Im Dezember 1983 vergab die Stadt ® scherz. So etwas wollte das Preisge-
Stuttgart ihren Paul-Bonatz-Preis — Preisfra e richt sich nicht entgehen lassen, und
zum siebten Mal seit 1959. Mit die- in der Tat, was im Regenschleier bei
sem Preis sollen Bauten in Stuttgart beginnender Dämmerung sichtbar
ausgezeichnet werden, die „vorbild- A - er wurde, gab dem Kritiker recht: Fa-
ieh und beispielhaft wirken”. Was Verleihung des Bonatz-Preises in Stuttgart chinesprohlich wurde man ange-
aber ist in diesem Sinne preiswürdig sichts dieses kleinen, zarten, hölzer-
heutzutage? Das lokale Ereignis der nen Davids, der sich so streitlustig
Preisverleihung macht recht exem: dem drohenden Goliath auf zwei
plarisch das Dilemma heutigen Bau- dicken Laborbeinen entgegenstellt.
ens deutlich, wenn man die Glitzer. Der zierliche Kleine dort, windzer-
welt der Internationalen Bauauss- zaust, in seiner unprofessionellen
stellung und des Museumufers ver- Hand eine Schleuder, deren Ge-
Jan ‚Das BACECLCN an Se Sa A wird A
urth, , Darmstadt; Helga Faßbin- vielleicht 15 Jahre alten, unflätigen
der, Eindhoven; Carl Fingerhut, Ba: Riesen ein Loch in die Stirne schie-
sel; Reinhard Gieselmann, Wien; W. Sen, eine Stirne, hinter der die Ge-
von Wolff, Konstanz) hat eine Chan- danken seit ihrer Entstehung zu ei-
ce genutzt, auf Vorbildliches und nem Block aus eisiger Ignoranz ge-
Beispielhaftes aufmerksam zu ma- genüber vitalen Lebensbezügen ge
chen und damit eine pointierte Stel- froren sind.
lung bezogen. Lieber kleiner David, bleibe
1983 wurden zwei Preise und drei standhaft, denn hinter dem gefällten
Belobigungen vergeben: für ein Goliath steht noch ein Heer von
kirchliches Studien- und Ausbil. Gegnern. Sie sind bewaffnet mit
dungszentrum von K. Weber und W. Überperfektion, WUÜberdimension
Büxel, Büro Behnisch und Partner, beziehungslosen Richtwerten
das seinen Rang schon früher durch Denkschriften von Rechnungshöfen
S ) 1 C ; . S
den Hugo-Härnig-Preis der Archi- Hierarchien im Wissenschaftsbe-
tektenkammer Baden-Würtemberg trieb, Kaskaden von Ansprüchen,
unter Beweis stellte); für ein von Ju- modischer Kurzatmigkeit. Setz da-
gendlichen mitverwirklichtes Ju- gegen Deinen Reichtum an Einfäl-
gendhaus „Forum 3 e.V.” von Wer- len, Innovation, Spontaneität, Expe-
ner Seyfert; für das den Stuttgartern rimentierfreude, und Du wirst se-
teure Bohnenviertel, einem inner- hen, nicht mehr oft mußt Du Deine
städtischen Demonstrationsbauvor- Schleuder ziehen, bewahr Dir Dei-
haben, Architekten: Stocker, Haag, nen intelligenten Übermut. Sei nicht
Darboune and Darke, Weber (Belo- Faschings- sondern Fastnachtswesen
bigung); für Studentenwohnungen in — hier im Schwäbischen — kleiner
Selbstbau als Teil der Architektur- David, tanze, springe, singe weiter,
ausbildung (Belobigung) sowie für verhexe die übermächtige, fade
zurückhaltende Straßen- und Platz- NO strecke ze Katalogisierten
gestaltungen durch die Bauverwal- die Zunge heraus, fege den Spuk der
tung, Architekten Döcker, Flad (Be- Phantasielosigkeit hinweg, und Du
lobigung). wirst die Widersacher immer öfter in
Schon diese zahlenmäßige Be- die Flucht schlagen und mit all Dei-
schränkung ist fast eine Demonstra- | nen Freunden die Wanderung in ein
tion: 1975 wurden z.B. 16 Bautenei- Studentenpavillons im Pfaffengrund Land tun, wo machbare Wunder
ner Bonatz-Auszeichnung für wür- möglich sind.
dig erachtet. So konnte es auch nicht po all den überdimensionierten, ma- genen Jahren auch, war die Beset- Also Ihr Bewohner und Erbauer
ausbleiben, daß heuer die Jury mit erjalwuchtigen Investitionsanlagen zung eher zufällig zustande gekom- dr Bretterhäuser, pflegt Euren Da-
den meisten ihrer Entscheidungen sind da Bemühungen im Gang gewe- men. Wenn die Auszeichnungen Vid gut.
