Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1984, Jg. 17, H. 73-78)

sehen. Kreativität bedeutet sowohl im pychologischen wie wird relativiert. Leute die schon jahrelang „weg” sind von Uni 
auch im Alltagsverständnis nichts weiter als die Fähigkeit und Fachhochschule, sehen sich quasi über Nacht in einen 
neue Denk- und Verhaltensmuster zu finden: kurz sie ist das Zustand zurückversetzt, den sie für überwunden geglaubt 
Denken außerhalb der eingefahrenen Geleise. Kreativität ist hatten. Aus empirischen Untersuchungen ist bekannt, daß 
zielgerichtete Phantasie. Welches Verhältnis aber besteht gerade Personen des sogenannten mittleren und höheren 
nun zwischen Kreativität und Arbeitsmittel? Gibt es einen Managements den Computer meiden. Und sofern es ihr Sta- 
notwendigen Zusammenhang zwischen beiden etwa 1.5. von tus erlaubt, lassen sie sich Computerdaten, von Fachleuten 
Freiheit oder Begrenzung? Um es vorwegzunehmen: Wir be- sorgfältig aufbereitet, präsentieren. Wer sich diesen Luxus 
streiten diesen Zusammenhang. Niemand fiele es ein, die nicht leisten kann, muß „in den sauren Apfel beißen” und 
Kunststücke der mit durchaus primitiven Arbeitsmitteln aus- erneut lernen. D. h. er muß den Willen und die Entschlossen- 
gestatten alten Agypter als zwar hübsch aber dennoch als ein- heit aufbringen, sich das Wissen um und die Voraussetzun- 
geschränkt phantasievoll zu beschreiben. Es ist nicht die Be- gen für die EDV-Anwendung zu beschaffen. Dabei geht es 
herrschung dieses oder jenen Arbeitsmittels, die dem bildne- natürlich nicht ohne Frustrationen ab. Die Wahrscheinlich- 
rischen Gestaltungsprozess seine Grenzen zeigt. Weder der keit, daß in der Anfangsphase, in der Phase des bloßen ‚Ver- 
Diorithammer noch CAD sind die Ursache für die Mangel- trautmachens”, dies und jenes nicht gelingt, ist ziemlich groß. 
haftigkeit von nach ästhetischen Gesichtspunkten zu beurtei- Herstellerangaben bezüglich Einarbeitungszeiten von ein 
lenden Produkten. Neben den technologischen Grenzen der oder zwei Tagen werden in der Branche selbst für einen Witz 
verwendeten Arbeitsinstrumente sind es doch die ökonomi- gehalten. Selbstdisziplin ist erforderlich, man muß sich 
schen Zwänge und die Geschäftsinteressen sowie die Geset- immer wieder hinsetzen können und zwar auch über den nor- 
ze, Normen und Verordnungen des Staates, die zu einer Ein- malen Arbeitstag hinaus. Dazu braucht es natürlich schon ein 
schränkung des Gestaltungsfreiraums führen. Hinzu kommt beträchtliches Stück an Motivation. Die moderne Psycholo- 
eine Fülle neuentwickelter Materialien, Elementen, Bautei- gie beschreibt Motivation als innerpsychischen Zusammen- 
len, Standartisierungen und Typisierungen verbunden mit hang von Geschehnissen und Einzelmotiven. Wobei Motive 
einer größer werdenden Differenziertheit der Bauaufgaben. die bewußten oder auch unbewußten Triebfedern des Han- 
Informationen die adäquat verarbeitet werden müssen. delns und des Wollens sind. Daß ein Motiv, das man mit öko- 
In diesem Zusammenhang erst zeigt sich die Wirkung, die nomischem Zwang (weil die Konkurrenz auch mit CAD 
CAD haben kann und haben muß, soll es mehr als bloßes arbeitet oder arbeiten wird) umschreiben kann, - zurückhal- 
„elektronisches Zeichnen” sein. Viele erinnern sich gern der tend ausgedrückt - keine günstige Basis für einen Lernvor- 
Zeiten, in denen sich ohne hochtechnisierte Hilfsmittel leich- gang abgibt liegt auf der Hand. Nicht ausgeschlossen ist 
ter zu einer Berufsidentität finden ließ. Durch zunehmende manchmal - und hierfür gibt es Beispiele aus den verschie- 
Spezialisierung ist ein Großteil davon verloren gegangen. densten Berufsgruppen - auch das gerade Gegenteil. Ge- 
Vielleicht - so eine vage These - kann der professionelle Ein- meint ist der sogenannte „Computerfreak”, Leute die das 
satz von CAD dazu beitragen, diese schon verloren geglaubte Mittel Computer für sich zum Zweck gemacht haben. Der 
Berufsidentität zurückzugewinnen. Eine Berufsidentität die Durchschnittsanwender ist dies allerdings nicht. Und der 
im Architekten den großen „Generalisten” sah, dessen Kopf kommt, einmal über die Anfangsphase hinaus, unweigerlich 
und Hand jedem Falz und Winkel eines Gebäudes sein un- an den Punkt, wo er sich auf die Maschine verlassen muß, 
verwechselbares Gepräge gaben. Utopie? CAD kann und d. h. wenn ein konkretes Projekt „durchgezogen” werden soll. 
