Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1985, Jg. 18, H. 79-83)

rechts: Wand im Teehaus Shokintei der kaiserlichen 
Katsura Villa in Kyoto. Mitte des 17.Jhr. Durch 
den Zusatz schwarzer Farbe in der letzten Lehm: 
schicht wird die Wand getönt. Der unregelmäßige 
Farbauftrag korrespondiert mit der unregelmäßig 
geformten Stütze. Dieses Stück Lehmwand steht 
unter Denkmalschutz. Wie Bilder hat man sich sol - 
che Wandstücke geschenkt. 
links: Lehm wird auch äußerst präzise verarbeitet: 
einem hölzernen, mit Lehm ausgekleideten Kohle: 
feuerbecken für den Teeraum wird mit einer klei- 
nen Kelle eine ebene Fläche und eine scharfe Kante 
abgezogen. Der Lehmauftrag war zweifach und 
weniger als 1 mm dick. 
unten: Tosa-Gebiet auf der südlichen Shikoku- 
Insel. Ein Fachwerkbau wird mit einem mehr- 
schichtigen Putz versehen, der trotz heftiger 
Taifun-Regen im Sommer 60 bis 100 Jahre über- 
dauern soll. 
Lehmbau an und für sich ist, kann durch mangelnde Beachtung der brauchen wie etwa der Zement, mit dem gerade auf dem Lande in 
Erfordernisse stark in Mißkredit, ja vielfach in Verruf geraten. Kein schönheitlicher Beziehung schon viel Unheil angerichtet worden 
Wunder, daß er durchweg als mehr oder weniger unsolider Not- ist.” Man erhoffte sich eine „Förderung der ländlichen Baukultur” 
behelfempfunden wurde und ihm der Armeleutegeruch anhaftet.” und vom „erdgewachsenen Lehmbau” sogar „das Sinnbild echter 
(S.45) Bodenständigkeit” (H. Grimm: Betrachtung über den Lehmbau. 
1952, also schon lange nach der Lehmbauwelle direkt nach dem Baumeister 2/3 1948. S. 109). 
Kriege, erschien in der DDR von E. Pollack und E. Richter das Buch Aber zu höchsten baumeisterlichen Ehren, zu architektonischer 
„Technik des Lehmbaus”. „Wenn es noch eines Beweises bedarf, Schönheit ist der Lehmbau bei uns noch nicht gekommen. Zwar 
daß sach- und fachgerecht ausgeführte Lehmbauten bei pfleglicher schreibt T. Miller 1947 in der „Lehmbaufibel”, die von den 
Behandlung mehrere Jahrhunderte überdauern, so gehe man mit Forschungsgemeinschaften der Hochschule Weimar herausge- 
offenen Augen durch unsere heimatlichen Dörfer und Landstädte geben wurde in der Einleitung: „Das Bauen mit Lehm braucht 
und betrachte die vielen Tausende von ein- und mehrgeschossigen durchaus nicht primitiv zu sein. Zu welch ansprechender Baukultur 
Lehmbauten ...” (S. 156). „Es muß die Vorstellung überwunden es die einzelnen Völker gebracht haben, zeigen die Bilder aus 
werden”, heißt es im Vorwort, „der Lehmbau sei eine Behelfs- Persien, Mesopotamien, Jugoslawien, Ungarn, Österreich und 
bauweise, eine solche also, der man nicht die gleiche Aufmerk- Deutschland.” 
samkeit hinsichtlich der Mechanisierung und Industrialisierung Fritz Schumacher, 1917, „Das Wesen des neuzeitlichen Back- 
zuzuwenden braucht, wie man es bei anderen Konstruktionen tut.” steinbaus”, sieht im Lehmstein auch ein brauchbares „Aushilfs- 
Es ist erst jetzt, also 30 Jahre später, zu dieser umfänglichen Auf- mittel in der Not”. Aber weder der Lehmstein noch der Kalksand- 
merksamkeit gekommen. Wird in dieser Schrift, wie auch heute oder Schwemmsteine mögen mit dem Backstein konkurrieren; 
wieder, für eine durch Experimente und sorgfältige Praxis ent- „daß sie die ästhetischen Eigenschaften des Ziegels nicht ersetzen 
wickelte Lehmbauweise plädiert, so kommen doch andere wichtige können, braucht kaum gesagt zu werden. Die edle Farbe und das 
Aspekte nur andeutungsweise zur Sprache: der gesundheitliche sichtbare Mauergefüge werden ihm immer seine Überlegenheit 
Aspekt, der denkmalpflegerische Aspekt und der gestalterisch wahren.” 
ästhetische Gesichtspunkt. Die Asthetik der Selbsthelfer in den 20er Jahren hilft dem Lehm 
Pferdemenges vermutet gesundheitlich positive Wirkungen der auch nicht auf eine kulturelle höhere Stufe. Leberecht Migge, 
Lehmwände, besonders der mit Lehmputz versehenen Ianen- KGartenarchitekt bei Tauts und Mays Siedlungen, Lebens- und 
wände, auf den Menschen aus der Beobachtung der Tieraufzuchtin Sozialreformer, entwirft 1921 eine „Natürliche Architektur (Etap- 
Lehmställen und der bewährten Frische von Obst und Gemüse in penbauweise)”. In dem so betitelten Aufsatz ist ihm jedes Material 
Räumen mit Lehmwänden. Daß Holzin Lehmwänden gut erhalten recht, sofern es zur Hand ist und dem Siedler ein handwerkliches 
bleibt, hat er an seinem 200 Jahre alten Gutshause in Pommern KBEigenbauen erlaubt. „Immer nur sei: Jedermann sein eigener 
beobachtet. Architekt!” „Die Frage nach dem Baumaterial ist leicht beant- 
Gestalterische Fragen des Lehmbaus werden nur allgemein wortet: Im Rahmen unserer sparsamen Bauweise kann wirklich 
behandelt. Hölscher, Wambsganz und Dittus schreiben in der alles nützlich verwandt werden, vom Lehmklumpen bis zur „sozia- 
„Lehmbauordnung” 1948: der Lehmbau zwingt „zur einfachenund lisierten Zaunlatte”. Man nimmt, „was da ist”, und erst das Ein- 
klaren Baugestaltung und zur sauberen und ehrlichen Hand- fügen des „Baugegenstandes” in den Organismus, die Erfindungs- 
werksarbeit ... Er ist also ein Erzieher zur anständigen Bauge- kraft, die sich am Gerümpel entzündet, macht seinen absoluten 
sinnung. Unkonstruktives Bauen ist hier nicht möglich; Sünden Wert.” (Lebrecht Migge: Gartenkultur des 20. Jahrhunderts. Hrsg. 
gegen die Lehmbautechnik rächen sich meist sofort oder nachganz Fachbereich Stadt- und Landschaftsplanung der Gesamthoch- 
kurzer Zeit. Auch läßt sich der Lehm von Pfuschern nicht so miß- schule Kassel. Worpsweder Verlag) 
- De
	        
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