Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1984, Jg. 17, H. 73-78)

Jahre 1925 mehr im Gange war als die typische Erscheinung des Paul 
Zerfalls von Sekten in noch kleinere Grüppchen; es gab sozusagen Robien 
einen grundsätzlichen weltanschaulichen Webfehler in der damali- 
gen „grünen” Ideologie, die sie für jegliche Arbeiterorganisation 
(und dazu zählten schließlich die Anarchisten und Syndikalisten 
selbst) als Bündnispartner unerträglich machte. Sagen wir es deut- 
lich: die damalige „grüne” Bewegung schleppte ein unreflektiertes 
Erbe an romantischreaktionären Vorstellungen mit sich herum, 
welche die Entfremdung zwischen ihr und der Arbeiterschaft not- 
wendigerweise zur Folge haben mußte. Auf der anderen Seite ist 
aber auch nicht zu übersehen, daß damals die Arbeiterorganisatio- 
nen einem noch allzu naivem Fortschrittsglauben anhingen und rechts: 
der Meinung waren, der Sturz des Kapitalismus allein reiche aus, L EN © 
um die schon sichtbar gewordenen schädlichen Folgen des Indu- 
striesystems zum Verschwinden zu bringen. So mußten sie mit Un- „Robien kommt in eine Stadt, in der 30 Prozent der Einwohner obdachlos sind. An- 
5 . . 5471: na s4 statt nun die Reichen zu zwingen, überflüssige Räume abzugeben und neue Häuser 
verständnis oder Ablehnung auf die grundsätzliche »Erune Kritik zu bauen, macht er alle 100 Prozent obdachlos. Zu was gibt’s Höhlen in naturrebelli- 
an Konsumorientiertheit, Wachstumseuphorie, Technikbegeiste- schen Waldesgründen? Tausende gehen in Fetzen (Lumpen) - also weg mit den Klei- 
rung und Industrieglauben reagieren. Die Betonung der schwachen dern! Tausende haben keine Zahnbürsten - weg mit den Zahnbürsten! Tau- 
; ; . . . . . . : sende haben keine englischen Klosetts - weg damit, es lebe die Mistgrube! Das ist die 
Stelle der jeweils anderen Seite erwies sich dabei gewichtiger als die konterrevolutionäre Utopie von Rousseau’schen Waldmenschen, die am liebsten auf 
Erkenntnis möglicher gemeinsamer Strategien. allen Vieren gehen möchten, nicht aber das Ziel von revolutionären Arbeitern. Die 
Da die damals von den Kontrahenten eingenommenen Stand- ‘Bedürfnislosigkeit’, zu der Robien sie erziehen will, ist die Selbstgenügsamkeit der 
kitebis’h ich ktualitä 1 hab die F {...) Tiere (...), sie ist das Zurückwerfen der Menschheit in die Nacht völliger Kultur- 
punk te bis cute NIC tan A tua ıtät verloren aDen, Sogar 16 . Or- losigkeit, sie ist die leibhaftige Reaktion. Es ist gut und richtig, sich von kapitalisti- 
mulierung eines zeitgemäßen Okosozialismus-Konzeptes im Rück- scher Modeblödheit und Luxusidiotie zu emanzipieren, aber die warme, schöne, be- 
a . : 5 s. . 22) . . E hagliche Kleidung, die gute, wohlschmeckende Nahrung, das angenehme, sinnvoll 
zriff auf die libertäre Tradition versucht wird 7 SCICH Sic ab- und hübsch eigerichtete Wohnzimmer, der moderne Verkehr, Dampf, Gas, Elektrit- 
schließend vorgeführt: Robien provozierte die Arbeiter-Anarchi- zität, das gute Buch, die Seife und das Klosett mit Wasserspülung sowie Badewanne 
sten offenbar am meisten mit seiner Kritik der Konsumorientiert- und Kleinauto sind sehr gute und nützliche Dinge für alle Menschen, die für alle 
: : : : erkämpft werden sollen. Wenn man sie heute nicht hat und, anstatt für ihre Erobe- 
heit der Arbeiter, welcher er die Forderung nach Sem „Abbau der rung zu kämpfen, mit asketischer Bedürfnislosigkeit gegen die donnert, so erinnert 
Bedürfnisse entgegensetzte, und mit seiner prinzipiellen Kritik am das sehr an den bekannten Fuchs, dem die zu hoch hängenden Trauben zu sauer wa- 
Fortschrittsglauben, der sich bis zu radikaler „Kulturfeindschaft” ren.” 
