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KASSEL, Siedlungsbeispiel 2
Gegenüber solchen Betrachtungen besteht
der Verdacht, daß bestimmte Bau- bzw.
Freiraumkonzepte, die Verfügungen und
bestimmte Formen von Subsistenzwirtschaft
nicht ’nötig’ bzw. unmöglich machen, die
Kontrolle des Hausbesitzers oder der Woh-
nungsgesellschaft über das Wohnen zum
verschwiegenen Hintergrund haben. Die
Pflege’ des Wohnortes macht auch hier den
Zugriff deutlich: Sanierungen und Renovie-
rungen, als große Maßnahmen in weiteren
Abständen, produzieren ’Neuwertigkeit’ ge-
gen die Aneignung und Alterung des Wohn-
ortes.
Die Qualität des Wohnungsbaus erweist
sich erst ın der Zeit; in der Möglichkeit der
’Verfertigung’ von Ausgangsbedingungen.
Die einzig plausible Frage, mit der sich die
philanthropischen Weisheiten von Planung
überprüfen lassen, ist: wie (über)leben die
Leute? ’Wichtig am Wohnen ist nicht, wie es
ist, sondern was es im Leben von Menschen
bewirkt.!2
Zwei Siedlungen in Kassel
Bevor wir uns zwei Siedlungen auf die oben
gestellten Fragen hin ansehen, wollen wir
noch eine ’Konkretisierung’ zu den ’Ver-
heißungen’ voranstellen:
Im Lehrbuch von Hans Schiller, ’°Gartenge-
staltung’ von 1958 finden wir unter der
Überschrift „Die Hofanlagen als Gemein-
schaftsgrün“, „Das Grünflächenprogramm
bei Wohnbauten“:
g) Die Hofanlagen als Gemeinschaftsgrün
Das Grünflächenprogramm bei Wohnbauten
Plätze für Mülleimer. Entweder durch überdachte,
nergolenartige Plätze oder als festgebaute Häuschen.
Gegebenenfalls auch hecken- oder gebüschumrahmte
Platzanlagen. Die Unterbringung der Mülleimer in das
Kellergeschoß hat sich nicht bewährt. Zufahrtmöglichkeit
für Müllautos. Plätze für Teppichklopfstangen. Sie müssen
groß genug sein, um Teppichklopfen für mehrere Parteien
gleichzeitig zu ermöglichen. Hinter der Teppichklopfstange
muß mindestens 1,60 m Raum bleiben, damit der Teppich
überhängen kann. Diese Anlagen sollen möglichst nicht mit
den Müllplätzen zusammengelegt sein. Auch sie sind zum
Schutz vor Verstaubung und Lärmdämpfung in wenigstens
2 m breite Gebüschpflanzungen einzubauen. Keine
rauhblättrigen Gehölze wählen, in denen sich der Staub
leicht verfängt. Glattblättrige Arten wie Liguster, Sympho-
ricarpus u.a.
Wäschebleichen und Trockenplätze sind zu schaffen. Sie
sollen sonnig liegen. Möglichst keine ortsfesten Wäsche-
pfähle, sondern herausnehmbare. Zweckmäßig ist es, wenn
die Wäscheplätze abgeschlossen werden können, um Dieb-
stahl und Beschmutzung zu verhindern. Abseits von den
Kinderspielplätzen. Auch sog. „Wäschespinnen“ möglich.
Genügend große Kinderspielplätze sind notwendig. Je
größer der Spielplatz, um so besser. Halbschattig.
Einzelbäume. Kleine Anlagen sind unhygienisch. Mehrere
Sandkästen sind vorzusehen. Sand häufig (jährlich
mindestens 2-3mal) erneuern. Gegebenenfalls sind auch
Planschbecken zu planen. Elternsitzplätze vorsehen. Der
Kinderspielplatz soll an eine Rasenfläche grenzen, die
wenigstens zeitweilig dem Kinderspiel freigegeben werden
soll. Einfache Geräte wählen. !?
Der Mülleimer ist das Sorgenkind des Grün-
planers. Auch alle anderen Orte, die Ausdruck
von Arbeit sind, gilt es, wegzugrünen. Sie
entsprechen nicht den Intentionen von Erho-
lungslandschaft. Sie scheinen notwendiges
unvermeidbares Übel zu sein; gleichzeitig sind
die mit ’Arbeit’ verbundenen Orte einzige
Programmpunkte bei der ’Qualifizierung’ der
grünen Wohnlandschaft. Aber Hauptbeschäf-
tigung der Leute soll ja Müßiggang, Kontem-
plation und Spiel sein.
Beispiel I
Die Siedlung wurde 1963-72 von der Kur-
hessischen Wohnungsbaugesellschaft errich-
tet.
Unsere Beobachtungen zeigen, daß diese
Orte, insbesondere die Mülltonnen, einen
besonderen Stellenwert, für die Tätigkeiten
und Anlässe nach draußen zu kommen,
gewinnen.
Ein . älterer Mann, leicht gehbehindert,
kommt mit einem halbvollen Mülleimer aus
der Haustür - geht langsam, sich umschauend
in Richtung Müllcontainer - bevor er
ankommt, trifft er eine Frau, die vom
Einkaufen kommt - sie bleiben stehen und
reden ca. eine halbe Stunde miteinander - die
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