann Neuerburg
Sandro Einsiedel
Schlechte
Karten
Erfahrungen mit
IBA-Wettbewerben
Wir haben 1980/81 als kleine Grup-
pen und Büros an 2 international
offenen IBA-Wettbewerben erfolg-
reich teilgenommen. Die Auslo-
sung und die Empfehlungen des
Preisgerichts stellen eine Beteili-
gung von Preisträgern an der Reali-
sierungsplanung in Aussicht. In der
Hoffnung, am weiteren Planungs-
prozeß mitwirken zu können, be-
gannen unsere Bemühungen, die
wir heute als eine 2-jährige Odysee
empfinden.
Wir, Teilnehmer am Wettbe-
werb „Südliche Friedrichstadt”,
wandten uns zuerst im November
1980 an den IBA-Planungsdirektor
für Neubaugebiete, Josef Paul Klei-
hues, um am weiteren Planungsver-
fahren teilnehmen zu können. Feh-
lende Entscheidungen hinsichtlich
des Bebauungsplanverfahrens und
der Bauherrmfrage, waren die
Gründe der IBA für stets unklare
und hinhaltende Antworten auf
diese und alle weiteren Anfragen.
Informell erfuhren wir, daß eine
Mitarbeit wohl nicht realisierbar sei
— zumal das Auswahlverfahren für
die zu beteiligenden Architekten-
gruppen undurchsichtig und von
persönlichen Festsetzungen des
Planungsdirektors bestimmt blieb.
Im Zwischenbericht und Pro-
gramm „Die Neubaugebiete” vom
Februar 1982 schließlich, das die
IBA dem Senat vorlegte, waren
erstmals offiziell Architekten vor-
geschlagen — wir und auch andere
Preisträger nicht, aber internatio-
nal bekannte Büros, die an eingela-
denen, aber dann nicht realisierba-
ren Wettbewerben (z.B. Tegel und
Koch-/Friedrichstr.) teilgenommen
hatten. Bei den „Stars” der Scene
genügte der IBA also Qualifikation
in einem Wettbewerb, um sie an-
dernorts an Bauaufgaben heranzu-
bringen. Dies trifft übrigens auch
für die Verfahren Rauchstraße und
Lützowplatz zu.
Im Juli 1981 reisten wir, die 2 am
Wettbewerb Lützowplatz beteilig-
ten Gruppen, unabhängig vonein-
ander nach Berlin zur Ausstellung
der Arbeiten. Unsere Erwartungen
wurden enttäuscht, anläßlich der
Aussfellungseröffnung Vertreter
der IBA und der Stadt Berlin sowie
Kollegen kennenzulernen und auf
ein gewisses Maß an öffentlicher
Aufmerksamkeit zu stoßen: keiner
der hohen Herren war anwesend,
eine Vorstellung der Arbeiten und
der Teilnehmer fand nicht statt.
Andernorts ist dies bei Wettbewer-
ben üblich und gerade für junge
Berufsanfänger wichtig.
Mit Glück, wie man uns zu ver-
stehen gab, kam am nächsten Tag
ein mehrminütiges Kurzgespräch
mit Herrn Kleihues zustande, — die
vom Preisgericht empfohlene Be-
teiligung solle von uns nicht als An-
spruch mißverstanden werden und
man solle sich freuen, zu den Prei-
strägern zu Te
Anschließend eingereichte Ar-
beitsmappen unserer einzelnen
Gruppen sollten geprüft und wir
bei weiteren Entscheidungen infor-
miert werden. Gerüchte über eine
Vorschlagsliste, die uns nicht be-
rücksichtigte. kamen uns im Januar
2.Preis Lützowplatz Hellriegel / Neuerburg, Köln
1982 zu Ohren. Wir forderten
Herrn Kleihues auf, uns die inhalt-
lichen und organisatorischen Kon-
zepte der Planung mitzuteilen und
den Prozeß der Entscheidungsfin-
dung tranparent zu gestalten. Un-
ser Interesse ging hierbei über un-
sere Rolle als Preisträger hinaus
und richtete sich auch auf die vom
Wettbewerb erhofften architekto-
nischen und sozialen Qualitäten.