N ESLCH s N a rn a Oh en Robiens „tragischer Heroismus” sei direkte Folge des Mißverständ- 
M St Sn N RiCE äHET hrs ck ü Ben ul en dust En Don nisses des gesellschaftlichen Prozesses: „Aber trotzdem wir das (lä- 
G N und nr ne Sana, Cr en et Dir rn m KEEN vn ee bh 9 cherlich Tragische) verstehen können, müssen wir warnen vor die- 
N Robi: N N NDICL N OP n . Ka NE DEE m N Ss  w Sl BE 33} ser Mentalität der Negative und des Rückwärtsschauens, die nichts 
QDiens erhirlenle Lolemik gegen den Kapitalsmus tele man ja: zu suchen hat in dem fortschrittpulsenden Herzen einer aufsteigen- 
„Aber von dem Punkte an, wo diese Polemik gegen den Kapitalismus zur Polemik ge- den Klasse. Die Kultur schreitet fort, so wie sie seit Jahrtausenden 
EEE N nn N aD NEM EEE fortschreitet, unaufhaltsam, unabänderlich und gewaltig. Und die- 
obien mit dem besten Willen nicht folgen. Wir glauben nicht, daß es ein ‘verhäng- Sam ara Am ui ; ; an 
nisvoller Irrtum’ sei, die Erde als einen Kampfplatz des Menschen zu betrachten, und jenigen, die ihr in die Speichen greifen wollen, schmettert sie in 
das ‘Greifen nach den Sternen’ ist uns nicht ein im naturrebellischen Strafgesetzbuch einem Winkel, wo sie, einsam und verlassen, dem harten Boden 
verpöntes Verbrechen, sondern vielmehr der höchste Triumph menschlichen Fort- mühselig ihr karges Brot abringend, in seltsamem, hoffnungslosem 
schrittes.” Robien sei „ein Utopist, halb Luddit (Maschinenstürmer), halb Asket, dazu H . leb Is die P: dist d leich Petrefak 
sin bißchen Robinson und Menschenhasser”: „Er sieht nicht ein, daß der Maschinen- -ETOISTMUS EDEN als Cie ropagan ısten un Zug Sıch Fetre a ten 
besitzerder Feind ist, sondern er läuft Sturm gegen die Maschine (...) Daß die Maschi- einer längst vergangenen Zeit, die, wenn man ihnen das Mäntel- 
ne in der kapitalistischen Ara zum Huch des Arbeiters wird, ist ein Gemeinplatz (...) chen von Sentimentalität und Erkenntnisleuchten, mit dem sie 
Aberes handelt sich darum, festzustellen, ob die Maschine immer*schlecht), d. h. ob . - x x 
sie auch in der sozialistischen Gesellschaft denselben Fluch bedeutet (...) Also nicht (ihr) asketisches Rückwärtsertum behangen haben, von den Schul- 
die Unternehmer, nicht die Bourgeoisie, sondern die Maschinen sind (nach Robien) tern zieht, dastehen in der wenig idealen, dafür aber umso behaarte- 
schuld am Elend des Proletariats (...) Gewiß, erst die Maschinen ermöglichen über- x % © » 
haupt die Existenz des Kapitalismus, erst sie bedeuten jene Entwicklung der Produk- ren Nacktheit des Neandertaler Menschen: ; © 
tivkräfte, ohne die es keine große Industrie, keinen Weltverkehr und keinen Welthan- Robien und seine Anhänger reagierten auf diese Absage mit der 
ei keinen sn Amen Dt a NEE en Ne ben na En Gegenutopie, “9 auf der Grundlage der „Naturrevolution” werde 
old eın paar Messerstiche erhalten hat, ist die Nützlichkeit des Messers durchaus . . : : +... +1: ; 
nicht widerlegt, und deshalb, weil die Maschine Voraussetzung des Kapitalismus Jenseits von Kapitalismus und traditionellem Sozialismus „CINE 
ist und in ihm Unterjochung und Höchstausbeutung des Proletariats bedeutet, ist Neue, eine wahrhafte Kultur erwachsen, deren Gradmesser nicht 
EC sich, en BE SINGT (GN ES MENT EN be- (wie der Robien-Kritiker es verteidigt hatte) im Seifenverbrauch 
stritten. Im Kapitalismus bedeutet Arbeitsersparnis (durch die Maschine) Arbeits- : ; ; 
losigkeit, im Sozialismus dagegen Verkürzung des Arbeitstages, Maximum persön- liegt, sondern darin, Wo der Mensch leistet als Bebausrder Scholle, 
licher Freiheit” als Förderer gemeinnütziger Technik und Wissenschaft, als Pfleger 
] 5 . R der Kunst, stets aber in Rücksicht auf das natürliche Lebensgesetz”. 
