Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1985, Jg. 18, H. 79-83)

Lehmstein- Schüttlehm: 
mauerwerk: Einfüllen des 
aus industriell wärmedämmenden 
gefertigten Leichtlehms 
Ziegeln 
Lehmstränge: 
vorbereitet in 
Zwangsmischer 
und Strangpresse 
Weise zu verbessern suchen? Die Druckfestigkeit, die Resistenz zögerlichen Hypothekenbanken, auf äußerst langfristige Wertbe- 
gegen Wasser z.B. sind doch die großen Probleme hierzulande. ständigkeit der beliehenen Objekte angewiesen, sich auf Lehm ein- 
Minke: Ja und nein. Wir haben sehr viele Untersuchungen lassen werden? 
gemacht, wir haben einen wasserfesten Lehm hergestellt und ihn Minke: Das ist heute inzwischen vollkommen anders und nicht 
auch spaßeshalber für eine Duschzelle verwendet, und wir haben mehr mit der Situation der 20er Jahre vergleichbar, auf die sie 
nun schon sechs Monate einen von diesen wetterfesten Lehmenim anspielen: Einmal ist das Umweltbewußtsein hoch entwickelt und 
Wasser liegen, der löst sich nicht auf. Aber cas ist mehr eine Grund- man legt mehr Wert auf gutes Wohnklima als auf Billigkeit und 
lagenuntersuchung, die ich im Ramen meiner Forschungstätigkeit mehr Wert darauf, daß die Umwelt wenig belastet ist als auf die 
durchführe, und die sich nicht unmittelbar beim üblichen Bauen finanzielle Seite der Sache. 
auswirkt. Diese Ergebnisse sind möglicherweise für Entwicklungs- ARCH*:Der Wert für den Bauherrn kann sich doch nicht im guten 
länder wichtig, wo der Lehm das einzige verfügbare Baumaterialist, Wohnklima erschöpfen. Sie müssen doch auch eine materiell und 
und wo auch keine zusätzliche Wärmedämmung oder Außenscha- ästhetisch sehr verschleißfeste Architektur herstellen und anbieten, 
lung verwendet werden muß. Bei uns sind solche extremen Eigen- um auf Dauer eine Mietzahlungsbereitschaft oder Ausgabebereit- 
schaften des Lehms nicht erforderlich, denn wir ordnen bei allen schaft bei dem Käufer sicherzustellen und den Banken vorzulegen. 
Bauten, die ich betreue, grundsätzlich innen den Massivlehm an, Minke:Lehmbau ist, das habe ich auch in der dritten Welt ermitteln 
außen eine zusätzliche Wärmedämmung und davor in der Regel können, lebensfähiger, d.h. haltbarer als vergleichbare Ziegel und 
eine hinterlüftete Schalung. So gewinnen wir eine bauphysikalisch _Betonbauten. Das ist schwer zu beweisen und ... 
extrem gute Wand mit hoher Wärmedämmung (K-Wert um 0,5), ARCH*:... wie aber stehts mit der ästhetischen Haltbarkeit? 
ausreichender Speichermasse für Wärme und Feuchtigkeit. Das ist Minke: Das ist eine andere Geschichte. In Deutschland sind die 
ja das Wesentliche an der Lehmwand, daß sie die Luftfeuchtigkeit meisten Lehmbauten nach den Kriegen entstanden, in Not- und 
sehr gut ausgleicht. Krisenzeiten. So sind in der Regel nur Hütten gebaut worden. 
ARCH*: Der Außenlehm ist also konstruktiv vor der Witterung Daher kommt noch der Geruch. Zu anderen Zeiten und in anderen 
geschützt, so daß man nicht künstlich mit Chemie verdichten muß? Kulturen sind auch Paläste und Schlösser aus Lehm entstanden. In 
Minke: Ja. Und im Innenraum gibt es Anstriche, die den Lehm Deutschland weniger, aber sogar in Frankreich und anderen euro- 
sichtbar lassen. Das wollen die Bauherren dann auch meistens. Es päischen Ländern. Den Stempel des Ärmlichen hat der Lehmbau 
gibt Möglichkeiten, die Lehmwand zu schlämmen, zu streichen, nur in Deutschland. 
ihn wischfest zu machen. Die einfachste Möglichkeit ist, Kasein- ARCH*:Meine These ist, daß wir mit einer Umbewertung des Bau- 
farben zu verwenden, auch Mineralfarben gehen gut. Man kann,so stoffes Lehm nicht rechnen dürfen, sondern daß es darauf 
wie wir es gemacht haben, mit Magerquark und Molke sehr sehr ankommt, wenn wir schon Lehm verwenden - und vieles spricht 
gute Wirkungen erzielen. Der Lehm wird wischfest, und trotzdem bei bestimmten Aufgaben wieder dafür - daß es also darauf an- 
behält er seine natürliche Wirkung. kommt, eine ganz gewöhnliche, brauchbare Architektur herzu- 
ARCH"* : Soviel vielleicht zu den Konstruktionen und zum Baustoff. stellen. Daß das Material in den Hintergrund tritt und von dort aus, 
Sie sind die Grundlage und Voraussetzung der einen Seite der wie nebenher, seine wohltuenden Eigenschaften beisteuert. 
