Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1985, Jg. 18, H. 79-83)

GERNOT MINKE IM GESPRACH MIT GUNTHER UHLIG 
ARCH"*: Herr Minke, wie konkurrenzfähig ist das Lehmhaus im des feuchten Lehmstrangs, eine Herausforderung, etwas Plasti- 
Vergleich mit einem konventionell gebauten? Handelt ein Bauherr sches zu gestalten. 
rationell, der sich heute für den Baustoff Lehm entscheidet? ARCH* : Mich würde sehr interessieren, ob nicht doch der Wunsch 
Gernot Minke: Das ist immer noch die kritischste Frage. Im Grunde eine neue Formensprache zu finden, eine neue Architektur hinzu- 
ist die Technik des Lehmbaus weitgehend entwickelt. Aber das stellen, der Vater der Lehmstrangtechnik ist und nicht umgekehrt, 
Problem ist, daß es nicht die Handwerker und die Bauunternehmer doch sollten wir dies, vielleicht am Schluß nochmal aufgreifen und 
gibt, die das wirtschaftlich anbieten können. Wir müssen Hand- zunächst die weiteren Technologien, die Sie erproben, ansprechen. 
werker ausbilden, Unternehmer beraten, mit ihnen Projekte durch- Minke: Gut, die andere Technik ist die traditionelle Lehmstampf- 
führen, damit die Sache in Schwung kommt. technik, die wir aber weiterentwickelt haben, indem wir eine Klet- 
ARCH*: Aber es hat doch, Herr Minke, auch in Deutschland eine terschalung anwenden. Das Stampfen wird auch nicht mehr mit der 
entwickelte Lehmbautechnik gegeben, noch in den 50er Jahren Hand ausgeführt, dazu haben wir jetzt einen elektrisch betriebenen 
wußte man damit umzugehen, in den frühen und späten 20er Jah- Vibrationsstampfer. Unter Umständen können auch pneumatische 
ren wurden ganze Wohnsiedlungen in Lehm errichtet. Was ist so Stampfer eingesetzt werden. Damit haben wir die Arbeitszeit um 
schwer daran? 50, in extremen Fällen sogar um 80% reduziert. Auf den Kubik- 
Minke: Genau hier zeigt sich das Problem. Die traditionelle Lehm- meter umgerechnet heißt das, daß wir nur 6-10 Mannstunden pro 
bauweise, welche Technik das auch immer war, ist sehr arbeitsauf- cbm ansetzen müssen und damit wettbewerbsfähig sind mit an- 
wendig. Mit 20 Stunden pro cbm kommt man kaum aus, es gibt deren konventionellen Techniken. Allerdings ist das Mauern mit 
Techniken, da benötigt man 30-40 Stunden/cbm. Das ist unrea- Ziegeln noch immer billiger, dennoch ist unsere Lehmstampf- 
listisch, das kann man heute nicht mehr machen. Allenfalls im technik wirtschaftlich, weil ja der Materialaufwand wesentlich 
Selbstbau, wo andere Werte eine Rolle spielen wie Identifikation, niedriger ist. Von den ökologischen Vorteilen ganz abgesehen, die 
wie die Erfahrung, sich selbst etwas zu schaffen, wo auch Arbeits- wir hier nicht einrechnen wollen. 
zeit nichts kostet. Vom Selbstbau möchte ich hier einmal absehen. ARCH”: Zusammengefaßt: Wenn Sie die Technik des Lehmbaus 
Denn ich habe Ihre Eingangsfrage so verstanden, daß wir uns über optimierten und teilmechanisieren, dann werden Sie konkurrenz- 
die Marktfähigkeit des Lehmbaus unterhalten wollen. Das istinder fähig zu den konventionellen Bauweisen? 
Tat das gegenwärtig interessanteste, es geht um das Bauen im Minke: Ich gehe sogar davon aus, daß wir niedrigere Kubikmeter- 
größeren Maßstab, um das industrialisierte Bauen. preise zum Schluß bekommen werden, vorausgesetzt, die Hand- 
ARCH* : Was heißt industrialisierter Lehmbau? werker sind erst einmal eingearbeitet, und die Firmen haben Erfah- 
Minke: Darin sehe ich meine Hauptaufgabe. Wir wollen Leute aus- rungen angehäuft. Im Moment ist es aber noch sehr schwierig, weil 
bilden, Maschinen entwickeln, Technologien so weit vorantreiben, diese Voraussetzungen noch fehlen. 
damit wenigstens teilmechanisierte Lehmbautechniken ange- ARCH*: Das klingt, für den Augenblick jedenfalls, nicht sehr eu- 
wendet werden können. Da sind wir nun seit fast 10 Jahren dabei. phorisch und scheint mir im Gegensatz zu stehen zu den Nachrich- 
ARCH"*: Also nicht das Stampfen mit nackten Füßen im sanften ten, die derzeit aus allen Medien tönen: Am Anfang und Ende ist 
Lehmbrei begeistert Sie ... der Lehm! 
