Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1984, Jg. 17, H. 73-78)

Jörg W. Lewin 
eG: 
Der Bau beginnt 
M 28 Mietreihenhäusern, 6 Geschoß- 
wohnungen und einem Gemeinschafts- 
haus steht die jüngste und kleinste Hambur- 
ger Baugenossenschaft drei Jahre nach ersten 
Vorgründungsarbeiten endlich vor dem Bau- 
beginn. 
1978 hatte die SPD in ihr Kommunalwahl- 
programm für den Bezirk Hamburg-Nord ge- 
schrieben, man wolle als Alternative zwi- 
schen dem herkömmlichen Eigenheimbau 
oder dem üblichen Geschoßwohnungsbau im 
sozialen Wohnungsbau wieder anknüpfen an 
der Tradition der Selbsthilfe „Zusammen 
geht es besser“ und die Gründung von Klein- 
genossenschaften mit etwa 15 bis 30 Bauwilli- 
gen anregen. 
Auf Antrag der SPD-Fraktion im Bezirk 
Hamburg-Nord wurde im Januar 1981 in 
einem zukünftigen Neubaugebiet in Alster- 
dorf - wenige hundert Meter entfernt von der 
Stelle, wo Wolfgang Borchert sein Stück 
„Draußen vor der Tür“ schrieb - eine kleine 
Fläche reserviert für eine zu gründende Klein- 
genossenschaft. Aufgrund öffentlicher Wer- 
bung und nach Informationsveranstaltungen 
im Herbst 1981 interessierten sich bis Januar 
1982 schließlich rund 120 Personen für das 
Projekt, und am 27.2.1982 wurde die Bau- 
und Wohngenossenschaft Wolfgang-Bor- 
chert-Siedlung von 22 Personen gegründet. 
Zwei Jahre später, kurz vor Baubeginn, sind 
von heute 34 Mitgliedern nur noch 13 Grün- 
dungsmitglieder. 
Bevor die im Februar 1982 neugegründete Familie mit zwei Kindern und Anspruch auf halben Jahres zwei Bürgerschaftswahlkämp- 
Genossenschaft beim Amtsgericht Hamburg einen „$ S-Schein“ zur Berechtigung im fe. Auch die Grundstücksvergabe an die Bau- 
eingetragen werden konnte, mußte sie eine sozialen Wohnungsbau zu wohnen, hat so und Wohngenossenschaft Wolfgang-Bor- 
Prüfung beim zuständigen Prüfungsverband, mal eben 30.000 oder 35.000 DM füreinrund chert-Siedlung geriet dabei ins politische 
dem Verband Norddeutscher Wohnungs- 95 qm großes Haus zur sofortigen Verfügung? Sperrfeuer. Die von der Baubehörde an die 
unternehmen, durchlaufen. Der wichtigste Und obgleich sonst in Hamburg auch Genos- Genossenschaft gestellte Vorgabe, daß man 
Punkt war dabei die Prüfung der wirtschaft- senschaftsanteile über sog. Jungverheirate- dieses Grundstück in dieser Größenordnung 
lichen Solvenz und auch des wirtschaftlichen tendarlehen mitfinanzierbar sind, wurden nur vergeben würde, wenn eine vollständige 
Sachverstandes im Vorstand. Da im sozialen unseren Genossen, die dieses ebenfalls bean- Belegung der zukünftigen Wohnungen ge- 
Wohnungsbau von dem jeweiligen Bauherrn tragt hatten, nach 6 Monaten Bearbeitungs- sichert sei, wurde darin seitens der CDU in der 
15 Prozent der Gesamtkosten des Bauvorha- zeit die Anträge wieder zurückgeschickt, da Bürgerschaft und auf einer extra dafür ein- 
bens als Eigenanteil aufgebracht werden muß, man die Voraussetzung nicht erfüllte, daß berufenen Pressekonferenz hart kritisiert. Im 
war die erste Frage des Verbandes, ob die zwischen Bezahlung der Genossenschaftsan- sozialen Wohnungsbau hat im Normalfall das 
neue Genossenschaft denn auch die rund teile und Bezug der Wohnungen nicht länger Wohnungsamt Belegungsrecht über 40% der 
1 Million DM, die 15% des von uns projek- als ein Jahr vergangen sein darf, was in Wohnungen. In diesem Modellvorhaben der 