Konkurrenzfähigkeit. Das ist die Seite des Angebotes, die Seite auf Minke: Das sehe ich auch so. 
der Sie forschen und beachtliche Beispiele herzeigen. Es gibt aber ARCH*: Wenn ich aber unter diesem Gesichtspunkt noch einmal 
noch eine gewichtige andere Seite, das ist die der Nachfrage, der auf Ihre Lehmstrangpresstechnik zurückkommen darf, die runde 
Nachfrage, auf dem Wohnungsmarkt und der Nachfrage auf dem Ecken erfordert und auch zu Sechsecken drängt ... Sind solche 
Finanzmittelmarkt. M.a.W.: Gibt es Bauherren für den - wenn Häuser anlagefähig, d.h. auch wiederverkaufbar? 
auch relativ preiswerten - Lehmbau und finden sich Banken, ihnzu Minke: Zunächst einmal: Ich baue nicht ein Haus, um es wiederzu- 
beleihen? verkaufen. Wenn man das möchte, dann wird man es auf den 
Minke: Auf der Seite der privaten Bauherren gibt es zur Zeit eine Durchschnittsbürger abstimmen und von vornherein nicht die 
Nachfrage, die mir zu groß ist. Strangpresstechnik wählen. Aber die Bauherren, die heute mitge- 
ARCH"* : Gratuliere. stalten möchten und die genug haben vom üblichen sozialen Woh- 
Minke: Nein, so kann man das nicht sehen. Es sind so viele Interes-  nungsbau mit seiner Beschränktheit und Langweiligkeit, die reagie- 
sierte da, man kann ihre vielen Fragen nicht beantworten, auch ren sehr positiv auf die gestalterischen Möglichkeiten der Lehm- 
wenn sie zu Aufträgen führen könnten. Mich erreichen hunderte technologie. Und wenn Bauherren jetzt anfangen, eine aus der 
von Briefen und Telefonanrufen, ich kann nicht aufjeden eingehen. Technik abgeleitete Formensprache selbst zu entwickeln, so finde 
Diese Nachfrage ist mir zu groß. Ich würde lieber in Ruhe die ersten ich das faszinierend und unterstütze das gerne. 
dreißig Häuser noch in diesem Jahr fertigbauen, das publizieren. ARCH*: Hier schließt meine letzte Frage an, liegt hier nicht der 
untersuchen und die Erfahrungen weitergeben. tiefere Grund dafür, weswegen Sie sich mit Lehm und anderen, 
ARCH”: Gut, das ist die Nachfrage, gewiss auch aus bestimmten ungewöhnlichen Materialien beschäftigen, liegt er nicht im 
Schichten kommend, wir sollten das hier nicht vertiefen. Mich Wunsche, eine andere Architektur zu finden, haben Sie nicht 
interessiert noch die Frage nach den Geldgebern. Wenn das Lehm- letztlich die Kunst im Sinne und nur mittelbar das billige Bauen? 
bauen etwa so teuer ist wie das herkömmliche, bleibt ja die Frage Minke: Das ist etwas Sekundäres. Das motiviert manchmal weiter- 
der Fremdfinanzierung wie eh und je. Was sagen die Banken? zumachen. Das Primäre ist doch die Ökologische Problematik, das 
Drängeln die auch schon auf den Lehmmarkt? ist der ungeheuere Energieverbrauch, der mit konventionellen 
Minke: Das ist noch nicht der Fall. Das wird irgendwann mal Materialien auftritt und die damit verbundene Verschmutzung 
kommen, wenn die Sache bekannter ist. unserer Umwelt. Mich interessiert auch immer mehr die rationale 
ARCH"” : Liegt hier nicht ein tieferes Problem? Ist nicht Lehmbauzu Seite. 
sehr mit dem Geruch des Ärmlichen belastet und hängt ihm nicht ARCH"*:In erster Linie sind Sie demnach Techniker und in zweiter 
die Abwertung als Ersatzbauweise zu sehr an als daß, sagen wirein erst Künstler? 
Facharbeiter mit ihm bauen und repräsentieren möchte, und die Minke: Ja. 
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