Pro und Contra herausgefordert hat. sen, mit sparsamen Mitteln und be- dennoch mit einstimmigen Voten
Aber das Ist eigentlich auch das Be- scheidener, begreiflicher Formen- vergeben wurden, so war die Kurs-
A Gem Paul-Bonatz-Preis WI” sprache Lösungen zu finden, die Le- korrektur offensichtlich überfällig.
erfahren U . bensbedürfnisse beantworten und Die Jury hat auch in der Präsenta- S n
So programmatisch sich der Preis jcht einen Bedarf an Repräsenta- tion ihrer Entscheidung einen neuen Informationstechnologie und
% hs icht einen Be prä heidung einen ogi
anhört, so wenig ist es ıhm in seiner on, Hier ist die Nutzbarkeit und Be- Weg gesucht: Sie verpackte ihr Lob Stadtentwicklun:
Immerhin Fast 2 Jahrıgen VeSCHICHteE oyejflichkeit, die Raum läßt für Iden- (und manchmal leisen Tadel) in ima-
gelungen, eine SEN Tradition ZU {ifikation ohne Unterordnung und für zinäre Briefe an Architekt und Bau- Die Auswirkung der neuen Informa-
erwerben. Läßt man die Auszeich- aktiven Umgang mit dem Gebauten, herrn. Auch dies war umstritten. Honstechnoloeien auf die Stadtent-
nungen seit 1959 Revue PaSSIıCeTeEN, SO sind kleine und kleinste Ansätze zu denn in der Tat trat so das Emotio- wicklung Untersuchte jetzt das Deut-
sind es nicht in erster Linie die auch finden für unstandardisierte, bewegli- nelle in den Vordergrund und über- sche Institut für Urbanistik (Difu) in
heute noch „gültigen ‚architektoni- pe Verwandlungen der unwirtlichen deckte die sachlichen Gründe der Berlin. Für die vier Städte München
schen oder städtebaulichen Lösun- Angebote einer verspekulierten, ver- Entscheidung (Kritiker äußerten an- Stuttgart Frankfurt und Köln sowie
gen, noch nicht einmal die fulminan- —wüsteten Stadtlandschaft. Ansätze, gesichts der kunstvollen „Sprachge- ihre Umgebungen werden Proeno-
ten Fehlentscheidungen, die das Bild je noch die fast verschütteten Mög- bräuche” den Eindruck, eher der sen aufeestellt, wie die Gilasfrser
des Preises prägen. Über die Chro- lichkeiten ausnutzen, die in einem Verleihung eines Literaturpreises Verkabelung Standortentscheidun-
nik legt sich wie klebrigeı Brei die kahlen, denaturierten Universitäts- beizuwohnen). Die Jury scheint sich gen von Unternehmen und damit die
Dur ärgerlichen Belanglosigkeiten kampus zu finden sind oder an der des Risikos bewußt gewesen zu sein: Struktur der Ballungsräume beein-
auf dem Siegerpodest, noch nicht Ecke einer lärmenden und hektischen En flussen wird
einmal dem „Zeitgeist” verpflichtet, Verkehrsader, oder zwischen den „Aus der laudatio wird eine Kette von Die Ker Städt Ball
sondern nur noch dem momentan hilflosen, dörflichen Häusle, die in Briefen mit Erlebnisbericht und WHT men verlieren an Bedeutun ee hetrie.
