Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1984, Jg. 17, H. 73-78)

formaler Zusicherung) meist folgenden die dazu neigt, die Krisenlasten, die auf @ Die Mobilisierung von Selbsthilfe und 
Umzugsketten zu Belastungen, die der die einkommensschwachen Bevölke- Selbstverwaltung, von Selbstverant- 
Einzelhaushalt nicht mehr auffangen _rungsgruppen ohnehin schon zukom- wortlichkeit und Solidarität waren zwar 
kann und die durch öffentliche Mittel men, noch zu verschärfen. Wohnungspo- Gründungsansprüche und sind bis heute 
abgefangen werden müssen (Wohngeld, litik wird zunehmend gefordert, zur Min- Teil der Festtagsrhetorik, doch werden 
Sozialhilfe usw.). Die Obdachlosigkeit derung der Krisenfolgen, zur Kompensa- sie heute faktisch eher verhindert und er- 
oder weniger dramatische „Karrieren“ tion, zur Lebenslagensicherung beizu- schwert. 
als Sozialhilfeempfänger sind oft die tragen. Wohnungspolitik wird - wie . . 
stigmatisierenden Folgen dieser staatlich schon einmal vor 1933 - primär: ® Gruppenbildung im Vorfeld („Ge- 
geförderten Vernichtung preiswerten _ meinschaft als Bauherr oder Käufer“) 
Wohnraumes. Drittens kommt aber Sozial- und Kulturpolitik ist faktisch nicht mehr möglich. 
gerade den gewachsenen Nachbarschaf- ® Die Gemeinnützigen haben nicht die 
ten in Zeiten wirtschaftlicher Not er- Tradition der Wohnungsreform als 
höhte Bedeutung zu. Deren Problem- 3, Die Reformdebatte um das Woh- Kulturreform fortsetzen können; sie ha- 
lösungsfähigkeit bei der psychischen, nungsgemeinnützigkeitsgesetz ben sich im Gegenteil als eher innova- 
N SUDKACNG der. Bewoh EN (WGG) wird zu defensiv geführt tionshemmend erwiesen. 
genutzt werden, würde sie nicht durch Die Geschichte des sozialen Wohnungs- ® Die. „Wohnungsgemeinnützigkeit“ 
anlegerorientierte Bestandspolitik zer- baues in Deutschland ist wesentlich die mit ihrem „Tausch“ von steuerlicher 
stört werden. Geschichte genossenschaftlich-gemein- F!ivilegierung gegen freiwillige Zweck-, 
® Vorteile gemeinschaftlicher Selbstver- nütziger Trägerformen. Die Besonder- Vermögens- und Überschußbindung N 
sorgung: Sowohl im rein wirtschaftli- heit der deutschen Entwicklung liegt früher begehrte Auszeichnung - ist heute 
chen Bereich (Kauf, Gebühren, Verwal- darin, daß der Wohnungsbau für Ein- für SIMBE Gemeinnützige nur noch 
tung, Instandsetzung, Modernisierung kommensschwache gleichzeitig ein Woh- lästige Beschränkung, aus der sie aus- 
usw.) wie auch bei der „Sozialversor- nungsbau mit hohen, heute noch aner- zusteigen wünschen. 
gung“ verbleiben noch einige Vorteileder kannten Standards im kulturellen, sozia- @ Die preisregulierenden Verbundfor- 
Gruppenselbsthilfe: entweder als len und wirtschaftsreformerischen Be- men zu vor- und nachgelagerten 
Mengeneffekte (economies of scale) oder reich war. Mit dem genossenschaftlich- Märkten (Finanz-, Bau- und Baustoff- 
indem Arbeit aus dem formellen in den gemeinnützigen Wohnungsbau wurden märkte) wurden nach 1933 abgeschafft 
informellen Bereich verlagert wird (Gar- die Bewohner aufgewertet, nicht stigma- und teilweise rechtlich verunmöglicht 
ten- und Wohnumfeldgestaltung, „kleine tisiert wie im paternalistischen Armen- (Regiebetriebe, Bauhütten, _Sparab- 
Netze“ bei der Kinder- und Altenbe- fürsorgewohnungsbau. teilungen, eiene Banken usw.). 
