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der „12 Grundsätze der behutsamen seit der industriellen Revolution -
Stadterneuerung” in dem ehemali- die von Vittorio Magnago Lampugna-
gen Punkschuppen „SO 36” in der ni verantwortete Ausstellung ver-
Oranienstr. 190 berichtet, wobei der heißt ein dialektisches „Abenteuer
Charakter Kreuzbergs als „Baustel- der Ideen”. Welche sind die (pseu-
le” geschickt inszeniert wird. Dane- do-)-philosophischen. Grundlagen
ben gibt es noch weitere kleinere unserer Architekturheroen, wel-
Vor-Ort-Ausstellungen in der Wal- chen Bezug zur Architektur haben
demarstr. 46 (Der IBA-Wurm ist unsere Philosophiepäpste gespon-
immer noch im Gebälk - Mieter nen? Was ist überhaupt Architek-
erleben die Erneuerungen ihres tur?
Hauses), in der Reichenberger Str. Die Ausstellung gibt nur auf die
22 (Die zwei Leben des Blocks 88) letzte Frage eine implizite Antwort:
und der Dresdener Str. 15 (Im Schat- Architektur ist vor allem Architek-
ten des NKZ). turzeichnung, die Zeichnung die
Der Ausstellungsmarathon fängt reinste Verkörperung der architek-
jetzt erst richtig an: In der Admi- tonischen Idee, der realisierte Bau-
ralstr. 17 wird mit der Ausstellung körper die verfälschte Architektur.
„ZwischenRäume - Kooperatives Von Gebrauch der Architektur ist
Bauen und Wohnen im Kiez” die Pro- ; keine Rede. Der eigene Anspruch
blematik „Selbsthilfe” thematisiert. Ausste „ey “. xin Marti sropius-Bau 3. Welt-Ausstellung „Ar >rnorts” in der HdK ist die „Entwicklung einer Architek-
Neben einem wunderbaren selbst- Kunstpalme turgeschichte als Ideengeschichte”.
gebastelten Flipper, der die realen Sind allein schon die Räumlich- geglückte Angelegenheit? Ich mei- Konsequent wird - außer im Son-
Hindernisse auf dem Weg zum keiten der ganzen Kreuzberger Aus- ne: nicht ganz. Etwas zu sehr ist die derteil über Peter Behrens - kein
Selbsthilfeerfolg ironisch beleuch- stellungssplitter ein unwiederholba- eigentliche Ausstellung oft nur an einziges Bild realisierter Architektur
tet, einer Bürokratenschaukel, die res Erlebnis, soerreicht die Raumse- den Insider adressiert, scheint den gezeigt, konsequent wird darauf ver-
das drückende Gewicht der Büro- _dquenz in dem ehemaligen Parkhaus Skeptiker schon als unverbesserlich Zzichtet, auf Realisierung oder Nicht-
kratie erfahrbar macht, und einigen hinter dem Neuen Kreuzberger abgeschrieben zu haben, etwas zu Realisierung der ausgestellten
Textinformationen ist vor allem die Zentrum am Kottbusser Tor viel- wenig wird die Frage nach dem so- ‚Ideen zu verweisen. Tatsächlich
präzise Dia-Show von Uli Hellweg zu leicht ihren Höhepunkt. In dieser zialen Träger der „schönen neuen hat ja auch z. B. die Realität des
empfehlen, die die insgesamt viel- desolaten, früher schon zum Abriß Welt” thematisiert, nicht immer neuen Friedhofs San Cataldo in Mo-
leicht etwas zu wenig bissige Aus- bestimmten Betonszenerie an der auch deren Kosten. dena nur sehr wenig mit der Gra-
stellung (immerhin handelt es sich Dresdener Straße, in diesem viel- Die Arbeit der Stadterneuerungs- phik Aldo Rossis zu tun.