Minke: Nein, wir haben uns im wesentlichen auf drei andere Tech- Minke: Der Lohnanteil ist eben das Gravierendste, und wenn wir 
niken konzentriert, die jetzt auch angewendet werden. Da ist ein- derzeit auf dieselben Kosten kommen wie die konventionelle Bau- 
mal die Strangpresstechnik. Sie basiert auf einem sehr preiswerten weise, dann haben wir schon einen Erfolg erzielt. Dazu addiert sich 
vertikalen Extruder. Das ist eine Weiterentwicklung des Ton- der ganz wesentliche Vorteil des Lehmbaus, der sich im günstigen 
schneiders, wie er in der Keramikindustrie gebräuchlich ist. Mit ihm Wohnklima auswirkt. Wenn man zum selben Preis ein besseres 
wird ein plastischer Lehmstrang von etwa 8 x 16 cm aus einer Düse Wohnklima erhält, was wollen Sie mehr? 
herausgedrückt. Und wenn man die Mischung richtig ansetzt und ARCH*: Das Ergebnis wird aber auch von der Haltbarkeit und 
man mit dem Gerät richtig umgehen kann, dann schafft man inder Reparaturanfälligkeit her bemessen, wie steht es damit? 
Minute bis zu 2 Meter Lehmstrang. Das ist eine enorme Menge. Minke: Darauf sollten wir noch kommen, erst möchte ich noch die 
Dieser Lehmstrang wird dann im plastischen Zustand aufeinander- dritte Technik erwähnen, die von uns neu entwickelte Leichtlehm- 
gelegt, d.h. ohne Mörtel und ohne Schalung. technik. Von der herkömmlichen unterscheidet sie sich dadurch, 
ARCH*: Im Grunde eine Massivlehmbauweise? daß der Lehm keine organischen Bestandteile enthält, anders etwa 
Minke: Ja, und zwar eine Naßlehmbauweise, die den Nachteil hat, als bei der bekannten Strohleichtlehmtechnik. Der Vorteil besteht 
daß beim Trocknen Schwindrisse auftreten. Diesen Nachteil muß darin, daß keine Mikroorganismen, Pilze etc. Schäden erzeugen 
man in den Griff bekommen, geometrisch und schon mit der können und damit einen negativen Einfluß auf das Wohnklima 
Mischung, d.h., daß entweder die Risse nichts schaden oder leicht haben. Bei Strohlehm haben wir immer wieder Fälle, wo Schim- 
ausgebessert werden können oder gar nicht erst auftreten. Das ist melpilze auftauchen. Wenn man richtig konstruiert, kann man das 
die eine Technik ... verhindern, aber bauphysikalisch nicht richtig ausgebildete Arbei- 
ARCH*: Können wir bei ihr noch einen Moment bleiben? Welche ter machen da immer wieder Fehler. 
Auswirkungen hat diese Strangpresstechnik auf die Architektur? ARCH* : Welche Zusätze verwenden Sie stattdessen? 
Minke: Mit ihr muß anders gebaut werden als mit gebrannten Minke: Wir verwenden einen geblähten Ton bestimmter Zusam- 
Ziegeln. Da das Grundelement plastische Stränge sind, die man mit mensetzung. Durch weitere Zuschläge schaffen wir es, daß kein 
der Hand verformen kann, ist es sinnvoll, angepaßte Formen zu Schwindmaß auftaucht - das ist der Vorteil der Leichtlehmbau- 
wählen. In unserem eigenen Haus zum Beispiel, formen wirausder weise - und das Ganze billig bleibt. 
Wand heraus gleich die Einbaumöbel, wir bekommen auch runde ARCH* :Das waren also die drei Verwendungsarten des Baustoffs - 
Ecken. Die sind dann auch logisch, denn an ihnen entstehen z.B. Lehm. Ich habe gehört, daß Sie auch bereits eine Stufe früher 
keine Risse. So ist die Konstruktionsweise, das Aufeinanderlegen ansetzen, und Eigenschaften des Lehms selbst auf chemische
	        
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