Modischen — insoweit ist der Preis rer Bescheidenheit dem Zugriff digendem Nachwort. — Der Sachlage be siedeln sich vorwi U ih
aber schon wieder ein zeitgeschicht- ‚ouristischer oh pa "so we- angemessen? Jedenfalls ein gemeins- € SIEHEM SICH VOrWIESENG AN Ihren
. ouristischer „Verschönerung” so we ; N Rändern an. Die Verdichtungsräu-
liches Dokument, ) nig entgegensetzen können. Preis- ner Versuch, die Kluft zwischen den ‚eiteh sich {nswesamt - 8 Di
Die Jury 1983 setzte die Antithese ürdie? Vielleic ; ; Herl, Beurteilungsexperten und den Erbau- me weiten sıch Insgesamt aus. Die
: CS würdig? Vielleicht sind die Kriteria - . vergrößerte Standort-Wahlfreiheit
zu manch hohler Architektur-Attitü- der Baukunst strenger und umfassen- N zu überwinden und zu vermitteln, a T PUnternehmer nn acht de
de, die früher als vorbildlich galt. der zugleich anzulegen: Architektur WdS UNS nicht nur als Fachleute, son- Auß der Gemeinden Auf die N Detriehe
Dem oft nur Protzigen stellt sie mit /s Beitrag zu einem menschen-ange- dern auch als Menschen bewegt hat d verstärkt den Konk kampf
Emphase. das gemeinsam Erarbeite- messenen, verantwortungsvoll-spar- beim Erleben der Stuttgarter Archi- BYE a t den Kon MICHA
te, das Gewachsene, Unfertige ! ; Oezur Verfü. tekturkollektion der vergangenen zwischen den Kommunen, Heimter-
> SCENE, BC, samen Umgang mit den uns zur Vefü- inals, Fernsehtelef d andere
Spontane, Bescheidene gegenüber „ung stehenden Ressourcen, und !ahre A DETHSCWICICIONS Und SHUSre
und hebt damit selten gewordene en Is Gestaltunesprozeß, der dien n Aa neue elektronische Kommunika-
A ukendau ans Licht auen als Gesialtungsprozeß, der die. Die ARCH+-Leser mögen sich ein tionsmittel vermindern; so das Difu,
S Unwirtlichkeit nicht nur verwandelt eigenes Bild machen: Im folgenden den Berufs- und Geschäftsverkehr.
e AL in ein befreiendes Formangebot, son- Auszüge aus diesen „Briefen zu drei ([Das mache weiteren Straßenbau
Aus dem Bericht des Preisgerichts: dern auch im Prozeß ihrer Verwand- der fünf ausgezeichneten Bauwerke. noch fragwürdiger, erschwere es
je ein dünner en zieht sic. x selbst der on Umwelt ei S > A .
A dünne dl Ed © EICH An lung ie En En BE Sm Friedemann Gschwind aber auch, das Angebot im öffentli-
; En nn as aus en. De al zen a soziales Lebensfeld scha chen Verkehr aufrechtzuerhalten.
al TE er Hrn 18C ihr - A Auf scine Weise 1 damit dien Die Studie Informationstechnolo-
posophüichen Bauen Oder zu der br MPreiverleikung eben0 dinsehie wie EEE META NAD
ne CT “ N -oENSO Cinseilig wie ; i : - rle . ammer, Postfach
telligenten und sensiblen Anlage, die, manch frühere. Niemand wird be- Eine Belobigung: Studentenp a Me 18, “ A A nen
. HS NN villon im Pfaffenwald, 1983 80 04 30 in 7000 Stuttgart 80 bestellt
in den Beurteilungsraum fallend, uns haupten wollen, sie wäre sozusagen . ) Sei
DIET : N RE . N ES werden, umfaßt 170 Seiten und ko-
schließlich erleichtert aufatmen läßt im Öffentlich-rechtlichen Sinn „aus- stet 28 Mark
7 « Preisträ HC ” : 995 3 Aus: ©
in unserer Preisträgersuche. gewogen”- Wie „not-wendig” jedoch Liebe Bewohner der Bretterhäuser.
Und gleichzeitig entdecken wir’ier eine solche Antithese war, läßt sich . .
und da einiges, dessen Unscheinbar- aus der Einmütigkeit des Preisge. da sagte doch jemand, im Pfaffen- „us: Info-Dienst Wohnen & Umwelt, Nr.
keit sich fast dem Auge entzieht: ne: richts schließen. Wie in den vergan wald stünde ein gebauter Faschings- 3 März 1984