Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1984, Jg. 17, H. 73-78)

Wolfram Graubner: Dazu ist zu sagen, daß die Kreuzfigur nicht ge- 
plant war, sondern wir gearbeitet und gezeichnet haben, bis sich 
diese Lösung wie von selbst einstellte. 
Wolfram Graubner: Grundsätzlich sind wir davon ausgegangen, —- ‚7 
die Dreh- und Angelpunkte von Türen und Schranktüren sichtbar B e $ ch / age 
zu gestalten, so daß die Funktionen nicht verdeckt werden, sondern 
als solche sichtbar bleiben. Auch beim Türdrücker versuchen wir 
durch die Form nicht die Funktion zu überlagern oder zu über- em 
decken. Tendenz heute ist, den Türdrücker so handangepaßt wie 
nur möglich auszuführen. Handangepaßt bedeutet, daß er strom- 
linienförmig ist und im Vordergrund das Erlebnis steht, wie der 
Türdrücker in.der Hand liegt. Unsere Absicht war es, die Funktion 
des Türdrückers durch die Form klarzustellen. In dieser Form ist 
jetzt zum Ausdruck gebracht, daß es einer Kraft bedarf, um den aa } fen 
Türdrücker von oben nach unten zu drücken. Auch der waagerech- 1ävd Shirkl alten % 
te Türdrücker verdeutlicht das. Es ist ein Gegenmechanismus, der 
zwar auch gut in der Hand liegt, aber nicht das Erlebnis des Runter- 
drückens in den Hintergrund drängt. Das gleiche gilt für die Fen- 
stergriffe. Sie werden wir in einer viel kleineren Form ausführen als 
sie jetzt üblich sind. Es sind kleine t-förmige Griffe, die man mit 
zwei Fingern und Daumen greift. Beim Fenster handelt es sich um 
Drehbeschläge. Dagegen haben wir einen einfachen Bügelgriff für 
die Möbeltüren gewählt. Funktion ist Ziehen und Schließen. Des- 
wegen findet sich auch kein Knopf, der die Vermutung des Drehens 
aufkommen lassen würde, sondern nur ein einfacher Bügelbe- 
schlag, in den man reingreift, um die Tür zu öffnen. Beim Entwurf 
sind wir immer von der Funktion ausgegangen. 
Wolfram Graubner: Der Gesprächsraum ist ein Raum, in dem man VO es en 
sich gegenüber sitzt, ohne einen Tisch zwischen sich zu haben. Ein 
Raum also, in dem ein Wechselgespräch stattfinden kann. Gesp rächsraum 
Diese Raumform nimmt eine alte Tradition auf. Das Gespräch 
war früher ritualisiert. Es gab besp. das sog. Palarium, einen Raum 
für das weltliche Gespräch, in dem man sich auf Sitzstufen gegen- 
übersaß, und überkreuz das Gespräch führte. Dieses Gespräch 
diente nicht der Übertragung von Informationen sondern dem Ein- 
verständnis. Dieses Einverständnis mußte gegeben sein. Die Spra- 
che konnte es nur bestätigen. In diesem Sinne kannten die Mönche 
das legalisierte Gespräch. Das bedeutet nicht, daß wir einen 
Mönchsraum nachgebaut haben, wenngleich der Form nach schon, 
d. h., daß es keinen Tisch dazwischen gibt. 
Wolfram Graubner: Sieht man die Innenwände des Gesprächsrau- 
mes zum ersten Mal, kann man meinen, daß sie schlampig ausge- 
führt sind, aber durch den Zusammenhang wirken sie wie ein Bild. 
Um . dieses Bild zu erhalten, haben wir unter anderem auch die 
Deckenbalken gestrichen. Denn wenn das Holz bruchlos in die 
Decke übergegangen wäre, dann hätte das Bild keinen Rahmen 
mehr gehabt. Es wäre aus dem Rahmen gefallen. 
Als der Maurer bis zur Brüstungshöhe gekommen war, wollte er 
von mir wissen, wie groß die Fenster werden sollen. Er war entsetzt, 
als ich ihm die Maße angegeben hatte. „Solche Löcher willst Du ha- 
ben?” 
Erstaunlich ist nun, daß das Fernsehen beim Filmen dieses Rau- 
mes mit ganz normalem Filmmaterial ausgekommen ist, obwohl 
der Anteil der Fenster an der unteren Grenze liegt. Wir haben hier 
Lichtverhältnisse, wie man sie recht selten findet. Sie basieren auf 
Hell-Dunkel-Kontrasten. Vergessen werden dürfen aber auch nicht 
die schräggestellten Fensterlaibungen, die einen besseren Einfalls- 
winkel des Lichtes erlauben. 
Neben den gekälkten Außenwänden und der hölzernen Innen- 
wand finden Sie noch Biberschwänze zur Abdeckung der Fenster- 
bänke. Man kann schon sagen, daß wir im ganzen Haus mit weni- 
gen Materialien ausgekommen sind. Und, was noch erstaunlich ist, 
daß vorfabrizierte Bauteile kaum Verwendung gefunden haben. 
Wolfram Graubner: Viele sind über die Böden entsetzt. Es sind nor- Sa — —. 
male Tannen-Riemen-Böden, die aus hygienischen und baubiolo- 
gischen Gründen noch nicht einmal versiegelt sind. Sie werden spä- Ho Izboden 
ter dunkel gewachst. Das viele Holz schadet auch dem Raum über- 
haupt nicht. Den Leuten kann man nur sagen: „Auch Goethe konn- 
te auf solchen Böden leben!”
	        
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