Andere Preisträger reagierten
meist nicht auf unsere Initiative; es
entstand allerdings die Interessen-
gemeinschaft der 0.a. Frankfurter
und Kölner Teilnehmer.
Ein Brief der IBA im März 1982
brachte schließlich Gewißheit über
unsere Nichtteilnahme. Aus dem
Kreis der Preisträger waren mehre-
re Gruppen berücksichtigt worden;
Teilbereiche mit hohen Realisie-
rungsaussichten wurden an in ande-
ren Wettbewerben qualifizierte,
bekannte Büros vergeben. Unsere
Kritik an dieser Praxis sowie der
Vorschlag, zumindest unsere aus 3
Preiträgern DES CREN Arbeits-
mit einer Planungsaufgabe
En Detrauen. blieben Unbeantwor-
tet.
Wir haben daher den BDA Ber-
lin um Unterstützung gebeten.
Dessen engagierter Brief vom
April an die Planungsdirektoren
mit der Auforderung zu einem ge-
meinsamen Gespräch ist auch noch
nicht beantwortet. („Es stünde der
IBA gut an, wenn sie die Pflege der
Wettbewerbsverfahren mit der
Stützung der Autorität des Preisge-
richts und der Förderung des Nach-
wuchses verbände.”)
Um unsere Position zu verdeutli-
chen und um vermuteten Vorbe-
halten hinsichtlich unserer fachli-
chen Qualifikation zuvorzukom-
men, erarbeiteten wir bis Juni eine
Broschüre mit Argumenten, Bio-
grafien und neuen Arbeitsproben.
In Kleinauflage an IBA-Direktoren
und -Koordinatioren verteilt, gab
es auch hier keine Antwort.
Weitere Rückfragen handelten
uns schließlich den Vorwurf ein,
mit dem indiskreten Wirbel unserer
Broschürenaktion mögliche Zu-
sammenarbeit bereits im Vorfeld
vereitelt zu haben. Wie kann man,
so fragen wir uns, zu denen, die
man schon lange ausgeschlossen
hat, von Vorfeld und Zusammenar-
beit sprechen?
Die Mißachtung unserer Interes-
sen und Ansprüche sind eine bisher
durchgängige Erfahrung in der auf-
wendigen und ergebnislosen Aus-
einandersetzung mit der Neubau-
IBA und ihrem Planungsdirektor.
Daher stellen sich für uns nun etli-
che Fragen, wie es zu dieser Odys-
see kommen konnte. Einige wer-
den wohl für immer unbeantwortet
bleiben müssen, doch manche sind
heute für uns erklärbar.
Wie sich in unseren zweijährigen
Bemühungen zeigte, sind wir mit
den Organisatoren der IBA nie zu-
recht gekommen. Letztendlich lag
das Hauptproblem bei dieser Orga-
nisation, die sämtliche Wettbewer-
be ausschrieb und auch an der
Preisverteilung mitwirkte. Für alle
weiteren Bearbeitungs- und Ent-
wurfsstufen ist die IBA der maß-
gebliche Ansprechpartner für die
Architekten. Sie ist auch in diesem
Stadium der Vermittler zwischen
möglichen Bauherren und der Ver-
waltung.
Es ist also für Architekten, im
Rahmen von IBA-Wettbewerben
nicht möglich, sich direkt an den
Bauherrn und die Behörden zu
wenden. Die IBA ist nur eine emp-
fehlende Institution. Sie hat daher
immer wieder eine Möglichkeit,
sich gegenüber unseren Anliegen
nicht festlegen zu müssen.
Architekten müssen ihre Projek-
te den IBA-Verantwortlichen zur
Begutachtung vorlegen, gegenüber
Bauherrn, Bauträgern, Senat,
WBK und Bezirksämtern diese je-
doch selber durchfechten. Wenn es
also um die konkrete Durchsetzung
von Bauaufgaben geht, sind die
IBA-Organisatoren nicht mehr zu-
ständig.
Nach außen stellt sie sich aber als
alleinige Entscheidungs- und Ver-
gabeinstitution dar.
