Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1984, Jg. 17, H. 73-78)

sagen in der großen Weltwirtschaftskrise 1929, die direkt in den 
Faschismus und Krieg geführt hat, übernahm er nach 1945 eine 
neue Rolle, nach dem keynesianischen Modell die der aktiven Kon- 
junkturpolitik. Seine Instrumente sind dabei Staatsverschuldung, 
Schaffung öffentlicher Nachfrage und als wichtigster Bereich: die 
Aufrüstung. Ziel dieser Politik ist dabei einmal die Abschöpfung 
von Kapital, um Überproduktion zu vermeiden, zum zweiten die 
Sicherung der Arbeitsplätze. Zur Aufrechterhaltung der Konjunk- 
tur ist die permanente und sich stets erweiternde Staatsnachfrage 
erforderlich. Damit konstituierte der Staat aber eine neue Form 
der Krise: Inflation plus Stagnation, die Stagflation (Jürgen H. 
Mender). Dieses Dilemma staatlicher Stabilisierungspolitik resul- 
tiert aus dem Widerspruch zur kapitalistischen Produktionsweise: 
Indem sie von der Nachfrageseite her Akkumulationsmöglichkei- 
ten für das private Kapital schafft, beschneidet sie doch gleichzei- 
tig tendenziell seine Akkumulationsfähigkeit. Das führt in der 
Konsequenz zur Umverteilung des gesellschaftlichen Kapitalwerts 
zugunsten großer Kapitale, führt aber auch zur Herausbildung ei- 
ner strukturell bedingten Reservearmee an Arbeitskräften, die 
sich im Zuge der Automation noch vergrößern wird. Spätestens 
Georges Candilis u.a., Trabantenstadt Le Mirail, Toulouse, 1962-65 seit der Krise 1973 wurden die Grenzen dieses Instrumentariums 
sichtbar. Der Glaube an die scheinbar beliebige Manipulierbarkeit 
Nicht bewußt, doch im Kontext dieser Ereignisse offenbaren zerbrach. Die Erben Keynes sind eigentlich ratlos. Der „Wohl- 
sich die sozialen Programmpunkte der CIAM (= Consres interna- fahrtsstaat” für die Arbeitnehmer erwies sich dabei auch als Illu- 
tionaux de l’architecture moderne) als Pazifizierungsstrategien. Sion. Nun heißen die Parolen: zurück zu den vorkeynsianischen 
Sie dienten den industriellen Unternehmern, indem sie die Woh- Methoden, mit allen damit verbundenen Problemen: Senkung der 
nung zu einem Massenprodukt machten und das neue Bauen indu- Sozialausgaben, Senkung der Reallöhne, Lohnkämpfe, Verschär- 
striell aufbereiteten in fertige, genormte DIN-Teile. Sie normier- vr arte orte N DAUDESN zunehmende Fremdenfeindlichkeit 
ten damit auch die Menschen, indem sie definierten, was der Und Ausländerhab. 
Mensch braucht: ein DIN-Teil Licht. ein DIN-Teil Luft und ein Hier muß man die Ursache für die Probleme sehen, die sich in 
DIN-Teil Sonne. den Städten heute abspielen und sich dort wie in einem Brennglas 
Säuberlich getrennt nach Wohnen, Freizeit, Arbeit und Verkehr TEE m NS an un keine N etelen EN 
präsentierte die Stadt ihre neue Urbanität. Man hatte sich des häß- en ech FE ch nn N Ne tn BC rm SC N  SUHOH CS - Gr 
lichen historischen Erbes entledigt. Diese Urbanität hatte nichts S°SSVSChaiPicher Yunktionen, ® TOZESSE un trukturen” (H. Gry- 
| . A ) N ) . a mer). „Sie zeigt sich heute als eine im wesentlichen (...) konflikt- 
mehr gemein mit der Öffentlichkeit des mittelalterlichen Bürgers An nn: N ; 
» . S ® mediatisierende Filiale des Staates, deren Aufgabe es ist, die Inter- 
oder der des „citoyen”, wo er in Bars, Cafes, Clubs und auf öffent- der Bü im Vorfeld j ) N 
lichen Plätzen die Ideen der Aufklärung diskutierte und Strategien essen Cer Ürger 1m VOICE ZU SOTUCFCR ZU DEWEHEN: ZU 4R0NY- 
7 97 rn misieren, abzufedern, zu differenzieren oder abzuschaffen, um Le- 
zu ihrer Umsetzung entworfen hatte. „Paradoxerweise”, urteilt en . Ua N Sa x MM 8 
Korbe entstand das neue, internationale Bauen aus dem gitimationskrisen des Staates soweit wie möglich einzudämmen. 
