Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1984, Jg. 17, H. 73-78)

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Das seit vielen Jahren - zumindest seit Heinz G. Sieber 
1973 - immense Interesse an Solarar- 
chitektur und die zahllosen Veröffentli- 
chungen und Seminare zum Thema ste- 
hen in merkwürdigem Gegensatz zu der | 0 
äußerst geringen Zahl an ausgeführten AR CH T LT EKT U. RLAB R 
Beispielen dieser Architekturauffas- ; 
sung. Noch immer dominiert die Theo- H {/ M M. E L H 0 FF 
rie, noch immer ist der Blick nach USA . 
gerichtet. Über die Gründe dafür de Ein Selbs tbaupr ojekt 
man spekulieren. Forschungsmittel für . . 
Messungen, für den zweiten Schritt, ste- mit Studenten mn D ar) mstadt 
hen zur Verfügung, doch der erste 
Schritt, die Erstellung eines Gebäudes, 
an dem gemessen werden könnte, 
bleibt Privatsache und ist nicht förde- 
rungswürdig. Wie sollte da ein Stein ins N 
Rollen kommen? 
Architekturstudenten könnten die- 
sen Stein bewegen helfen! Nachdem 
dieser Grundgedanke gefaßt war, fügte 
sich das eine zum anderen: die Selbst- 
hilfe zur Studienaufgabe, die Studien- 
aufgabe zum Forschungsprojekt. Als + . . 
ich im Herbst 82/83 die Entwurfsaufga- Nachdem die Vorgeschichte so glük- Sion geworfen wurden, nahm der Ent- 
be für das Fachgebiet Entwerfen und klich abgelaufen war, gab es trotzdem wurf Gestalt an. Im Juli 1983, drei 
Hochbaukonstruktion, Prof. Peter Stei- noch ein Problem: Wie macht man aus Monate später als geschätzt, drehten 
ger, formulierte, stand die Zielsetzung den zwanzig Individualisten - Renate sich die Diskussionen im Kreis, ande- 
fest: Erstellung eines Gebäudes von Bondzio, Helmut Dörfer, Roland Forster, Terseits hatte sich die Gestalt des „Hum- 
Studenten für Studenten. Es dient als Karlheinz Geissler, Kurt Gerfelder, Bodo Melhofes” so „verdichtet”, daß ein Mit- 
Architekturlabor für die Methoden pas- Hafke, Paul Heiliger, Uwe Lück, Ralf glied beauftragt wurde, die Baueingabe- 
siver Solargewinnung und zur Anwen- Matthaei, Norbert Mikulla, Jörg Neubig, Zeichnungen zügig, d. h. alleine, anzu- 
dung alternativer Techniken und es Markus Otto, Matthias Paul, Yvonne Rei- fertigen. (Abb. 1 und 2) 
schafft - nicht zuletzt - dringend benö- ter, Eberhard Rühl, Klaus Tragbar, Karl- Passive Solararchitektur: In dem Ver- 
tigte zusätzliche Arbeitsplätze für Ar- Heinz Trapp, Elvira Weisensee, Tlonka suchsstand „Hummelhof” werden ver- 
chitekturstudenten. Zorn-Robeis sowie meiner Person - eine Schiedene bekannte Systeme der passi- 
Unser Projekt „Hummelhof” befaßt homogene Gruppe? Wie soll „gemein- ven Solararchitektur (z. B. Südfenster, 
sich mit drei Schwerpunkten. sames Entwerfen” vonstatten gehen, Kastenfenster, Glashaus) realisiert, um 
Didaktisches Experiment: Die Studen- wenn jeder „alles” machen kann, Sie anschließend durch die Ergebnisse 
ten erhalten schon während ihres Stu- machen will und machen muß? Wir eines wissenschaftlichen Meßpro- 
diums die Möglichkeit, einen Entwurf dachten uns eine Verfassung” aus: das gramms vergleichend zu bewerten 
zu realisieren, d. h. das Gezeichnete Plenum behielt sich die letzte Entschei- (Abb. 3). Wichtig ist der Vergleich der 
durch ein Modell im Maßstab 1:1 zu dung vor, Arbeitsgruppen (Passive So- Wirkungsweise von passiven Solarsy- 
überprüfen. Das ist realitätsbezogene lararchitektur, Haus und Pflanze, Bauen Stemen zwischen einem Leichtbau- und 
Vorbereitung auf das Berufsleben. Dies mit Lehm, Baubiologie etc.) sollten Massivbauhaus. Deswegen sind der 
fächerübergreifende, umfassende Pro- _Sachkenntnis in die Gruppe einbrin- Bauteil A (Leichtbau) und der Bauteil 
jektstudium sichert Motivation und gen, und die Entwurfsgruppe bestehend D (Massivbau, Leichtlehm) mit densel- 
Einsatz für das gemeinsame Bauvorha- aus vier bis fünf wöchentlich wechseln- ben Systemen ausgerüstet: in der ersten 
ben. den Mitgliedern sollte den Entwurf vor- Stufe mit Südfenstern, in der zweiten 
Selbstbau: Das Projekt vermittelt al- antreiben und dem Plenum jeweils zur Stufe mit Glashäusern. 