tierten Bauvorhabens in etwa efitsprächen, unserem konkreten Fall überhaupt gar nicht Kleingenossenschaft ist darauf verzichtet 
verbindlich auf unserem Konto nachweisen möglich gewesen wäre. worden. Denn in solch einem Fall hätten 21 
könnte. Irgendwelche Zusagen für spätere Trotz dieser Finanzierungsschwierigkeiten Genossenschaftler insgesamt 34 Wohnungen 
Selbsthilfearbeiten durch heutige Genossen gelang es bis zum April 1982, die Bedingung finanzieren müssen, und dies ist finanziell 
könnten als Kapitalersatz zu dem damaligen der Baubehörde zu erfüllen und insgesamt 34 überhaupt nicht mehr darstellbar. Somit wäre 
Zeitpunkt nicht anerkannt werden, denn wer Mitglieder vollständig zu benennen. Dies war jede derartige kleine Bewohnergenossen- 
garantiert, daß dieselben Genossen später bei einigen Interessenten auch deswegen schaft von vorneheein schon im Vorfeld zum 
zum Zeitpunkt der zu erbringenden Selbst- schwierig, da sie befürchteten, möglicherwei- Scheitern verurteilt. Diese Tatsache ist wohl 
hilfe noch Mitglied sind oder in der Lage sind, se die „Katze im Sack“ zu kaufen; denn außer auch den CDU-Abgeordneten klar gewesen. 
diese Arbeiten noch durchzuführen. einem städtebaulichen Lageplan als Ergebnis Für die vom Wohnungsamt frühestens 
Bei 34 Mitgliedern zum Zeitpunkt des eines städtebaulichen Wettbewerbs gab es während der Bauphase vorgeschlagenen 
Eintragungsverfahrens hieß dieses pro Mit- keinerlei Grundrisse der Häuser - außer der Mieter wäre keine Chance mehr gewesen für 
glied DM 30.000 bar auf den Tisch. Da dieses Gewißheit, daß sie ohne Keller seien. Und die Mitbestimmung am Grundriß und für 
Geld natürlich keiner locker in der Tasche viele Interessenten konnten auch mit der _Selbsthilfearbeiten, zwei wesentliche Ziele des 
hatte, wurden ersatzweise in der Satzung zwei Zusage nicht viel anfangen, daß ihnen hierdie gesamten Vorhabens. Und ob es dem 
feste Termine noch vor dem geplanten Baube- Chance geboten würde für eine der wesent- Wohnungsamt tatsächlich gelungen wäre, der 
ginn festgeschrieben, wo jeweils 50% der zu lichsten Punkte der Mietermitbestimmung, —Genossenschatt genügend $ 5-Schein-Besitzer 
zahlenden Genossenschaftsanteile fällig wür- nämlich der Mitbestimmung über die Grund- als Hausbewerber nachzuweisen, die in der 
den. Und vor jedem Zahlungstermin setzte risse. Da dem Bausenator aber Ende April Lage und willens wären, sofort 30.000 DM 
jeder Genosse nochmals seinen spitzen 1982 eine Liste mit 34 Mitgliedern vorgelegt Genossenschaftsanteile zu zahlen, darf zu- 
Bleistift an zum Kalkulieren, und vor jeder wurde, konnte noch im April 1982 der Antrag mindest bezweifelt werden, wo doch schon 
Fälligkeitsrate gingen uns Genossen verloren. auf Anhandgabe des Grundstücks mit dem Genossenschaftswohnungen mit 8.000 bis 
Da war es stets überlebenswichtig für die Ziel der Bestellung eines 75jährigen Erbbau- 10.000 DM-Anteilen kaum übers Wohnungs- 
Genossenschaft, eine ausreichend lange Liste rechts gestellt werden. amt vermittelbar sind. Der Konkurs der 
interessierter Nachrücker zu haben. Welche Dann gab es in Hamburg innerhalb eines neuen Kleingenossenschaft wäre Vorpro-
	        

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