bei den Selbsthilfeprojekten oft um leicht schlimmsten Produkt der IBA, so wird deutlich, präsentiert Nur - ist die isolierte Zeichnung,
vorher besetzte Häuser) in den hi- Stadtzerstörungspolitik der 70er sich nur fragmentarisch in der „zen- allenfalls mit dem Namen des Au-
storischen Zusammenhang härter Jahre, in diesem „eigentlich miß- tralen” Ausstellung, sie wird relativ tors (die Frage, warum das immer
städtischer Konflikte rückt. Die glückten Bauwerk” (Senatsvertreter umfassend gezeigt an fragmentier- Möänner sind, wird nicht gestellt),
Ausstellung in der Admiralstr. 17 ist Krause) wird der ersehnte radikale ten Orten, aber im Gebiet. Diese der Jahreszahl und der Angabe des
allerdings nur die „Zentrale” eines Bruch mit der Vergangenheit mit Problematik wird nicht versteckt: (Gegenstands der Abbildung gar-
ganzen Pakets weiterer Selbsthilfe- allen Sinnen erfahrbar. „Schöne neue Die zentrale Ausstellung selbst zi- niert, identisch mit der Idee, die die-
repräsentationen, die in der Admi- Welt - Ökologische Projektionen aus tiert oft die Gebietsausstellungen se Zeichnung erleuchtet? Setzt die
ralstr. 23, Liegnitzer Str. 18, Cuv- einer verrotteten Garage” (Gesamt- und verweist auf sie. Allerdings ist Zeichnung nicht einen Auftragge-
rystr. 20, Oppelner Str. 41, Wran- konzeption: H. Baller und M. Ken- m. E. nicht jeder Ausstellungsteilam ber voraus, einen Auftrag, eine So-
gelstr. 69, Silbersteinstr. 97 und vor nedy) ist nicht nur eine Ausstellung richtigen Platz: Vieles vor Ort wird zialisation und Position des Beauf-
allem in der Ohlauer Str. 37 zu erle- mit OÖkologieprojekten (Stadter- im Martin-Gropius-Bau vermißt, und tragten, einen Ort mit Menschen,
ben sind. neuerungsmaßnahmen sowie neue vor Ort ist nicht immer eine Ausstel- Natur und Bauwerken, zu dem der
Der Marsch geht weiter, ans Paul Siedlungen - letzteres eine mit IKEA- lung, die an den Gebietsbewohner Auftraggeber in einem gesellschaft-
Lincke Ufer 20-22. Dort wird inder Mitteln geförderte Wanderausstel- adressiert ist. Dieses Dilemma - lichen Verhältnis steht, eine Kon-
schönen, leerstehenden Maschi- lung), sondern tungiert selbst als auch bestimmt durch die Art und vention der Zunft, der sich der
nenhalle des BEWAG-Umspann- Meilenstein der Aneignung und Weise der Vorbereitung der Aus- Beauftragte unterwirft oder an derer
werkes die Ausstellung „Kreuzberger Umnutzung des Gebäudes, an de- stellung, des Einbezugs der IBA- rüttelt? Ist die isolierte Zeichnung in
Mischung - Die innerstädtische Ver- ren Ende ein Kinderhaus stehen Mitarbeiter, der Mittelverteilung - einer Ausstellung nicht nur eine ver-
flechtung von Architektur. Kultur und Wird, das zumindest im Modellfaszi- verweist auf ein politisches Pro- krüppelte Idee, setzt die Verwand-
Gewerbe” (verantwortlich: K-H. Fie- nierend wirkt. blem: Alle Ausstellungen sind im lung der Zeichnung in eine Idee
big, D. Hoffmann-Axthelm, E. Knöd- Bereits heute werden vorher wesentlichen dezentral, von unten nicht einen informierten Besucher-
ler-Bunte) in drei nicht nur durch kaum vorstellbare Nutzungsmög- her (was ja positiv ist), aber ohne kopf voraus?