Das gleiche gelte für den Robien - Be . ; r 
mus op male AuUSNUtZUNME der EN Tayloris Die Trümpfe waren trotzdem in der Hand von Robiens Gegner 
5 ; nachdem dieser die Industriefeindschaft so weit trieb, nicht nur 
le ) hu beieiner An m mehren U a ES Ne eine unüberwindbare Kluft des „Naturrebellen” zum Arbeiter- 
chen an der körperlichen und geistigen Gesundheit der Arbeitermassen. Aber im . » z ; ans 
Sozialismus bedeutet er die Reduzierung der täglichen Arbeitszeit auf ein solches „Rädersklaven Zu konstalieren, sondern auch grobe antisemiti- 
Minimum, daß wir uns heute vielleicht überhaupt davon noch keine Vorstellung ma- sche Ausfälle zu machen: *” Der Jude sei der Industrie- und Stadt- 
chen. kultur verhaftet, sei ein Entwurzelter, der „keine Sehnsucht nach 
Aber Robien sei nicht nur ein Maschinenstürmer, sondern auchein Kornfeldern und schwarzer Erdscholle” habe, der zum großstädti- 
. . . . . . n 3 z . »” 
„Metaphysiker”, der zur historischen Analyse unfähig sei uns statt- Schen Babel strebe „anstatt zur natürlichen Volksgemeinschaft”. 
dessen im „Naturrebellentum” die feste Warte besitze, von deraus Deshalb Robiens Rat: „man soll sie (die Juden) wie Freiwild behan- 
der „gut” und „schlecht” undialektisch bestimmen könne. Ermüsse deln und erledigen”. Mit Recht warf ihm darauf der „Freie Arbeiter” 
deshalb übersehen, daß die Fortentwicklung der Technik, der Pro- Rassismus vor und brach die Kontakte weitgehend ab. Robien 
duktivkräfte nicht das Ende der Menschheit bedeute, sondern selbst hatte die „grüne” Idee dadurch desavouiert, daß auch er in 
lediglich ich - wie Marx es richtig erkannt habe - über die Verschär- ganz unkritischer Weise reaktionäre, protofaschistische Inhalte mit 
fung von Ausbeutung und Klassengegensatz zur Abschaffung des ihr verband. Damit war die Chance einer überzeugenden Synthese 
Kapitalismus führe: „Das will und kann Robien nicht einsehen. von libertär-sozialistischer Tradition und ökologischem Denken für 
Und daher gibt es für ihn nur einen Weg: Zurück von der Technik viele Jahrzehnte vertan. Die Nationalsozialisten waren auch hier 
und der Kultur, zu Barbarei und Unkultur. Daher ist seine Utopie die lachenden Erben: Am 13. Januar 1934 erließen sie das „Gesetz 
durch und durch unrevolutionär und ungenießbar für revolutionäre zum Schutz von Kunst- Kultur- und Naturdenkmalen”, das soge- 
Proletarier.” Auch die Forderung nach Bedürfnisreduzierung gieße nannte „Heimatschutzgesetz”, am 15. September 1935 das „Gesetz 
das Kind mit dem Bade aus: zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre”. 
Br
	        
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