Man muß sich fragen, ob eine
Nichtberücksichtigung damit zu-
sammenhängt, daß wir junge Ar-
chitekten, Berufsanfänger und
„Nobody’s” in der Architektensce-
ne sind. Aber gerade die IBA sollte
es als ein Forum jungen Architek-
ten ermöglichen, ihre Vorstellun-
gen zu verwirklichen.
Die für den Neubauteil zuständi-
gen Kontaktpersonen, Planungsdi-
rektoren und Koordinatoren haben
nie Interesse gezeigt, sich mit uns
auf einer fachlichen Ebene ausein-
anderzusetzen. Ihre Rollen bestan-
den darin, uns immer wieder zu
vertrösten, um uns dann irgend-
wann beiläufig mitzuteilen. daß die
Entscheidung schon längst gefallen
wäre. Trotz der Empfehlungen des
Preisgerichts waren wir für diese
Herren lästige Bittsteller. Wozu
werden Wettbewerbe ausgeschrie-
ben und die Vorschläge junger Ar-
chitekten prämiert, wenn man sie
anschließend beiseite schiebt?
Selbst eine Aufforderung des BDA
Berlin an die IBA-Direktoren ver-
lief bisher im Sand,
Abschließend bleibt zu fragen,
welche konkrete Funktion die IBA
eigentlich hat. Unserer Ansicht
nach sollte die IBA ein klar geführ-
ter Organisations- und Verwal-
tungsapparat sein, um neue Vor-
stellungen realisieren zu können.
Statt dessen hat die IBA sich im
Kompetenzstreit und Profilierungs-
denken einzelner aufgerieben.
Letztendlich werden die IBA-
Bauten von Finanzierungs- und
Bauträger gesellschafltlich reali-
siert. Veränderungen geplanter
Vorhaben durch diese Investoren
können von der IBA mangels
Durchführungskompetenzen Oft
nicht wirkungsvoll verhindert wer-
den — ebenso wenig von Architek-
ten, die in den Augen der Bauherrn
nur zusätzliche Probleme und Ko-
sten verursachen.
Soll man sich gar darüber freuen,
unter solchen Bedingungen nicht
am Planen und Bauen in Berlin be-
teiligt zu sein?
Berlin im IH. Reich
Anläßlich des 50. Jahrestages der
Machtübergabe ist in der Reihe
„Diskussionbeiträge” des Instituts
für Stadt- und Regionalplanung der
TU Berlin die Publikation „Der
Fehrbelliner Platz — Fragmente ei-
ner durch das III. Reich gezeichne-
ten Geschichte” (Verfasser: Harald
Bodenschatz und Hans Stimmann)
erschienen. Mit dieser Publikation
wird nicht nur versucht, die ver-
drängte Geschichte des wichtigsten
„Berliner Platzes des einfachen
deutschen Angestellten der NS-Pe-
riode” anhand von Dokumenten
städtebaulich und nutzungsmäßig
zu rekonstruieren, sondern gleich-
zeitig demonstriert, wie in der
Nachkriegszeit dieser „Platz ohne
offizielle Erinnerung” angeeignet
wird. Preis: 10 DM. Erhältlich:
ISR der TU Berlin, Dovestr. 1-5
Zimmer 701. 1000 Berlin 10.
Kontaktanzeige:
Im Rahmen meiner Dissertation
zum Thema „Soziokulturelle Ein-
richtungen. Geschichtliche, politi-
sche, soziale und räumliche Hedin-
gungen” suche ich insbesondere
Material über Volks-, Arbeiterver-
eins- und Gewerkschaftshäuser
(auch Pläne, Fotos) von 1848 bis
heute. Außerdem interessieren
mich alle Initiativen einer „Kultur
von Unten”, die es zu eigenen Häu-
sern gebracht haben. Unkosten
werden erstattet. Wolfgang Niess,
Goebenstr. 45, 3000 Hannover 1
Tel 0511/66 74 01.
Veranstaltungshinweis
2]. — 23. Juni 1983, Rennes,
Frankreich: Intern. Symposium on
New Materials for Building and Ci-
vil Engineering.
Auskunft: M. Laquerbe, INSA, 20
ave des buttes de coesmes, F-35043
Rennes Cedex