Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1983, Jg. 15, H. 67, 68, [69/70], 71, 72)

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KASSEL, Siedlungsbeispiel 2 
Gegenüber solchen Betrachtungen besteht 
der Verdacht, daß bestimmte Bau- bzw. 
Freiraumkonzepte, die Verfügungen und 
bestimmte Formen von Subsistenzwirtschaft 
nicht ’nötig’ bzw. unmöglich machen, die 
Kontrolle des Hausbesitzers oder der Woh- 
nungsgesellschaft über das Wohnen zum 
verschwiegenen Hintergrund haben. Die 
Pflege’ des Wohnortes macht auch hier den 
Zugriff deutlich: Sanierungen und Renovie- 
rungen, als große Maßnahmen in weiteren 
Abständen, produzieren ’Neuwertigkeit’ ge- 
gen die Aneignung und Alterung des Wohn- 
ortes. 
Die Qualität des Wohnungsbaus erweist 
sich erst ın der Zeit; in der Möglichkeit der 
’Verfertigung’ von Ausgangsbedingungen. 
Die einzig plausible Frage, mit der sich die 
philanthropischen Weisheiten von Planung 
überprüfen lassen, ist: wie (über)leben die 
Leute? ’Wichtig am Wohnen ist nicht, wie es 
ist, sondern was es im Leben von Menschen 
bewirkt.!2 
Zwei Siedlungen in Kassel 
Bevor wir uns zwei Siedlungen auf die oben 
gestellten Fragen hin ansehen, wollen wir 
noch eine ’Konkretisierung’ zu den ’Ver- 
heißungen’ voranstellen: 
Im Lehrbuch von Hans Schiller, ’°Gartenge- 
staltung’ von 1958 finden wir unter der 
Überschrift „Die Hofanlagen als Gemein- 
schaftsgrün“, „Das Grünflächenprogramm 
bei Wohnbauten“: 
g) Die Hofanlagen als Gemeinschaftsgrün 
Das Grünflächenprogramm bei Wohnbauten 
Plätze für Mülleimer. Entweder durch überdachte, 
nergolenartige Plätze oder als festgebaute Häuschen. 
Gegebenenfalls auch hecken- oder gebüschumrahmte 
Platzanlagen. Die Unterbringung der Mülleimer in das 
Kellergeschoß hat sich nicht bewährt. Zufahrtmöglichkeit 
für Müllautos. Plätze für Teppichklopfstangen. Sie müssen 
groß genug sein, um Teppichklopfen für mehrere Parteien 
gleichzeitig zu ermöglichen. Hinter der Teppichklopfstange 
muß mindestens 1,60 m Raum bleiben, damit der Teppich 
überhängen kann. Diese Anlagen sollen möglichst nicht mit 
den Müllplätzen zusammengelegt sein. Auch sie sind zum 
Schutz vor Verstaubung und Lärmdämpfung in wenigstens 
2 m breite Gebüschpflanzungen einzubauen. Keine 
rauhblättrigen Gehölze wählen, in denen sich der Staub 
leicht verfängt. Glattblättrige Arten wie Liguster, Sympho- 
ricarpus u.a. 
Wäschebleichen und Trockenplätze sind zu schaffen. Sie 
sollen sonnig liegen. Möglichst keine ortsfesten Wäsche- 
pfähle, sondern herausnehmbare. Zweckmäßig ist es, wenn 
die Wäscheplätze abgeschlossen werden können, um Dieb- 
stahl und Beschmutzung zu verhindern. Abseits von den 
Kinderspielplätzen. Auch sog. „Wäschespinnen“ möglich. 
Genügend große Kinderspielplätze sind notwendig. Je 
größer der Spielplatz, um so besser. Halbschattig. 
Einzelbäume. Kleine Anlagen sind unhygienisch. Mehrere 
Sandkästen sind vorzusehen. Sand häufig (jährlich 
mindestens 2-3mal) erneuern. Gegebenenfalls sind auch 
Planschbecken zu planen. Elternsitzplätze vorsehen. Der 
Kinderspielplatz soll an eine Rasenfläche grenzen, die 
wenigstens zeitweilig dem Kinderspiel freigegeben werden 
soll. Einfache Geräte wählen. !? 
Der Mülleimer ist das Sorgenkind des Grün- 
planers. Auch alle anderen Orte, die Ausdruck 
von Arbeit sind, gilt es, wegzugrünen. Sie 
entsprechen nicht den Intentionen von Erho- 
lungslandschaft. Sie scheinen notwendiges 
unvermeidbares Übel zu sein; gleichzeitig sind 
die mit ’Arbeit’ verbundenen Orte einzige 
Programmpunkte bei der ’Qualifizierung’ der 
grünen Wohnlandschaft. Aber Hauptbeschäf- 
tigung der Leute soll ja Müßiggang, Kontem- 
plation und Spiel sein. 
Beispiel I 
Die Siedlung wurde 1963-72 von der Kur- 
hessischen Wohnungsbaugesellschaft errich- 
tet. 
Unsere Beobachtungen zeigen, daß diese 
Orte, insbesondere die Mülltonnen, einen 
besonderen Stellenwert, für die Tätigkeiten 
und Anlässe nach draußen zu kommen, 
gewinnen. 
Ein . älterer Mann, leicht gehbehindert, 
kommt mit einem halbvollen Mülleimer aus 
der Haustür - geht langsam, sich umschauend 
in Richtung Müllcontainer - bevor er 
ankommt, trifft er eine Frau, die vom 
Einkaufen kommt - sie bleiben stehen und 
reden ca. eine halbe Stunde miteinander - die 
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