Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1984, Jg. 17, H. 73-78)

Parallel zu diesen sozialpsychologischen, raumstrukturellen Kompetenz und Effektivität entstanden ist und wenn wieder 
und sozialpolitischen Krisenbildern ist von städtischer Krise (Wahl-)Zeit verstrichen ist. Das heißt: verkürzte Problem- 
beinahe immer auch in einer vierten Dimension die Rede: der definitionen sind auch ein Mittel zumindest vorübergehender 
Krise der kommunalen Finanzen. Speziell für die Krise der Problembewältigung. Sie lassen die Probleme als dramatisch 
kommunalen Finanzen werden zwei strukturelle Gründe ge- (Krise!) und zugleich als bewältigbar erscheinen. Schließlich: 
nannt, die ich hier nur verkürzt erwähne: Solange die ganze Komplexität nicht begriffen wird, bleibt 
a) Die äußerst begrenzten Möglichkeiten der Kommune, ihr nn EEE SS CHEND Hintergrund der städtischen 
Steueraufkommen zu beeinflussen: beschränkte Einnah- Zuerich aber is EN - - 
menhobeit der Kommunen. _ Zugleich aber ist solche Problemlösung durch Verschieben 
b) Die hierarchische Arbeitsteilung zwischen Bund, Ländern in die Zukunft, an andere Orte oder in andere Zuständigkeiten 
und Kommunen, in der den Kommunen die Rolle eines uf Dauer wohl kaum durchzuhalten. Solcher Problemver- 
Mülleimers zufällt, in den die negativen sozialen, ökologischen schiebemechanismus wirkt längerfristig eher verschärfend. Die 
und finanziellen Folgeprobleme überlokal definierter Pro- „Lösung EEE a SO NN er 
gramme und Entwicklungen abgeschoben werden. Neuestes Senden Isparitäten hr. ; vr ha KL S TH nt AUrz: 
und Kkrassestes Beispiel für diese hierarchische Arbeitsteilung as Krisengerede ist auch ein „Dis inste CA SEN 
ist die Kürzung der Arbeitslosengelder und damit die Ent- bewältigung, aber nur vorübergehend. Dies insbesondere, weil 
lastung des Bundeshaushaltes auf Kosten der kommunalen gesellschaftliche Tendenzen angegeben werden können, die die 
Sozialhilfe Situation der Städte in allen drei zentralen Dimensionen 
städtischer Entwicklung - der raumstrukturellen, der sozialen 
Schließlich ist noch in einer fünften Dimension von städti- und der ökologischen - in Zukunft eher verschlechtern werden: 
scher Krise die Rede: der ökologischen. Vor allem Hecking hat ; ‘Ball bi b K 
mit seinen Untersuchungen über Flächenverbrauch dieses 1. Weiterer Zuzug in die Ba Mol iS ES EN € 
Problem zumindest in der wissenschaftlichen Diskussion Jahrgänge, Trend Zu kleineren Haus Neal Ki Sn nd der 
aktualisiert. Hecking geht von einer 2-prozentigen jährlichen Wachstumszentren München, Stuttgart, ira rohre er 
Steigerung der Wohnfläche pro Kopf aus, was auf Baden- Rheinschiene zu verstärkter Wohnungsnac rage führen. 
Württemberg bezogen bedeuten würde, daß zusätzlich zu den 2. Anhaltende, strukturelle Arbeitslosigkeit bedeutet sinkende 
bereits bebauten 600 qkm in den nächsten 20 Jahren weitere Mietzahlungsfähigkeit. Hauseigentümer werden darauf 
300 qkm zugebaut werden müßten, allein um den wachsenden weniger mit Mietsenkungen als Desinvestitionen reagieren. Es 
Flächenbedarf der vorhandenen Bevölkerung zu befriedigen. kann also in einzelnen Stadtteilen zu Verslumungserschei- 
Gegenwärtig werden täglich ca. 170 ha in der Bundesrepublik nungen, vor allem in den strukturschwachen Regionen 
zugebaut für Arbeit, Verkehr und Wohnnutzung. Diese Dyna- (Ruhrgebiet, Norddeutsche Ballungszentren, Saargebiet), 
mik ist es, die die Expansion der Verdichtungsgebiete be- kommen. Zugleich sinken in diesen Regionen die Einnahmen 
stimmt, nicht sosehr also Wanderungsgewinne oder gar Gebur- der öffentlichen Hand, und es steigen die konsumtiven 
tenüberschüsse. In Frankfurt (Main) sind z.B. innerhalb eines Ausgabenbelastungen (Sozialhilfe), d.h. die Gegensteuerungs- 
Zeitraumes von 10 Jahren 19% mehr Wohnfläche entstanden. möglichkeiten der Kommunen werden parallel zur Verschär- 
Trotzdem hat sich die Frankfurter Bevölkerung im selben Zeit- fung ihrer Probleme verringert. 