sollte dazu beitragen, daß z. B. für Fenster und Türen nicht Fragen drängen sich auf: Hab ich alles richtig gemacht? Habe 
immer gleich der Firmenkatalog aufgeschlagen werden muß, ich mich bei der Dateneingabe nicht geirrt? Die Methode des 
sondern aufgrund der nunmehr zur Verfügung stehenden „trial and error” wird in dieser Phase leicht zum Hasadeur- 
Planungskapazität ein eigenes Produkt entwickelt werden spiel. (Liegt zum Beispiel ein inhaltlicher Fehler, d. h. kein lo- 
kann, dessen Formgebung eben nicht als rechnergestütztes gischer Fehler vor, so kann ich auch nicht auf die Fehler- 
Design identifizierbar ist, sondern als Ausdruck des indivi- meldung des Systems hoffen, die mich warnt.) Gerade dieses 
duellen Gestaltungswillens seiner Urheber. Niemand will Unsicherheitsmoment ist der Punkt, an dem man geneigt ist, 
der Eleganz der Produkte von Lamborghini oder von Merce- auf die vertrauten Arbeitsmittel zurückzugreifen. Oftmals 
des einen Mangel dadurch nachweisen, daß deren Entwick- hilft zur Beruhigung nur die paralelle Abwicklung eines Pro- 
lung unter Einsatz von CAD zustande kam. Man mag hier jektes in maschinengestützter und in herkömmlicher 
einwenden, daß es sich dabei um Produkte handelt, die Arbeitsweise. Bei soviel Mühen und Kosten liegt die Verlok- 
serienmäßig hergestellt werden, doch sollte nicht wirklich kung, die CAD in sich birgt, auf einmal erstellte und abgeleg- 
einmal darüber diskutiert werden, ob nicht Nervi oder Por- te Elemente zurückzugreifen, nahe. Das geht hin bis zur 
toghesi entsprechende Hilfsmittel durchaus begrüßt hätten? Neuauflage ganzer Baugruppen. Hier ist die Gefahr einer so- 
Wohlgemerkt Hilfsmittel sollen Computer und CAD genannten Datenverarbeitungsarchitektur durchaus gege- 
schon bleiben. Hilfsmittel die es in sich haben: in den Begrif- ben, vorprogrammiert ist sie deswegen aber keinesfalls. 
fen wie „maschinengeführter” Dialog oder „Schnittstelle” Bei der Anwendung von 3D-Software - also den höheren 
deutet sich der Unterschied zu den herkömmlichen Arbeits- Gefilden der grafischen EDV gelten all die besprochenen Ri- 
techniken bereits an. Durch seine technische Rechtschaffen- siken und die Aussicht auf Beschwerlichkeiten in noch viel 
heit setzt der Computer die Bedingungen seiner Verfügbar- stärkerem Maße. 3D-CAD fordert den Konstrukteur oder 
keit. Der Benutzer muß sich auf „ihn” einlassen, muß „seine den entwerfenden Architekten auf einem seiner ureigensten 
Sprache” sprechen, sich auf die Syntax einlassen, will er Gebiete, dem der räumlichen Geometrie. Von vielen Studen- 
brauchbare Leistungen aus „ihm” herausholen. Das heißt je ten in den ersten Studiensemestern als Mauerblümchen be- 
mehr Einblick der Benutzer in das Innenleben einer EDV- handelt und erst in den Jahren ihrer beruflichen Tätigkeit: 
Anlage gewinnt, je größer seine Kompetenz ist, sich der Infor- langwierig erworben, wird das räumliche Abstraktionsver-. 
mationen zu bedienen, die der Computer in Form von mögen mit einem ausgezeichneten Hilfsmittel versehen. Ein 
abstrakten Bits und Bytes gespeichert hat, desto größer der Hilfsmittel das weitaus eher der harmonischen Gestaltung 
Nutzen und desto größer das Potential an Kreativität. Denn auch komplizierter Geometrien und damit anspruchsvollerer 
Information ist Voraussetzung für Kreativität. Architektur zur Realisierung verhilft. Ebenso wie bei den 
Zugegeben: es ist nicht jedermanns Sache Computerspra- „einfacheren” CAD-Anwendungen halten wir es auch hier 
chen zu lernen, Betriebssysteme zu verstehen, Datenbank- für eine Angelegenheit des handelnden und entscheidenden 
systeme zu durchschauen etc., Gebiete die ja nicht gerade Subjekts und nicht für die ‚Wirkungen seiner Instrumente, 
zum vertrauten Terrain gehören. Dem erfahrenen Praktiker welche Resultate sein individueller Gestaltungswille zeitigt. 
mag sich bei diesem Gedanken „der Magen umdrehen”, eine Per aspera ad astra. 
nur allzu verständliche Reaktion. Sein in jahre- oder jahr- a EEE SEEN NER EN Tele Kai 
zehntelanger Erfahrung angehäuftes Wissen, sein Informa- Oele ee 
tionsvorsprung insbesondere gegenüber jüngeren Kollegen teen sterne ggn teren ggre Besen OR RGEESEEESEHEETEREREHNGEEENTGEEHNEESEUGTEHNSEHTEHTHNG 
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