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Wunsch, die Umwelt zu verbessern”, es wollte den „entfremden- Stadt heute, ist sie noch Ort eines Versammelns, einer Identität, ist 
den, modernen Menschen” wieder zu einer sinnvollen Existenz Straße noch ein Raum für Übereinkunft, ist sie noch Lebensform, 
führen; er sollte „Freiheit” und „Identität” erfahren; Befreiung Ordnung? ; . e 
von absolutistischen Systemen und deren vulgären Nachfolgern; Seit Beginn des Jahrhunderts hat sich der Anteil der in der 
„zurück” hieß das Schlagwort, zu den Dingen. zur Rationalität, Landwirtschaft Beschäftigten in den meisten Industrienationen auf 
Zur neuen Sachlichkeit. ca. 5 % gesenkt. Der Industriesektor, der bis zu Beginn der 70er 
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Sache” war aber auch die in dieser Zeit sich vollziehende zweite Kt Ar han ee re EEE ru Dan UN US 
dustclle Revolution. Das wesentliche Merkmal dieser acuen stungsbereich hat den Industriesektor eingeholt. Das wesentliche 
 weileren Technologie — vor der man dann den notwendigen Kon ON eu ES EEE IL SE Ben ED NE 
7 ion, der von weni s o zu Beginn de erts auf bei- 
zentrationsprozeß des Kapitals nachvollziehen kann — ist nun der nahe 50 % (US Ar Deutschland ca. to %) angestiegen ist (Andre 
Prozeß der allgemeinen Mechanisierung, der Arbeitsintensivie- Danzin). Auf diese Tatsache gründen sich die neuen Theorien von 
OR Wer LEN CH U PREEDS RN 000010 EW0N0E- Dr ESG WA SI DE A 0 DEE der Sl 
AA tionstechnologie also und Stadt. Das wird die Zukunft der Stadt 
mit entzog sich der Produktionsprozeß den physischen und psychi- prägen. Von er aus wird eine neue Stufe der Stadtentwicklung 
schen Grenzen menschlicher Leistungsfähigkeit und verwies den erkennbar, die aber in anderer Weise als die bisherige Technisie- 
On RER auf NEE NEN EEK nd DD rung der Kommunikation in die Struktur der Stadt eingreifen wird, 
roduktionsprozeß wurde immer komplizierter und undurch- in neuer Weise den Raum als materielle Grundlage, auch seine 
schaubarer. Mit der aus der neuen Wissenschaft Kybernetik ent- ästhetische Vergegenständlichung, behandeln wird. en Dr Raum kann 
wickelten elektronischen Verwaltung, Gestaltung und den Com- dabei verloren gehen. Krise der Stadt, Verlust lokaler Identität 
Nasen SEO nr N NEN u Der EN heißt auch Bedeutungsverlust des Raumes. Die neue Technik be- 
satz von mit ihrer unbegrenzten Aufnahme- und Verarbei- darf keines psychisch-physischen Dialogs mehr, ist nicht mehr an- 
tungskapazität wird den Bereich der Automation ständig auswei- gewiesen nn Yohängie vom ET Uhysischei Transport von Kommuni- 
ten. | SE S kation. Das Kommunikationssystem Stadt kann entbehrlich wer- 
EG heutige N Near DE in mm den. Nur ein Beispiel: die Southbay Californiens, eine meilenlange 
ME MICHWEIS WIN ME ZUHERLERATFZAULIOLCH: BDOFWONOEN | as CiaEh ea al SEK UERIEES WERTE SEE Korn 
NS1dSE I 2 dem NET und ne USD zieren, aber in keiner städtischen Verbindung mehr stehen, keine 
gen. Der Produktionsprozeß verwissenschaltlichte sıch nun un Identifikation erlauben, sie leben von der Sendeantenne Stan- 
verselbständigte sich. Fortschritt heißt dies, weltweit im imperia- fords, vom Satelliten, weltweit. Im Gegensatz zu den alten Ver- 
len Rahmen. Und auf dieser Schiene entwickelte sich der neue in- und Entsorgungstechniken Wasser, Energie und Güter sind diese 
tervenierende Staat durch den 1. und 2. Weltkrieg. Kommunikationstechnologien nicht stadtraumwirksam. Aber die 
Veränderung des Stadtzentrums in diesem Rahmen bedeutet die 
grundlegendste Veränderung der konstituierenden Bedingungen 
Stadt als Problem von Stadt/Raum im Rahmen von High-Tech. Die „Raumbedeu- 
na tung” von „nichträumlicher Kommunikation” (W. Christ) wird 
Wie in der Wirtschaftsordnung, gab es letztlich auch keine Stadt, Gesellschaft und Arbeitswelt in eine vollkommen neue Her- 
Neuordnung des Staates. Er hatte aber gelernt. Nach seinem Ver- _ausforderung stellen.
	        
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