treuung, Gruppenselbsthilfe bei der In- Der frühere Status der gemeinnützigen ; ® 
standsetzung/ Modernisierung, Verwal- Wohnungsunternehmen (GWU), der ® Die ordnungspolitische Trennung 
tung usw.). ausschließlich ihnen staatliche (direkte zwischen dem Sektor gemeinnütziger 
® Wohnkulturelle Innovationen: Jahr- und indirekte) Förderung zukommen und Zreier WohTESWITSChAft. WiTdE 
zehnte materiell relativ gesicherter ließ, beinhaltete gleichwohl keine Privile- Or TE das Soß. Gleichheitsprinzip in 
Versorgung beginnen die Vorstellungen ierung sondern eine Art Tausch: die dur a SWG Aufhebung vi 
über Wohnwerte zu qualifizieren: stärke-  Selbsthilfeunternehmen legten sich selbst KR GG); Erweiterung des Ge- 
re individuelle Differenzierungen einer- Weitgehende Bindungen auf (Vermö- SEAN KTSEN 
seits, zum anderen beginnt das soziale, SCNS- und Überschußbindung, be- @ Neubaubedarf besteht kaum noch: die 
ästhetische und kulturelle Wohnumfeld Schränkte Verzinsung, Selbstkostenmie- verbleibenden Bauleistungen kom- 
eine gewichtigere Rolle zu spielen. Bei- t©, Dauerwohnrecht) und boten ihren men nicht den wirklich bedürftigen 
des - die individuelle Bedürfnisdifferen- Mitgliedern oder auch der Allgemeinheit Gruppen zugute (Eigentumsmaßnah- 
zierung wie auch der Wunsch nach tendenziell öffentliche Leistungen (Kin- men). Die Baupflicht ist unhaltbar ge- 
selbstgewählten Nachbarschaften - über- dergärten, Spielplätze, Freizeit- und Bil- worden. 
fordern das bisherige Regulierungs- dungseinrichtungen, Sozial- und Not- 
system der Wohnungsplanung (Normie- fonds usw.). Öffentliche Gegenleistungen 
rung) und Zuteilung. Neue, handhabbare Waren also immer ein „Tausch“ gegen Be- Mer Abbau und Verlust bedeutender 
Trägerformen für Gruppen mit eigenen Schränkungen der Eigentumsrechte und früherer Funktionen, die Zerstörung in- 
wohnkulturellen Vorstellungen werden »SOlidarisch-subsidiäre“ Leistungen. terner und externer Funktionsvorausset- 
gebraucht. _ Diese auch sozial- und kulturpolitisch ZUngen (z.B. das absurde Kostenmieten- 
® Abkonpnelung der Finanzierung von imteressante Balance von freien Trägern prinzip), die Verwischung der Trennli- 
den hen N reditmärkten: Zinshühe und staatlichen Organen wurde durchdie Nie zwischen freien und gemeinnützigen 
and Zinsschwankungsen Sind Als. Steu- Entwicklung von 1933 bis heute restlos Trägern haben die gemeinnützige Woh- 
g N zerstört. Einige dieser „Rückschritte“ _nNungswirtschaft in eine Funktions- und 
EEE ET A seien genannt: Legitimationskrise gebracht. Mit einer 
mus. Es ist eine neue Förderungspolitik ® Die Möglichkeit, solidarisch-subsi- SO Und dem DOREEN zn ee 
zu entwickeln, die - wie alle historischen diär soziale und kulturelle Dienstean- 7;ajen Marktwirtschaft“ schaden die Ver- 
Wohnreformkonzepte - die Finanzie- zubieten, wurde durch das WGG bände Idee und Möglichkeiten gemein- 
rung verstetigt, private Reformrenten (1940) rechtlich erschwert. nütziger Trägerformen mehr als sie ihm 
verhindert, die Vielzahl unternehmeri- @ Die Kostenmiete, als selbstkosten- nützen. Wer auf so viele Funktionsver- 
scher Zwischenstufen abbaut, nicht aus- orientierte, gewinnlose Reformmiete Iluste und veränderte Rahmenbedin- 
baut. All dies setzt - wie in den ursprüng- eingeführt, ist heute bei Neubauten um gungen nur defensiv reagiert, darf sich 
lichen Wohnungsgemeinnützigkeitsprin- ein Vielfaches höher als die Marktmiete. nicht wundern, wenn er Objekt staatli- 
Den en Me forderte WolE Die objektberogcns Berechnungsweise cher Verfügungsinteressen wird. 
7 ist „unvolkswi ich“ ü - En 
nungen voraus. Nur aus gebundenen Be- SEHE CE NEW NGEN in Wa EEE ET 
ständen läßt sich ein nicht-kreditmarkt- Mietengefüge. /ohnungswirtschaft ist, daß sie aufge- 
verpflichteter und nicht von Zins- ep 1 . - San hört hat, sich ordnungspolitisch eigen- 
schwankungen abhängiger Finanzie- as allgemeine Mietverhältnis, das s/ändig zu legitimieren. Nur wenn man 
; ; abgebaut bzw. bei Genossenschaften die gemeinnützige Woh wirtschaft 
rungsteilkreislauf aufbauen. DE ; ) 68 A ZIES WW ONNUNESWITISCHA: 
) N Pat beseitigt werden sollte, wird durch die wieder als eigenen Sektor - und nicht wie 
Die Wende zur „qualitativen Wohnpoli- großen gemeinnützigen Wohnungsun- jetzt als Summe einzelner Marktunter- 
tik“ bedeutet auch den Abschied von der ternehmen eher verallgemeinert und auf nehmen - begreift, werden die prinzi- 
Wohnungspolitik als Wirtschaftsförde- ein neues Niveau der Anonymität und piellen Chancen - und jetztigen Schwä- 
rungspolitik (Wohnung als Anlagegut)) Bürokratisierung angehoben. chen - der GWU sichtbar. 
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