len Beteiligten Erfahrungen, die sie im Begutachtung vorlegen. Auch uns ka- Um eine energetische Bewertung der 
herkömmlichen Architekturstudium men Bedenken über dieses geradezu Cinzelnen Systeme im voraus vorneh- 
nicht sammeln können. Fragen werden  idealistische und völlig unökonomische Men zu können, sind verschiedene Be- 
gestellt und direkt beantwortet, etwa: Vorgehen, trotzdem erschien dies als rechnungsverfahren angewendet. Die 
Wie können die Baukosten gesenkt die einzige Möglichkeit, um unser Pro- SLV-Methode liefert folgende Ergebnis- 
werden? Wie kann der Nutzer wieder jekt „Hummelhof” mit allen für alle zu SC: Jährlicher  Heizw ärmebedarf 
am Bauen beteiligt werden? realisieren. 43801 KWh; 20,0 KWh/m” oder 6,6 
Passive Solararchitektur: Das fertig- Trotz bester Vorsätze ist diese Verfas- KWh/m”. Die äquivalente-k-Wert-Me- 
gestellte Gebäude wird als Versuchs- sung in einem Maße gescheitert, wie wir thode liefert jedoch folgende Ergebnis- 
stand dienen, an dem die Methoden es uns nicht träumen ließen. Nach kur- Se: Jährlicher Heizw ärmebedarf 24.398 
passiver Solararchitektur durch Mes- zer Zeit bestand der Wert der ‚Verfas- KWh; 142,5 KWh/m’' oder 33,7 KWh/ 
sungen quantitativ überprüft und mit sung” - immerhin! - darin, daß sie nach Das sind wahrhaftig große - theore- 
den qualitativen Empfindungen derBe- Belieben außer Kraft gesetzt werden tische - Unterschiede. Wir erwarten 
Krer in Beziehung gesetzt werden sol- konnte; das gemeinsame Entwerfen NE De die sich DE ischen den 
en. ; » eiden Berechnungsergebnissen ein- 
Die Technische Hochschule Darm- Walrds Zur: MUddiinz treue pendeln werden. 
stadt hat das Grundstück für den Ver- Das Ayehitekturlab Lehmbau: Lehm ist ein uralter Bau- 
suchsbau zur Verfügung gestellt. Das as ÄrChlekturgd0r stoff. Heute ist er mit Vorurteilen behaf- 
notwendige Startkapital liefert eine In diesem nervenden, manchmal aber tet: er habe keine ausreichende Festig- 
Spende der IKEA-Stiftung. Durch zu- auch animierenden Durcheinander keit, er sei umständlich zu verarbeiten, 
sätzliche Materialspenden von Indu- floß dennoch die Information und ob- er halte der Witterung nicht stand, kurz- 
strieverbänden und Unternehmen wohl fast regelmäßig längst überholt um: er sei ein Material für arme Leute. 
kann das Gebäude verwirklicht werden. geglaubte Alternativen in die Diskus- Diese Vorurteile - beschäftigt man sich 
/U
	        

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