Raumteiler etwas voneinander iso- lichkeiten faßbar, die neues Leben strategische Koordination, ohne Oder konkret: Ist etwa die ausge-
lierten Teilen gezeigt. Wert und Pro- versprechen: Auf der unteren Park- Diskurs und Abstimmung produ- stellte Tuschzeichnung „Casa del
bleme der Stadttechnik (Gas, Ab- ebene tummeln sich Kinder ineiner ziert. Und das Ergebnis ist weniger Fascio” von Terragni bereits sich
wasser, Elektrizität, Straße / Platz)in zirkusartigen Landschaft, in deren ein Schritt zueinem komplexen Pro- selbst genügender Ausdruck einer
Kreuzberg, diesem bis in die 20er Sand Matratzen zum Spielen einla- gramm der städtischen Opposition Idee? Muß man nicht die polemi-
Jahre „wohl bedeutendstem Ver- den (und wo auch schon gespielt im Stadterneuerungsbereich, son- sche Auseinandersetzung um dieses
suchs- und Übungsgebiet der nützli- wird), auf der 2. Parkebene ermun- dern die Präsentation von isolierten (Gebäude und den Mussolinispruch
chen Ingenieurkünste” von Berlin, tert ein Cafe zum Bleiben, aufder3. Programmfragmenten, die oft nicht Der Faschismus muß ein Glashaus
kontrastieren mit ökologischen Ex- Ebene überrascht den Besucher über den eigenen Tellerrand hinaus- sein” kennen, muß man nicht den
perimentvorschlägen für die durch- eine Wasserlandschaft mit Pflanzen schauen, die eine Diskussions- und geplanten städtebaulichen Kontext
mischten Blockinnenräume; hän- (die wohl zunächst noch nach unten Vernetzungsbereitschaft manchmal dieses Gebäudes an einer Piazza
gende Gärten und eine riesige Infor- durchtropft), auf der 4. Ebene bietet vermissen lassen. Das entspricht del’Impero kennen, die - ein Be-
mationskarikatur zum Thema „Un- sich ein Raum für Seminare an. In aber auch der Situation in Kreuz- standteil der Planungen Terragnis -
terstadt” fesseln die Blicke. Einer der Tiefebene steht das Relikt einer berg. Die städtische Opposition, das an die Altstadt von Como grenzt,
analytisch angelegten historischen spektakulären KEröffnungsaktion: ist die Realtität, ist - im Gegensatz mit deren Strukturen bricht und die
Typologie der Kreuzberger Mi- das von KuKuCK-Künstlern aufge- zu 1980 - in der Defensive und zer- Herrschaft des Faschismus räum-
schung steht die von Besuchern mit Schnittene Auto. Alle Inszenierun- splittert. Es bleibt zu hoffen, daß lich interpretiert? Muß man nicht
großem Interesse aufgenommene gen passen sich den Räumen an, auch die Diskussionen über die wissen, daß Terragni 1928 in die fa-
Rekonstruktion einiger gewerbli- Und interpretieren sie doch völlig Ausstellungen dazu beitragen, den Ausstellung „Kreuzberger Mischuns”: Pavillor
cher Arbeitsplätze im Maßstab 1:1 neu. Das Parkhaus wird zum Erleb- programmatischen Diskurs wieder- © DPF Halls (recht
gegenüber, die - wenn man Glück nistrip, der durch das Lehmbaupro- aufzunehmen - was die konstrukti-
hat - von wirklichen Handwerkern jekt „Türkisches Bad und Treppen- ve Auseinandersetzung zwischen
besetzt sind. Ausgeklammert blei- zelte” der Gruppe „Sanfte Struktu- Altbau- und Neubau-IBA mit ein-
ben - wohl bewußt, um das gewerb- ren” in den Außenraum verlängert schließt
liche Selbstbewußtsein des Bezirks wird. Daß die geplanten ökologi- .
zu stärken - die Probleme der klei. schen Altbauerneuerungsprojekte Das Lob der reinen Idee: Ausstel-
nen Betriebe: Kapitalbeschaffung, Nicht, wie gewünscht, gefördert wer- ung „Architektur und Philoso-
Absatz, Arbeitsbedingungen, Ein- den, daß im Gefolge der Planungen phie seit der industriellen Revolu-
kommen, räumliche Schwierigkei- der Neubau-IBA für das Gelände on”
ten ... Trotzdem: Wer Kreuzberg nä- Östlich der Lindenstraße ein stattli-
her kennenlernen will, kommt an ches Robinienwäldchen gefällt wor- Weniger die Untiefe der praktischen
der BEWAG-Halle nicht vorbei den ist, daß das Kraftwerk Reuterin Arbeit als deren „theoretische Be-
(auch wenn die Presse diese Aus- Berlin „die größte Dreckschleuder gleitung” (Kleihues) bestimmt den
stellung unverständlicherweise der BEWAG” ist, und vieles mehr Präsentationsdrang der Neubau-
übersieht) erlebt man en passant. Einerundum IBA. Architektur und Philosophie