raum um 8% verringert. Frankfurt rechnet für die kommenden 
10 Jahre mit einem jährlichen zusätzlichen Baulandbedarf von 
90 bis 160 ha bei einem Bevölkerungsrückgang von insgesamt 
50.000 Einwohnern innerhalb des 10-Jahreszeitraums. Es ist 
also nicht sosehr die Tertiärisierung der Innenstädte, sondern 
der wachsende Flächenverbrauch, was zur Verdrängung von 
Wohnbevölkerung führt. 
Zusammenfassend: 
Von städtischer Krise ist seit langem die Rede, aber es ist immer 
von einer anderen Krise die Rede - sieht man ab vom 
Dauerthema der städtischen Finanzen. Zunächst „Verlust von 
Urbanität“ und „Unwirtlichkeit“ als Stichworte für eine 
sozialpsychologische Krise der Städte. Dann die Diskussion 
über Stadtflucht und deren Folgen als eine Krise der raum- 
strukturellen Entwicklung. Dann die Befürchtung einer 
Verknappung der billigen Altbaubestände und damit die 
sozialpolitische Problematik der Wohnungsversorgung. 
Schließlich Ausweitung der Siedlungsfläche, damit ökolo- New York, Stadt des Luxus, ... 
gische Probleme insbesondere des Landschaftsverbrauchs. 
_ In der öffentlichen Diskussion werden diese Themen fast 3. Mit der Entwicklung der neuen Technologien, insbesondere 
immer isoliert aufgegriffen. Sie hängen aber zusammen. Diese der neuen Medien, fällt der letzte technische Standortzwang 
verengte Wahrnehmung ist nun selber ein Element der fort. Mit der Schleifung der Wallanlagen waren militärische 
Problembewältigung wie der Problemverschärfung, Grenzen der Stadtentwicklung gefallen. Mit der Entfaltung der 
Bewältigung, weil die isolierende Thematisierung nur eines Verkehrstechnik waren die Grenzen des Transports von 
Aspekts der Stadtentwicklung als krisenhaft Hoffnung auf Cütern, Konsumenten und Arbeitskräften ausgedehnt worden. 
Lösung zuläßt. Solange bei der Stadtfluchtdebatte nur die Energie ist mittlerweile nicht mehr an natürliche Energie- 
räumliche Verteilung der Wohnbevölkerung diskutiert wurde, quellen gebunden sondern faktisch überall verfügbar. Jetzt, in 
bot sich auch eine einfache Lösung an: restriktive Bauland- inem letzten Schub, werden auch Informationen überall 
ausweisung und massive Modernisierung des innerstädtischen verfügbar. Es ist also zu erwarten, daß ein Verlagerungsdruck 
Wohnungsbestands, die diesen für „junge, gesunde Familien auch von tertiären Arbeitsflächen ins Umland der Verdich- 
der oberen Mittelschicht“! herrichtet. Eine solche Strategie tungsgebiete entsteht. Gleichzeitig werden mit dem Rückgang 
sichert erst einmal das politische Überleben zusammen mit dem der industriellen Arbeitsplätze große Industriebrachen in den 
Eindruck, man habe die Probleme im Griff, vor allem, es Innenstädten ungenutzt liegenbleiben. 
könnten erfolgversprechende Gegenmaßnahmen auch ergrif- 4. Neben diesen über die Standortbedingungen von Betrieben 
fen werden. Wenn dann später die negativen sozialen Folge- vermittelten Auswirkungen ergeben sich möglicherweise 
probleme unabweisbar werden, kann man mit großem Effekt tiefgreifendere Folgewirkungen im Zuge der Durchsetzung 
die Neubauförderung propagieren und, sofern man sie auch neuer Medien in den privaten Haushalten. Dieser Prozeß der 
betreibt, werden deren ökologische Folgen erst dann ins Veränderung alltäglicher Lebensvollzüge kann einmal eine 
allgemeine Bewußtsein treten, wenn erneut der Eindruck von neue Form sozialer Ungleichheit entstehen lassen. In dem
	        
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