Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1984, Jg. 17, H. 73-78)

Maße, in dem sich ein informationstechnisches Netz zwischen hinsichtlich Ausmaß und Qualität ihrer Probleme ergeben. 
privaten Haushalten, Einrichtungen der Versorgung mit Für die relativ prosperierenden Großstädte läßt sich grob 
Gütern des täglichen Bedarfs und Teilen des Dienstleistungs- vereinfacht eine Entwicklung erwarten, bei der sich drei 
sektors etabliert, wird sich auch die Stadtstruktur allmählich verschiedene städtische Strukturen, die scharf gegeneinander 
ändern‘ Dezentrale Versorgungs- und Dienstleistungseinrich- abgegrenzt sind, überlagern: 
tungen z\B. werden stark eingeschränkt. Nach dem Laden um 
die Ecke\ verschwinden nun auch der Supermarkt und die Die erste Struktur kann man die international wettbewerbs- 
Bankfiliale aus dem Stadtteil. Diejenigen Haushalte, die nicht fähige Stadt nennen. Sie setzt sich aus den Glanz- und Höhe- 
über die entsprechenden Kabelanschlüsse und Heimcomputer punkten einer Stadt zusammen. In Frankfurt wären das die 
verfügen, werden sehr viel weitere Wege auf sich nehmen Oper, Museumsufer, Römerberg, Freßgasse, Hauptwache, 
müssen, um einkaufen zu können oder Geld bei ihrer Bank Roßmarkt, Zeil mit einer Verbindung zum Hauptbahnhof, 
abzuheben. Es werden das aber gerade Haushalte sein, die auch zum Frankfurter Flughafen sowie einigen privilegierten Tau- 
räumlich wenig mobil sind: die Armen, weil sie sich die nusgemeinden und aufwendig modernisierten innerstädtischen 
geforderten Maschinen und Installationen ebensowenig leisten Wohngebieten. Diese Inseln des urbanen Luxus müssen ver- 
können wie ein Auto, die Alten, weil sie die notwendigen Quali- kehrstechnisch untereinander verknüpft und sicherheitstech- 
fikationen nicht mehr erwerben können, um etwa mit nisch nach außen abgeschirmt werden. Diese erste Struktur der 
Heimcomputern Güterbestellungen aufzugeben und Bankge- Stadt ist organisiert hin auf die Konkurrenz mit anderen Me- 
schäfte zu erledigen. Kurz: mit Durchsetzung der neuen tropolen und deshalb ausgerichtet auf die Anforderungen und 
Medien wird die Stadtentwicklung einen weiteren Schritt tun Bedürfnisse einer international beweglichen und - orientierten 
in Richtung auf eine Stadtstruktur, die allein auf den ein- Schicht von Geschäftsleuten, Kongreß- und Messebesuchern. 
kommensstarken, voll leistungsfähigen Erwachsenen ausge- Es ist durchaus denkbar, daß größere Kommunen in der 
richtet ist. Bundesrepublik ihre schrumpfenden Mittel auf dieses Feld der 
interkommunalen Konkurrenz konzentrieren, da dort noch die 
meiste privatwirtschaftliche Dynamik zu finden ist. Dies würde 
bedeuten, daß die Kommunen sich konzentrieren auf bestimm- 
te Verkehrsinvestitionen wie Flughafen und Schnellbahnan- 
schlüsse mit dem Blick auf die überregionale Erreichbarkeit 
ihres Standorts, ferner auf besonders hochwertige Investitio- 
nen im Hotel-, Messe- und Kongreßbereich, ergänzt durch auf- 
wendige Kulturangebote und gut abgeschirmte Luxuswohn- 
komplexe. 
Gegenüber dieser ersten Stadt geraten die beiden anderen 
Städte ins Hintertreffen oder gar ins Abseits: 
Stadt des Mittelstandes, .. 
Zum andern kann die Durchsetzung der neuen Medien in den 
privaten Haushalten eine zweite Polarisierung des Alltags zur 
Folge haben, ähnlich der Polarisierung von Arbeit und 
Freizeit, wie sie sich mit der Durchsetzung der betrieblich 
organisierten Lohnarbeit zur Zeit der Industrialisierung 
vollzogen hat. Die neuen technischen Möglichkeiten schaffen 
nun auch außerhalb der betrieblichen Arbeit die Voraussetzun- 
gen dafür, daß Prinzipien rein zweckrationalen Handelns um 
sich greifen können?. Auch im außerbetrieblichen Alltag 
können Handlungsabläufe, etwa Besorgungsgänge, nach 
5konomischen Prinzipien der Minimierung von (Zeit- und 
Weg-)Kosten organisiert werden; d.h. es werden bislang noch 
komplexe Handlungsabläufe entmischt in zweckrational Stadt mer AusgeschloS teren 
EST DATE produktive Funktionen und verpflichtungs- 
reie Zeit, in der affektive und kommunikative Funktionen als f G LAN 
„reine“ Erholung organisiert sind. So wiederholt sich im 2. rer Mi SEHE ae En U Wohnstadt für die 
außerbetrieblichen Lebensbereich noch einmal die Spaltung in ı Öb SOht ; AttC er 6 N ed ech NR SUR EINES TERIONA: 
reproduktive und produktive Funktionen, durch die eine N ON Sind mit de x ıs en tischen er turen, die hr gc- 
Freizeit als „trümmerhafte Leere“ (Dahrendorf) zurückge- De * la a mit ek S CO ung einer Großstadt in West- 
lassen wird, die selber zielbewußt mit zweckfreien Tätigkeiten 3 Die NET NENNEN. 
aufgefüllt werden muß. . Die marginalisierte Stadt der Randgruppen, der Ausge- 
; grenzten, der dauerhaft Arbeitslosen, Ausländer, Drogen- 
Alle vier Tendenzen bedeuten, daß sich sowohl die alten abhängigen, der Armen. Die Aufenthaltsgebiete dieser 
sozialen, ökologischen und raumstrukturellen Probleme in Gruppen werden ähnlich abgeschottet wie ihr Gegenstück, die 
Zukunft eher verschärfen, wie daß auch Probleme neuer internationale Stadt, aber mit kaum einer anderen Perspektive 
Qualität auftreten. als der des allmählichen Verrottens. 
Welche Zukünfte städtischer Entwicklung sind denkbar? 
Zunächst: Es wird nicht „den“ Typus der großstädtischen Ansätze für eine solche Entwicklung sind in den USA deutlich, 
Entwicklung geben, sondern mindestens zwei. Zwischen Groß- hier allenfalls sporadisch. Und es lassen sich eine Vielzahl von 
städten in altindustriellen Regionen (Saargebiet, Ruhrgebiet, spezifischen, politischen, historischen, stadtstrukturellen und 
Norddeutsche Küste) und solchen Großstädten, die hoffen sozialen Bedingungen angeben, die eine ähnliche Entwicklung 
können, Gewinner der gegenwärtigen ökonomischen und hier zumindest als nicht zwangsläufig erscheinen lassen, aber 
technischen Umwälzungen zu sein (Rheinschiene, Frankfurt, auch nicht als unmöglich. Mit einem Schuß zynischen 
Stuttgart, München) werden sich tiefgreifende Unterschiede Realitätssinns kann man die Entwicklung zu räumlich, infra- 
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